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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Sie fuhren dahin im Abendlichte, umspielt von den neckischen Geistern der Luft.

Wie glücklich, o wie glücklich! Felix hatte gar nicht geglaubt, daß den stolzen, kalten Augen der klugen Elisabeth solche Wonne entströmen könnte. Seine Seligkeit wuchs mit jeder Minute, Trotzdem blieb er praktisch. Er beichtete jedes Wort, das am Morgen des Tages über das leidige Verhältniß zu Lenchen zwischen ihm und seinem Vater gefallen war. Als Alles, selbst das kleine Gespräch mit obligaten Liebkosungen des schönen dicken Armes, von ihm ausgeplaudert war, fragte Elisabeth doch etwas ernst: „Und wenn Frau von Dahlhorst nicht Deine Retterin geworden wäre? Wenn Du fortgerissen von –“ Er schloß ihr den Mund mit einem Kusse.

„Schweig, Elfi, schweig!“ rief er heftig. „Wir Männer sind ein ruchloses Volk und verdienen wahrhaftig Eure reine Liebe nicht. Vergib Alles, was geschehen ist, theure liebe Elisabeth – Du wirst nie, nie wieder Gelegenheit finden, die Verzeihende spielen zu müssen!“

Was der alte Herr Mettling für ein Gesicht machte, als ihm sein Sohn die schöne, stolze Braut in die Arme legte? Es ist zu leicht zu errathen, als daß es der Mühe werth wäre, Worte und Beschreibungen daran zu verschwenden.

Das Bemerkenswertheste bei dieser Ueberraschung blieb jedenfalls Lenchens Mienenspiel. Es wechselte ziemlich schnell unter den Wallungen von Erstaunen und Aerger, und sie soll nicht abgeneigt gewesen sein, eine sogenannte „Scene“ zu spielen.

Allein damit kam sie einem Manne wie dem Lord Felix sehr ungelegen. Als sie mit einer deutlichen Verzweiflungspantomime das Zimmer verließ und dabei ahnen ließ, daß sie in der Einsamkeit ihrer Kammer wohl von einer Ohnmacht befallen werden könne, da überließ der junge Herr sie ganz gelassen ihrer Natur, und er täuschte sich nicht, wenn er derselben ganz vortreffliche Heilkräfte zutrauete. Lenchen starb nicht am gebrochenen Herzen, hatte auch im Grunde nicht die mindeste Ursache dazu. Der erschütterndste Augenblick für das schwer getäuschte Mädchen ist aber jedenfalls der gewesen, wo ihr junger Geliebter offen heraus und keineswegs nach einer schicklichen Art suchend ihr erklärte, daß sie im Hause bleiben könne, wenn sie sich sonst vernünftig betragen wolle. Und mit welch grausamem Gleichmuthe machte er diese Offerte! Zuerst flammte sie, die hoffnungsreiche Träumerin, zornig auf und wollte à tout prix das Haus verlassen, wo sie so großartig geträumt hatte; dann aber berechnete sie, bei der beschlossenen Beschleunigung der Hochzeit, die für sie abfallenden pecuniären Vortheile und beschloß, bis nach der Verheirathung des jungen Paares zu bleiben.

Während sich auf diese Weise das Schicksal seiner Schwester Elisabeth auf eine überraschend schnelle Art entwickelte und feststellte, hatte der Doctor Strodtmann eine schwere Sorge um Herrn von Dahlhorst zu bestehen.

Es glückte ihm für den Augenblick, die Lebensgefahr, worin er wirklich schwebte, und in die er sich wahrscheinlich selbst gestürzt hatte, zu beseitigen, allein das Mark seines Lebens war gebrochen. Siech und elend erstand er von seinem Krankenlager und wurde fortan mit himmlischer Geduld von seiner Gattin Adeline gepflegt.

Von allen Sorgen befreit, in Elisabeth’s von Tag zu Tag wachsender Freundschaft Unterstützung findend, gab sich die junge Frau neuen Lebenshoffnungen hin. Ob aber mit der vollen glückseligen Hingebung eines Herzens, das mit Verehrung und Liebe an einen Gatten sich lehnt, kann man nicht wissen. Strodtmann blieb schroff und ernst in den Schranken des Arztes, und nicht ein Blick zeigte seine wachsende Sorge um dies zarte Wesen, das so schwer zu tragen hatte. Er überließ Alles, was zu thun nöthig war, seiner Schwester, und diese handelte mit der Aufmerksamkeit einer Mutter bei ihrer Hilfsleistung. Zwei Tage nach der glänzenden Trauung Elisabeth’s und Felix’s schlief der Herr von Dahlhorst plötzlich und unerwartet ein, um nie wieder zu erwachen.

