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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

er auf einem abgetriebenen kleinen Pferde. Seine langen Beine schienen die Erde zu berühren. Ich ritt ihm etwas entgegen.

„Habe die Station, Mr. erwartet mich schon. Wäre schon früher gekommen! Doch kein Unglück gehabt? Nichts Verdächtiges gesehen, keine Spur. Der Fuchs ist gut weggekommen, und der Mr. auch gesund. Verfluchte Bestien, diese Erdhunde! – Wenn ich nur erst ein anderes Biest zwischen den Beinen habe. Hält kaum aus bis zum Lager!“

Man kann sich denken, wie sehr mich diese Anrede überraschte. Mißtrauisch sah ich dem Manne in’s Gesicht, als ich ihm nahe genug war, aber ich begegnete einem so biedern, festen Blicke, daß ich ruhig meine Büchse über die Schulter warf. Er schien meine Gedanken errathen zu haben und war erfreut über das Zutrauen. Er reichte mir die Hand.

„Vorsicht ist immer gut auf der Prairie und in der Stadt. Haltet Euch bei Seite, mein Biest hat zu allen Thorheiten Kraft. Doch besser, ich lasse es laufen. Wasser wird es finden und Futter hat’s genug, um zu Kräften zu kommen. ’s ist doch Gottes Geschöpf.“

Mit einigen Griffen hatte er, nachdem er abgestiegen war, den Sattel abgeschnallt, dann machte er den Zügel los. Mit lustigen Sprüngen eilte das Thier davon, warf sich an die Erde, reckte und streckte sich, und rannte dann in der Richtung fort, die ich als die meinige mir vorgezeichnet.

Wie um das Pferd zu erleichtern, hatte sein Reiter sich schon vorher mit seinem ganzen Gepäck belastet; spielend warf er sich Sattel und Decke über die Schultern und nahm den Zaum in die Hand. Mir that er leid, so bepackt einher zu schreiten, ich sprang vom Pferde und verlangte, daß er auf dasselbe sein Gepäck legen sollte. Er wollte durchaus nicht. Als er aber sah, daß ich auf meinem Kopfe bestand, legte er Sattel, Decke und Zaum darauf, wandte sich dann rasch zu mir und sagte: „Und wenn ich mich nun selbst aufsetzte und davon sprengte?“

„Ihr thut’s nicht!“ versetzte ich lachend. „Und wolltet Ihr’s, meine Kugel ist schneller als mein Pferd.“

„Glaub’s wohl, glaub’s wohl!“ erwiderte er ernst. „Aber, junger Mann, habt Ihr schon einen Menschen heruntergeholt vom Pferde? Ben hat’s, und nun hält’s ihn fest in der Prairie. Ich habe sie gezeichnet, alle die Diebe, sie wissen, wie meine Kugel trifft. Aber erschossen habe ich keinen. Grausam sind sie Alle. Sie sind Alle Diebe und Räuber, aber sie kennen Dick’s Büchse und kommen ihr nicht zu nah. Ja, Mann, sie sind mir näher gewesen, als mir es lieb war. Ja, hier seht Ihr!“ Mit diesen Worten nahm er seinen Hut ab, und ich sah mit Schaudern, daß er scalpirt war. „Das haben sie mir gethan, diese Rothhäute. Ben hat mich gerettet. Er hat sie Alle erschossen, Keiner blieb über, um Dick’s Scalp in seinen Wigwam zu tragen. Ich habe ihn noch!“ Und er zeigte mir ihn, an seiner Seite hängend. „Ben hat mich gerettet und gepflegt, darum folge ich Ben und kann nicht von ihm lassen. Ich sagte ihm, ich habe die Prairie satt und wolle in der Mission bleiben, und er ging. Junger Mann, ich konnte nicht Ben allein lassen. Wer würde ihn retten, ihn pflegen, wenn ich nicht bei ihm wäre? Da bin ich hinter ihm drein geritten und habe gesehen, daß ihrer Drei waren und Einer ein Grüner. Nehmt’s Wort nicht übel,“ fügte er hinzu, „aber Ihr konntet nicht durch den Strom, und wurdet bei den Hunden abgeworfen. ’s war wohl zu sehen; Ben ließ eine breite Spur und ich fand, daß Einer im Kahne übergesetzt war, und wo der Fuchs gestürzt war, lagen noch die Haare im Grase, und kein zweites Thier wie dieses ist in diesen Prairien. – Ihr waret mir rasch vorgekommen und ich wußte nicht, wie ich Euch einholen sollte, als Ben mir sagte, daß ich in’s Lager kommen möchte.“

„Ben hat Euch gesagt, Ihr solltet zu uns kommen?“ fragte ich erstaunt.

„Nun, ich fand sein Zeichen im letzten Nachtquartier, wo Ihr am Mittag gewesen, und bin fast die ganze Nacht durch geritten,“ fuhr er fort. „Und Ihr erwartetet mich nicht?“

Ich erzählte ihm offen, wie es mir ergangen war.

