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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

bis er 1811 seiner ihm vorangeeilten Zeit in den Tod folgte. Seine charakteristische Hinterlassenschaft bestand in einer Unmasse – falscher Zöpfe, die in einer großen Stube, nebeneinander aufgehangen, zwei Wände bedeckten und, aus lackirtem Leder mit einem Haarschwänzchen bestehend, als „theures Erbstück der Ahnen“, weil sich Niemand vorfand, der die Erbschaft sub beneficio inventarii antreten wollte, hängen blieben, bis sie elf Jahre später Wilhelm Sattler mit dem Schlosse käuflich erwarb. In diesen elf Jahren hausten nur Eulen, Ratten und Mäuse in den zusammenstürzenden Mauern, die einst von Fürstenglanz erfüllt gewesen waren. Von nun an beginnt die zweite Glanzperiode des Schlosses, vermittelt durch das Schweinfurtergrün, den Kartoffelsago und die Papiertapete. Wie merkwürdig und charakteristisch ist doch der Umstand, daß die einst fürstliche und fürstbischöfliche Herrlichkeit in den Zopf ausging, um nach der Eulen- und Rattenperiode durch die kunstsinnige Pietät des Industriellen der Neuzeit glänzender aus ihrem Grabe zu erstehen, als sie je gewesen!

„Das Alte sinkt, es ändert sich die Zeit
Und neues Leben blüht aus den Ruinen.“

Der eigentliche Genius dieser mit ungeheuern Kosten, die nur ein Sattler bestreiten konnte, verknüpften Resurrection war Frau Katharina, deren vom Vater ihr aufgeerbter Kunstsinn hier ein Feld schöpferischer Thätigkeit fand. Sie beschwor den ritterlichen Geist des Mittelalters, seine poetisch-artistischen Schätze wiederum in den neu geschmückten Räumen auszubreiten. So entstand unter ihrer pflegenden Hand allmählich eine reiche Bildersammlung, zu welcher die Gemälde ihres Vaters den Anfang bildeten, so eine sehr werthvolle und für den Kunstkenner und Alterthumsforscher wichtige Sammlung von alten Waffen, Rüstungen, Hausrath und andern Alterthümern, eine bändereiche, treffliche Bibliothek, und alle diese Schätze, verbunden mit der reizenden Lage und dem baulichen Schmuck des neuen Fürstenhauses und mit der gastfreundlichen Liebenswürdigkeit seiner Besitzer, erwarben diesem ehelichen Sitz der neuen Industrie und der alten Romantik einen so großen Ruf weit und breit, daß er der Wallfahrtsort unzähliger gebildeten Fremden geworden ist. Auch Könige und Fürsten weilten als Gäste unter diesem mit zwiefachem Reiz geschmückten hohen Dach, und deutsche Sängerchöre ließen schon oft, namentlich bei Gelegenheit des großen fränkischen Sängerfestes in Schweinfurt (1842) in diesen Räumen ihr kräftiges Lied erschallen.

Im obern Stockwerk befindet sich die große und berühmte Tapetenfabrik. Es ist für den poetischen Sinn des Sattler’schen Ehepaars bezeichnend, daß es nicht sämmtliche Lokalitäten des Schlosses zu industriellen Zwecken verwendete, wie ja in neuerer Zeit mit manchem alten Schlosse geschehen ist, sondern in einem großen Theile derselben dem Geiste der Vorzeit würdige Rechnung trug und, indem es das Nützliche förderte, zugleich das Schöne pflegte. So sind die Arbeit der Gegenwart, das Ziel der Zukunft und Kampf und Minne der untergegangnen Jahrhunderte unter diesem einen Dache friedlich, freundlich und würdig vertreten.

Während Frau Katharina restaurirte Bilder, Waffen und Rüstungen aufstellte, erfand sie neue geschmackvolle Tapetenmuster.

In seinen schönen patriotischen Hoffnungen als Landstand 1849 und 1850 getäuscht, zog sich Wilhelm Sattler auf sein Schloß zurück, begrüßte hier alles Schöne und Gute, das die trübe Zeit brachte, mit freudigem Hinblick auf die Zukunft, feierte hier mit seiner würdigen Gattin im Kreise ihrer zahlreichen Nachkommenschaft und vieler Freunde die goldne Hochzeit und starb hier nach kurzem, aber schmerzlichem Krankenlager am 15. Juni d. J., während die blutigen Loose der Gegenwart aus der eisernen Schicksalsurne in der Lombardei sprangen.

