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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

dort Triumphe feierten bleibt nichts davon als die süße Erinnerung der dort genossenen Freuden. Gut ist es, daß man wenigstens Cremorne Gardens hat; dort kann man sich von dem Schmerze über den Fall von Vauxhall Gardens etwas erholen. Und indem ich an alle die verschwundenen Reize von Vauxhall Gardens denke, da fällt mir auch ein Neger ein, der an den schönsten Tagen im Sommer mit einem kolossalen, viele bunte Felder haltenden Regenschirme, auf dem mehrfach die Worte: Heute Vauxhallgarten! angebracht waren, durch die Straßen Londons rannte. Alle Welt mußte den Neger mit dem gewaltigen Regenschirme sehen, und er wollte ja auch von allen gesehen sein, denn sowie im Garten vergnügungssüchtige Putzmacherinnen, junge Noblemen und lustige Clerks sich ein Rendezvous gaben, so sollten auch die Schillinge der Londoner und Fremden sich in der Casse des Unternehmers in größtmöglicher Anzahl zu einem gemüthlichen Stelldichein versammeln. Der Deutsche nennt das Schwindel; den Engländer kümmert das sehr wenig. Er würde, wenn es anginge, selbst den Teufel citiren, um Casse machen zu helfen.




Die Prairien.
Erlebnisse eines deutschen Flüchtlings von C. B.
(Fortsetzung.)


Nachdem ich meine Beobachtungen Dick zugerufen, auf dessen Vorbereitungen ich nicht achtete, sagte er mir, ich sollte die Reiter nicht aus den Augen lassen, dann setzte er sich auf mein Pferd und sprengte in den Grund aufwärts, dem Winde entgegen. Schon konnte ich mit bloßen Augen die Reiter erkennen, die unschlüssig zu halten schienen, da sie uns nicht wieder sahen, und einen Hinterhalt vermuthen mochten, als Dick wieder angesprengt kam. Er hatte einen Feuerbrand in der Hand und fuhr mit ihm über das dürre Gras, das hinter ihm schon hell brannte. Das ganze Thal hinauf hörte ich das Knistern des brennenden Grases.

„Zu Pferde! Fort, fort!“ schrie mir Dick zu, indem er absprang und den Mustang bestieg. Kaum saß ich aus meinem Pferde, so lief mir auch die Flamme, vom Winde getragen, schon entgegen. Mit Mühe erreichte ich die Höhe; auf dem Fuße folgte das Feuer.

„Es ist besser so, als daß Blut fließt!“ sagte Dick zu mir.

Noch hielt die Schaar der Indianer beobachtend in der Ferne. Unser Erscheinen erregte ihre Aufmerksamkeit; das Feuer mochten sie noch nicht bemerkt haben. Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Der Wind trieb das Feuer von der Seite auf uns zu. Wir konnten berechnen, daß bald ein Feuerstrom von einer halben Stunde Breite uns von unseren Verfolgern trennte, aber wie nach ihnen hin, rückte er uns nach. Dick war ungleich stärker als ich, und ich sah, wie sein Thier immer mehr ermattete, daß selbst das Knistern des Feuers seine abnehmenden Kräfte nicht steigern konnte. Ich sprengte an Dick heran, sprang vom Pferde und rief: „Ich weiche nicht von der Stelle, ihr wechselt denn mit mir. Mich trägt das Thier noch eher!“

Zum Unterhandeln war keine Zeit, Dick mußte mir nachgeben, denn noch einige Minuten, und wir waren vom Feuer eingeschlossen, das schon die Höhe vor uns ergriffen hatte und auf dem vertrockneten Grase mit furchtbarer Geschwindigkeit hinlief von Spitze zu Spitze, sich nicht die Zeit nehmend, den Halm anzugreifen. Dick war rasch auf meinem Pferde, ich folgte ihm auf dem Mustang. Ich hatte den Lasso gebrauchen müssen, um das Thier zum Stehen zu bringen, und hielt diesen noch in der Hand. Wir sprengten im Thale hin, um die Höhe vor uns noch zu gewinnen. Dick ritt schon herauf und ich wollte folgen, als plötzlich ein Indianer mir zu Seite erschien, überrascht wie ich. Aber ehe ich einen Schrei ausstoßen konnte, schwirrte sein Lasso über mir, und ich war gefangen.

Es war mir so vorgekommen, als hätte ich einen einzelnen Reiter dem Trupp vorauseilen sehen, und hätte ich diese Vermuthung Dick mitgetheilt, er hätte gewiß darauf geachtet. Früher als seine Gefährten hatte der Indianer das Feuer gesehen, auch ihm war, wie uns, nichts übrig geblieben, als die noch schmale Front zu umreiten, und er war so mit mir zusammengestoßen.