„Ja, die Prairie ist ein eigen Ding. Einer wird mit ihr nicht fertig, selbst Ihr mit Eurem Kompaß nicht. Aber Ihr habt Euch schon gefunden und den Kopf nicht verloren, Mit uns Beiden, mit Ben und mit mir, könnt Ihr schon ihren Tücken trotzen. Seht, da ist er schon auf Eurer Fährte.“

Und richtig, auf Harry’s schönem Thiere kam Ben, den Kopf zur Erde gebeugt und den Blick auf dieselbe gerichtet, in vollem Galopp auf uns zugesprengt. Er verfolgte meine Spur. Vergebens hatten sie auf meine Wiederkehr gehofft. Dann hatte sich Ben auf Harry’s Pferd geworfen und war mir nachgeritten, wobei er sich gleich überzeugte, daß mein Weg am Lager vorbei führte.

Bald hatte er uns bemerkt und Dick erkennend sprengte er auf uns zu.

„Wußt’s wohl!“ rief Ben.

„Das freut mich, Ben, das freut mich!“ war Dick’s ruhige Antwort, als sie sich die Hände schüttelten.

Wir beschlossen, den Tag über noch am Flusse zu rasten, und den Nachmittag dazu zu benutzen, Dick beritten zu machen. Ich mußte zu diesem Versuche meinen Fuchs an Dick abtreten, und hatte die angenehme Sorge, das Lager zu bewachen und darauf zu achten, daß unser Büffelfleisch in der Sonne gut austrocknete, denn noch vor Mittag war das beste Fleisch in Streifen geschnitten und in die Sonne gehängt. Die Haut hatte Ben in ein sicheres Versteck gebracht, nachdem er sie mit dem Gehirn des Büffels eingerieben.[1]

Gegen Abend kamen Ben und Harry zurück; der letztere mit meinem Fuchs an der Hand. Nach einer Stunde stellte sich auch Dick ein auf einem kräftigen Mustang[2], der aber über und über mit Schaum bedeckt war.

Harry hatte ihn eingefangen, und den Fehlwurf von heute früh ausgeglichen in seinen Augen. Das Thier war unbändig und wild und blieb stets tückisch und boshaft, so daß wir es von unsern Pferden entfernt halten mußten, denn es biß und schlug auch nach diesen. Nur den Lasso aber brauchte man ihm zu zeigen, und es zitterte am ganzen Körper; nur durch ihn konnten wir seine Wildheit zähmen. Unsere Pferde übertrafen es weit an Schnelligkeit. Wir hatten Gelegenheit, dies bald zu erproben; denn trotz unserer Vorsicht hatte es sich doch einmal losgerissen und eilte in die Prairie hinaus. Obgleich wir ihm einen großen Vorsprung lassen mußten, da wir unsere Pferde erst aufzäumten, so überholten wir es doch, und ich hatte die Freude, mein Probestück im Werfen des Lasso abzulegen. Es zeigte sich hier deutlich, daß die Pflege der Menschen auch die natürlichen Fähigkeiten der Thiere entwickelt.

Dick hatte eine ganz besondere Zuneigung zu mir gefaßt. Er rechnete mir hoch an, daß ich gleich solches Zutrauen zu ihm gehabt hatte und ihm als Fremden so dienstfertig entgegengekommen war; er war mein Lehrmeister in Behandlung der Büchse und des Lasso. Schauerlich-komisch löste sich das Räthsel, wie er sich die Indianer vom Leibe hielt und doch seinen Gewissensskrupeln, Niemand zu tödten, treu blieb. Ben erzählte uns, daß er weit der gefürchtetste Jäger sei, daß kein Indianer in seine Nähe zu kommen wage, weil er gewiß sei, mit zerschmetterter Hand oder lahmem Fuße in seine Heimath zurückzukehren. Dies sei den Indianer fürchterlicher, als der Tod, denn alsdann müßten sie als Invaliden bei den Weibern leben.

Unsere Pferde bedurften der Ruhe, und wir folgten dem Laufe des kleinen Flusses, während ich meine Exercitien machte, und wir diese Zeit zur Dressur unserer Hunde benutzten. Beide Jäger waren Gegner dieser schönen Thiere, die ihnen zu laut waren und deren Nützlichkeit sie weit unterschätzten. In der ersten Zeit beachtete ich nicht, wie genau Harry sich über die Bodenbeschaffenheit unsers Weges unterrichtete. Bei einer Biegung des Flusses traten Felsbildungen auf. Ich erkannte Porphyrformationen und machte die Bemerkung gegen Harry, daß an Porphyr sich auch die Kohle anschlösse, wir daher wohl auf Kohlenflöze stoßen könnten. Harry horchte mir aufmerksam zu, und ich fand Gelegenheit, meine wenigen geognostischen Kenntnisse zu zeigen. Harry war sehr erfreut darüber, und gab mir den überraschenden Aufschluß, wie er besonders über die Bodenverhältnisse der Prairie diesseits des Arkansas sich unterrichten wolle, weil er gedenke, daß bald eine Eisenbahn diese Gegend umgestalten solle.

(Fortsetzung folgt.)
  1. Die gewöhnliche Art, die Büffelhaut zu gerben.
  2. Mustang, das wilde Pferd der Prairie, wird mit dem Lasso eingefangen, Der Reiter legt ihm den Zaum an und setzt sich auf das Pferd. Vergebens beißt dies um sich, schlägt hinten und vorn aus, stürmt endlich in die Prairie; bald hat es der Reiter in seiner Gewalt, und es erkennt seine Herrschaft an, bleibt aber tückisch und bissig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_492.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)