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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

genießt man eine prachtvolle Aussicht in das romantische Thal und über Zittau hinaus in die Gegend von Görlitz.

Von überraschender Wirkung sind die auf dem Haupte des Felsens prangenden malerischen Ruinen des alten Raubschlosses und des Klosters, die mit zu den großartigsten gehören, welche Mittel- und Norddeutschland aufzuweisen haben. Namentlich zeichnen sich die Kloster-Ruinen durch die Herrlichkeit echtdeutscher Architektur, durch Kühnheit in den freigeschwungenen Bogen und durch Schönheit der noch hier und da zu bemerkenden Kreuz- und Rosenverzierungen aus.

Vor dem Jahre 1200 war der Oybin mit seiner ganzen Umgebung ein wüster, wilder Waldberg. Fast 56 Jahre später fand ein Jäger des Chval von Leippa, Oywin, daher der Name des Berges, bei Verfolgung eines Bären, den er jagte, den Felsen und veranlaßte seinen Herrn, dort eine kleine Burg zu erbauen, deren ursprünglicher Zweck wohl kein anderer gewesen ist, als zur Erquickung und Bewirthung der Jäger zu dienen.

Bereits 1280 aber setzten sich die vom Burgberge vor Zittau hier fest und plünderten die Kaufleute, welche auf der damals zwischen den Oybiner und Jonsdorfer Bergen hinlaufenden Straße Handel trieben.

Die Zittauer Bürger, des Unwesens müde, zogen mit gewaffnet Hand aus und zerstörten die Burg, die zweifelsohne damals von Holz war, ohne großen Widerstand. Eine lange Zeit, die Chronik sagt 30 Jahre, stand der Berg leer; 1312 aber bauten die Herrn von Leippa ein neues steinernes Gebäude dahin und fingen das Räuberhandwerk von Neuem an, ärger als früher, so daß Fuhrleute und Reisende durch Bedeckung geleitet werden mußten, bis endlich 1349 Karl IV. das Raubschloß eroberte und zerstörte. Jedenfalls hat er noch vor Gründung des Klosters sich das Schloß auf dem südlichen Gipfel des Berges, dessen Trümmer noch zu sehen sind, erbaut, denn 1360, meldet die Chronik, hatten die Herwigsdorfer Bauern Holzfuhren zu thun, und noch heute bezeichnet die Burgstraße einen Weg zwischen Oybin und Herwigsdorf. Das Cölestiner-Kloster wurde 1369 gestiftet. Seinen Bau leitete des Kaisers Hofbaumeister, Peter Arler von Gemünd, dessen Bild auf der Domgallerie in Prag hängen soll.

Die prächtige Kirche wurde am 6. November 1384 durch den Erzbischof und Reichskanzler Johann von Jenzenstein eingeweiht. Von nun an wuchs die Besitzung des Klosters. Andächtige aus Zittau vermachten oft ihre ganze Habe, so 1394 Margaretha Gresser und Andere.

Im Hussitenkriege wurde das Kloster 1420 und 1429 bedroht, aber nicht erobert, wohl aber sein Besitzthum so arg verwüstet, daß der Wohlstand je mehr und mehr sank, bis die Reformation des Klosters Ende herbeiführte. Karl V. veräußerte 1544 die Kleinodien desselben. Die wenigen Mönche bezogen ein Jahr darauf das früher erkaufte Haus in der Stadt, den Väterhof, und 1574 brachte der Stadtrath den Oybin sammt allen dazu gehörigen Gütern käuflich an sich.

Am 24. März 1577 schlug bei einem entsetzlichen Gewitter der Blitz in die leeren Klostergebäude, die Pulverkammer der Burg fing Feuer, und nach achttägigem Brande war der schöne Bau in eine Ruine verwandelt, an der ein unweit der Kirche 1681 vorgekommener Felseneinsturz noch mehr Verwüstungen anrichtete.

Was die Stätte an Holz, Eisen, Blei, Kupfer noch darbot, ward von den herumstreifenden Horden im 30jährigen Kriege geraubt. Einzelne Bewohner der Stadt besitzen noch Alterthümer, unter denen die Stücke von alten Oefen merkwürdig sind, weil sie die Kleidertracht von 1500 in den Bildnissen aufbewahren.

In dem Kriegsjahre 1813 suchten die Landleute in den Klüften des Oybin Schutz für sich und ihr Eigenthum.


Die Prairien.

Erlebnisse eines deutschen Flüchtlings von C. B.
(Fortsetzung.)


