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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 36. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Theater und Schule.
Von L. R.


I.

„Da sind wir nun am schwarzen Bär. Hier mag der Kutscher füttern. Und gehst Du nun erst mit in’s Wirthshaus, Theodor, oder kehrst Du nach Magdeburg zurück?“

Mit raschem Satze sprang Theodor bereits aus dem Wagen, und öffnete dem Vater schweigend den Schlag. Der Vater stieg aus.

„Theodor, so gewandt, so sicher, mit solcher Eleganz auch in den Ehestand hinein!“ sprach der Vater weiter und lächelte den Sohn an.

Der Sohn schwieg, klappte den Wagenschlag zu, schlug die Augen nieder.

„Hat mein voriges Gespräch Dich ernst gestimmt?“ fuhr der Vater fort, während er den Sohn an die Hand nahm, „und doch kann ich nichts davon streichen. Du bist achtundzwanzig Jahr, bist mein einziges Kind, bist Assessor, wohlhabend durch Dein mütterliches Erbe, und da ich so allein stehe, – ich meine es gut mit Dir und mir, – Du drückst mir die Hand? gibst mir Recht?“

Und nochmals drückte der Sohn des Vaters Hand, blickte auf und sprach: „Das könnte Alles schneller geschehen, als Du es denkst!“

„Warum sagtest Du das nicht vorher?“ erwiderte erfreut der Vater. „Also wirklich? – und die Tochter des Vicepräsidenten? – Errathen, Theodor?“

Lächelnd schüttelte dieser das Haupt.

„Du schüttelst und drückst mir doch dabei die Hand?“

„Damit wünsche ich, daß eine Andere Dir ebenso lieb sein möge, als die Vicepräsidententochter.“

„Das soll sie, Theodor! Also wohl die Tochter des geheimen Kirchenraths? oder die hübsche Blondine des Bürgermeisters? Wie, Theodor? Mit diesen jungen Damen hast Du öfters getanzt, auch mit der jüngsten des Generalinspectors – Theodor, da hätte ich gar nichts dagegen! – Aber Du lächelst, Du schüttelst den Kopf, drückst mir immer wieder die Hand?“

„Lassen wir das jetzt, bald vielleicht mehr davon, Vater,“ antwortete der junge Assessor, und ein ernster Zug ging über sein Gesicht.

Beide waren an die Thüre des „schwarzen Bären“ gekommen. Der Wirth trat heraus, die Mütze ziehend und höflich sich verbeugend. „Schon so früh, Herr Doctor, und auch der Herr Assessor mit? Wohl Wichtiges bei unserm Herrn Schnurr? Und nicht allein Schulrevision?“ fuhr er lächelnd fort, „kann mir’s fast denken – aber unser Herr Schnurr ist doch ein tüchtiger Lehrer –“

„Zu dem will ich gar nicht, ich reise heute in Ablösungssachen und Schulbauangelegenheiten. Bis an mein Ziel habe ich noch vier Stunden weit, und so soll der Kutscher hier erst ein Deichselfutter geben,“ antwortete der Schulrath Dr. Werner.

„Ah so, so,“ begann der Wirth von Neuem, „glaubte, weil der Herr Assessor mit wären, es sollte heute in unserer Schule Hauptrevision gehalten werden, – oder es sei etwa –“

„Behüte, behüte, mein Sohn hat mich an diesem schönen Sommermorgen nur bis hierher begleitet, und geht nun zurück nach Magdeburg.“

„So, so,“ fuhr der Gesprächige fort, „ich glaubte schon, man habe etwa gehässige Anzeige gemacht, habe die Sache übertrieben. Fehlt es doch auch unserm wackern Schnurr nicht an Feinden.“

„Und was gibt’s mit Eurem Schulmeister Schnurr? Weshalb wäre jetzt eine gehässige Anzeige möglich gegen ihn?“

Der Wirth blinzelte mit den Augen, that geheimnißvoll, lächelte, drehete die Mütze in den Händen.

„Da Ihr schweigt, wird’s nicht viel sein,“ sagte der Schulrath Werner, „und so will ich es auch nicht wissen – der Schulmeister Schnurr ist brav.“

„Laß uns doch hineingehen, Vater,“ versetzte unruhig der junge Assessor, „oder willst Du, so fahren wir bis auf das nächste Dorf, da können wir eine Weile noch ungestört reden, und die Pferde halten ja noch aus,“

„Dein Rückweg zu Fuße würde dann eine Stunde länger werden,“ bemerkte der Vater und schritt bereits nach der Hausthür.

„Das schadet nichts,“ antwortete rasch der Sohn, „komm, wir setzen uns wieder ein, die Pferde sind noch nicht abgezäumt.“

„Hättest Du das doch vorhin gesagt, Theodor!“ tadelte gutmüthig Jener.

„Ei, Potztausend, so lassen Sie sich’s doch bei mir gefallen!“ rief der Wirth und öffnete schon die Stubenthüre.



II.

Aus der Wirthsstube heraus klang helles Gelächter. „Man sieht doch,“ rief eine Stimme, „daß die Komödianten immer lustig sind! Denn unter der gerichtlichen Anzeige steht auch noch die Privatanzeige von dem Theaterdirector selbst, und die ist kurz und heißt: „Wer mir die zweihundert Louisd’or wieder verschafft, bekommt zwanzig Stück davon; das alte ABC-Buch aber kann er behalten.““

Nach diesen gelesenen Worten entstand wieder allgemeines Gelächter.

Der Vorleser war der Richter des Dorfes, und um ihn herum saßen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_505.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)