Wie der weise Sokrates trat er ruhig im Bewußtsein eines wohlgeführten Lebens vom Schauplatz seiner segensreichen Thaten ab. In einem einsamen waldbeschatteten Thale bei Mainberg ruht, seinem ausgesprochnen Willen gemäß, die Hülle des bescheidnen Mannes. Sein würdiges Denkmal ist Schloß Mainberg selbst, und sein Name wird, wenn er auf den Marktplätzen der Welt verklungen ist, für Jahrhunderte an den stolzen Bau geheftet sein und neben dem des berühmten Henneberger Fürsten, des Minnesängers Otto von Botenlauben, der glückliche Dichtertage an dieser Stelle genoß, und andrer fürstlicher Herren weltlichen und geistlichen Standes, die hier jagten und zechten, ehrenvoll genannt werden; ja wir hegen die nicht unwahrscheinliche Vermuthung, die Namen jener Herren werden im Andenken des Volkes verlöschen, der Name Wilhelm Sattler aber wird darin leuchten; denn jene genossen nur, dieser aber arbeitete auch hier und genoß dann den Lebensabend mit der Mäßigkeit eines Weisen.




Elemente der Naturwissenschaften.
Von Emil Th–en.
(Fortsetzung.)[1]

Elektricität. – Reibt man eine Siegellack-, Harz- oder Glasstange mit Wolle, Seide oder Pelz, so hat sie dann die Eigenschaft, kleine Papierstückehen aus geringer Entfernung anzuziehen. Diese Kraft verdankt sie der erregten Elektricität, sie ist elektrisch geworden. Die Elektricität kann zwar in jedem Körper wahrgenommen werden , aber da sie leitungsfähig ist, da es auch schlechte und gute Elektricitätsleiter gibt, so gelingt es uns z. B. nicht, eine Metallstange, die wir in der Hand halten, elektrisch zu machen. Die entstehende Elektricität wird nämlich sofort durch unsern Körper abgeleitet, und nur dann können wir sie sammeln, wenn wir die Metallstange oder überhaupt jeden guten Elektricitätsleiter durch einen schlechten, z. B. durch einen Holz- oder Glasgriff, von unseren, Körper trennen. Es gibt zwei Arten von Elektricität, nämlich Harzelektricität, die durch Reiben von Harz mit Wolle oder Katzenfell, und Glaselektricität, die durch Reiben von Glas mit Wolle oder Seide entsteht. Erstere heißt auch negative, letztere positive. Jeder Körper enthält beide Arten von Elektricität, und dann ist er in seinem natürlichen Zustande, man bemerkt an ihm keinerlei elektrische Eigenschaften. Wird ihm jedoch durch Reiben irgend eine Art genommen, so bleibt ihm nur noch die andere, und diese zeigt sich durch ihre anziehenden Wirkungen. Es ist uns noch völlig unbekannt, was eigentlich das Agens ist, welches die elektrischen Wirkungen bedingt, obgleich diese, physikalisch wie chemisch, sehr ausgedehnt sind, denn besonders in letzterer Hinsicht sind sie es in dem Maße, daß man annahm, jede chemische Veränderung, Verbindung oder Zersetzung werde durch Elektricität hervorgerufen und bedingt.

Galvanismus. – Von der jetzt besprochenen, durch Reibung entstehenden, der Reibungselektricität, unterscheidet sich die Berührungselektricität, der Galvanismus. Diese von Galvani entdeckte und nach ihm benannte Kraft zeigt sich bei Berührung von verschiedenen Metallen, z. B. Zink und Kupfer. Es scheidet sich nämlich dabei, durch Einfluß einer unbekannten Ursache bedingt, im Zink positive, im Kupfer negative Elektricität ab, und werden mehrere derartige Metallplatten in geeigneter Weise zusammengestellt und verbunden, wie dies bei der Pelta’schen Säule und besonders bei den galvanischen Batterien der Fall ist, so kann man elektrische Ströme von großer Stärke erzeugen, die sowohl mehrere, sonst unmögliche chemische Zersetzungen bewerkstelligen, als auch sehr stark magnetisirend auf weiches Eisen einwirken. – Die Wirkungen dieser Kräfte zeigen sich in der Galvanoplastik und in besonders großartigem Maßstäbe in der elektrischen Telegraphie. Die Zoologie. – Unter allen organisirten Wesen stehen die Thiere obenan, und von ihnen ist wieder der Mensch das vollkommenste. Von diesem aus sinkt die Organisation mehr und mehr auf niedere Stufen herab, bis man auf eine Grenze kommt, wo Thier und Pflanze nicht mehr zu unterscheiden ist, wo man Individuen, die sogenannten Pflanzenthiere trifft, die zwar den Bau der Pflanzen haben, aber doch auch, allerdings nur sehr dürftiges, animalisches Leben zeigen. Die thierische organische Substanz besteht aus Schleimstoff, durch dessen Umwandlung die einzelnen Theile: Gefäße, Muskeln, Sehnen etc. gebildet werden, während die Knochen zum großen Theil unorganische Masse enthalten, die wir in der zum Düngen der

Felder gebrauchten Knochenasche sehen. Im Allgemeinen unterscheiden

  1. Siehe Nr. 33.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_527.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2023)