Adeline von Dahlhorst verließ sogleich die Residenz und ging zu ihrer Großmutter zurück. Aber Elisabeth veranlaßte sie, von Zeit zu Zeit Besuche bei ihr zu machen und ihren Aufenthalt in ihrer schönen, glücklichen Häuslichkeit auf Wochen auszudehnen. Natürlich fand die junge Wittwe in dem Kreise dieser Familie den Doctor Strodtmann, und dieser ließ nach und nach die Maske der ernsten Zurückhaltung fallen.

Jetzt spricht man von einer nahe bevorstehenden Verlobung des Doctor Matthias Strodtmann und der liebenswürdigen Adeline. Des jungen Mannes Traum am Bache geht also wirklich in Erfüllung. Und Lenchen? Die letzten authentischen Nachrichten über diese lauten:

Nachdem die brillante Hochzeitsfeier des Lord Felix vorüber war, nahm dies modern civilisirte Proletarierkind eine Stelle als Kammerjungfer bei einer jungen Gräfin an, um ihre Particularinteressen weiter zu verfolgen. Und das Glück war ihr merkwürdig günstig. Ihre junge Gebieterin gehörte zum Hofe und siedelte mit demselben nach der Sommerresidenz über. Dort in Ferdinandslust wurde endlich ein Cavalier ersten Ranges, ein Baron Pelz von Bunzlau, von der reizenden Naivetät und holdseligen Unschuld des schönen Lenchens dermaßen bezaubert, daß er diese reine Blume aus dem „Schlamme der Verderbniß“, wie er das Garnisonleben der fürstlichen Gardeofficiere benannte, entführte und sie fern, sehr fern von der Heimath zu einem Pastor brachte, der die klassische Bildung Lenchens vervollständigen und die Kammerjungfergrazie abschleifen sollte.

Dort präsentirte der Herr Baron Pelz von Bunzlau das Mädchen als seine Braut. Ob sie aber jemals die Ehre haben wird, als Baroneß Pelz von Bunzlau in dem Ahnensaale derer Pelz von Bunzlau zu prangen, das ist eine Frage, welche von der Zukunft beantwortet werden muß.

Nach dieser Schicksalswendung hat Lenchen große Ursache, dem Dichter, der ihr Denkvermögen auf den Punkt geleitet hat, wo sie etwas leisten konnte, irgend einen fürstlichen Hausorden zu verschaffen. Es ist zu erwarten, daß sie ihren Einfluß, im Falle sie Einfluß gewinnt, dazu verwenden wird.




Eine Scene aus Gutzkow’s Zauberer von Rom.
(Mit einer Originalzeichnung von W. Wegener in Dresden.)

Ein Reiter sprengt aus einem Waldgrunde daher! Eine lange, markige, wenn auch schon greise Gestalt! Krampfhaft hält die Linke den Zügel, die Sporen drücken in des Pferdes Flanken, um den raschen Lauf desselben noch mehr anzustacheln. Offenbar will der Reiter den düsteren Schatten des Waldgrundes entrinnen und das Schloß erreichen, das ihm so still ernst durch die Bäume entgegenschimmert.

Dennoch scheint er nicht festzusitzen im Sattel. Die Schwenkungen des Rosses drohen ihn herabzuschleudern. Das zusammengezogene, weiß umbuschte Auge auf das Schloß gerichtet, achtet er nicht auf Roß und Weg. Seiner ganzen Haltung sieht man an, daß er trefflich zu reiten versteht; er würde der Kraft und Wildheit des Pferdes spotten, wenn nicht seine Gedanken auf einen andern Gegenstand gerichtet wären, und eine gewaltige innere Aufregung seinen Körper lähmte.

Dieser Reiter ist der Kronsyndicus des ehemaligen Königreichs Westphalen, Freiherr von Wittekind-Neuhof, eine Nachkomme jenes edlen und tapfern Wittekind, der lange Jahre Karl dem Großen die Spitze geboten. Stammhalter eines mächtigen, reichbegüterten Geschlechts, vereint er in sich die letzten Nachklänge seines ersten Hünenstammvaters. Kräftig in seinen Entschlüssen und Handlungen, wild, wenn seine Leidenschaften erregt werden, das Leben in seinen rauschenden Freuden und Genüssen erfassend, nur gewöhnt zu herrschen und seine Befehle ohne Widerspruch ausgeführt zu sehen, ist er Despot, Tyrann in seinem Wirkungskreise. Dennoch liegt in der Kraft und dem Stolze seines Charakters etwas Imponirendes, das selbst seinem Gegner Achtung abgewinnt.

In diesem Augenblicke sitzt die Furie an seinen Fersen. Schon der Blick seines Auges verräth, daß etwas Entsetzliches vorgefallen. Tief unten im Waldgrunde, von woher er kommt, liegt der Deichgraf Klingsohr, des Kronsyndicus früherer langjähriger Freund, der Pächter des größten Theiles seiner Besitzungen, den er in der letzten Zeit haßte, weil er sich durch die von ihm übernommenen Grundablösungsvermessungen in seinem Rechte und seinen Rechtsprincipien gekränkt glaubte, todt in seinem Blute. Den Hirschfänger,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_486.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)