Tief gerührt von dem Liede, das ich gesungen, wiederholte Ella leise und ich begleitete:

„Küsset Dir ein Blümelein
Augen oder Hände,
Denke, daß es Grüße sein,
Die ich zu Dir sende!“

„Harry, auch Ihr sollt das denken! Willst Du, Harry?“ sagte sie.

Harry küßte sie auf die Stirn und sagte: „Gewiß, Ella, Du weißt, wie ich Dich liebe!“

„Und nun schlaft aus und bleibt nicht lange!“ setzte sie scherzhaft hinzu. „Seid Ihr erst in den Jagdgründen, vergeßt Ihr leicht das Wiederkehren. Ich sähe selbst gern die Prairie!“

„In die Prairien gehen wir?“ fragte ich erstaunt.

„Nun, wohin denn sonst?“ fragte lachend Ella.

„Ich dachte –“

„Er dachte, wir machten eine kleine Jagdpartie in die Umgebung!“ fiel laut lachend Harry ein. „Das mußt Du den Deutschen nicht übel nehmen,“ fuhr er fort, als Ella ein klein wenig schnippisch mich ansah.

Ich fühlte mich sehr beschämt durch diese Auseinandersetzung. Welche Thränen würde eine solche Reise in Deutschland gekostet haben! Aber hier, wo „drüben“, d. i. in Europa, ein gewöhnliches Wort ist, wo Reisen nach China und Japan nichts Ungewöhnliches sind, kann eine Reise nach dem Westen kaum als etwas Anderes, als eine größere Vergnügungsreise angesehen werden – wenn es überhaupt in Amerika Vergnügungsreisen gibt.

Das sollte ich bald erfahren.

Wir fuhren beide allein ohne irgendwelche Bedienung. Aber welche ausgebreitete Verbindungen Harry unterhielt, davon bekam ich bald eine Idee. Wir fuhren ununterbrochen, aber in jeder bedeutenden Station erwarteten Agenten schon die Ankunft ihres Chefs. Der Telegraph ertheilte Befehle. Bald war unser Coupé ein Berathungszimmer, in dem die weitreichendsten Unternehmungen besprochen wurden, bald verwandelte es sich in ein Cassenlocal, in dem große Rechnungsabnahme war. Es kamen auch verschmitzte Gesichter zum Vorschein, die da glaubten, den jugendlichen Chef hinter das Licht führen zu können. Aber an Harry fanden sie den echten Vollblut-Yankee. Und mit wie wenig Material arbeitete er! Sein kleines Notizbuch im Querformat bildete den ganzen Apparat.

Auch ich mußte einige Geschäfte nach seinen Instructionen ausrichten, und ich sah, daß ich zu brauchen war. Ein Trost für mich! Bei diesen Gelegenheiten machte ich wiederholt die Erfahrung, welchen Einfluß der bloße Name Harry auf die Leute ausübte. Nirgends eine sichtbare Devotion, überall nur ein Rücken des Huts, nur ein Händeschütteln, aber es war mir, als könnte die Locomotive ohne uns nicht fortbrausen, als müßte sie auf uns sogar warten. Die Directoren der Bahn kamen zu uns in das Coupé; es wurde über neue Bahnen verhandelt, der Gewinn der gebauten überschlagen. In meinem Coupé saß eine von den Triebfedern dieser furchtbaren Maschine, Vereinigte Staaten genannt.

Es war eine saure, arbeitsvolle Zeit für mich. Nicht, daß ich zu viel zu thun hatte, aber ich konnte schwer verarbeiten, was ich erlebte. Wir brausten den Mississippi hinab. Auch auf dem Dampfboote dasselbe Spiel. Ja, weil wir nicht nach New-Orleans hinunter wollten, brachte uns fast jedes heraufkommende Dampfschiff andere Geschäftsfreunde.

Harry arbeitete mit einer bewundernswürdigen Leichtigkeit, und ich war ordentlich froh, daß ich einige Aufträge zu seiner Zufriedenheit ausgerichtet hatte. Er kam mir vor wie ein Feldherr, und ich fühlte mich als sein Adjutant.

Endlich langten wir an der Grenze der Civilisation an. Wir waren von Fort Smith in Arkansas nach Fort Gibson befördert, und nun im Gebiete der Indianer – auf den Prairien.

In gerader Linie hatten wir einen Weg von 275 geogr. Meilen oder 1250 engl. Meilen oder 1900 Werste zurückgelegt, ungefähr die Entfernung von Paris nach Petersburg. Erwähnen muß ich noch, daß wir den Sonntag ruheten, und Harry fand bei seiner riesigen Geschäftigkeit dennoch täglich Zeit, in seiner Bibel einige Capitel zu lesen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_478.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)