Ich wäre unrettbar verloren gewesen, denn selbst Dick’s Hülfe wäre zu spät gekommen, wenn ich nicht mich unwillkürlich gebückt und die Hand mit dem Lasso wie zur Abwehr in die Höhe gestreckt hätte. So wurde nur Hand und Lasso gefangen und der Ruck, der mich vom Pferde reißen sollte, wurde am Lasso gebrochen. Meine rechte Hand war mir wie zerbrochen, doch folgte kein zweiter Zug. Ich sah auf. Mein Caro hatte das Pferd zum Stehen gebracht, und ehe der Indianer diesen Feind abwehren konnte, riß ihn Dick’s Lasso vom Pferde. Ich übersah rasch die Verhältnisse. Im Augenblicke war ich von meinem Pferde herunter, hatte meine Hand frei gemacht und lief, den Lasso in der Hand, zum Pferde des Indianers und schwang mich auf dasselbe. Dick hatte schon seinen Lasso von dem betäubten Indianer losgemacht.

„Es ist doch ein Menschenkind, wenn auch ein Dieb und Räuber!“ rief er mir zu. „Wirf ihm den Lasso von Deinem Pferde zu, da kann er sehen, was er uns eingebrockt hat.“

Der Indianer war schon erwacht aus seiner Betäubung, so wie die Schlingen des Lasso sich lösten. Obgleich verwundert über unser Benehmen, verstand er doch unsere Meinung und erkannte die Gefahr. Er setzte sich auf den Mustang, und wir überließen ihn seinem Schicksale.

Wir glaubten keine andere Wahl zu haben und sprengten die Höhe hinauf und durch die Flammen hindurch. Sie hatten noch keine Gewalt. Nur leicht versengt waren an den Füßen der Pferde die Haare. Drüben war das Gras weniger trocken, und wir waren gerettet. Dicht vor uns hielten Ben und Harry, die unser Zurückbleiben beunruhigt hatte. Sie waren Zeugen des Kampfes gewesen und hatten schon gefürchtet, zu spät zu kommen. Um so größer war die Freude, die sich aber nur in einem Händedrucke und wenigen Worten kund geben konnte, denn, wenn auch langsam, so folgte uns doch das Feuer, und wir mußten eilen, aus seiner Nähe zu kommen.

Ich hatte mich nicht getäuscht, als ich mein Pferd tauschte. Mein jetziges Thier hätte mir bald den Fuchs vergessen machen können. Ziemlich gleich beritten, erreichten wir gegen Abend ein kleines Gehölz mit einer Quelle und waren sicher. Zur Vorsicht umritten wir die eine Seite, von der das Feuer drohte und ließen für den schlimmsten Fall, daß der Wind sich drehte, einen Gürtel von mehreren Fuß zwischen uns und dem Feuer, der ihm schwer zu überschreiten gewesen wäre. Das Gehölz selbst war noch frisch und grün, obgleich unverkennbare Spuren darauf hindeuteten, daß frühere Prairiebrände doch nicht, ohne Schaden anzurichten, an ihm vorüber gegangen waren.

Als wir uns zur Nachtruhe einrichteten, schlugen die Hunde an. Wir griffen zu den Büchsen. Ueber die Prairie ritt der Indianer, den wir zurückgelassen hatten, auf dem Mustang auf uns zu. Er machte Zeichen, daß er in friedlicher Absicht komme. Mit dem Scharfsinn des Indianers hatte er erkannt, daß wir seinen Tod nicht wollten, und er uns auch jetzt vertrauen könne. Ben ging ihm entgegen.

„Es ist der Häuptling der Comanches, die uns folgen,“ sagte Ben. „Er ist mit Mühe dem Feuer entgangen und todmüde. Sollen wir die Schlange bei uns aufnehmen?“

„Kommt er in Frieden, so soll er auch Frieden haben!“ sagte Harry und ging ihm entgegen. Ich folgte Harry, und wir reichten ihm zum Willkommen die Hand. Er stieg vom Pferde. Das arme Thier war furchtbar verbrannt und selbst der Wilde war nicht ohne Brandwunden fortgekommen, obgleich man an seinem gleichgültigen Wesen es nicht abmerken konnte. Er trat so leicht und sicher auf, als ob nicht die Sohlen seiner Füße mit Brandblasen bedeckt wären. Wir leiteten ihn zu unserem Lager, und Dick war bald beschäftigt, ihm seine Füße mit zerquetschten Kräutern, die er mit Ben gesucht, auf’s Sorgfältigste zu verbinden.

Unterdessen war die Nacht hereingebrochen und brachte uns ein furchtbar schönes Schauspiel. Die ganze Prairie vor uns stand in Flammen. So weit wir sehen konnten - ein Feuermeer. Auf und ab wogte es, Welle auf und nieder. Hier faßte der Wind in die Flamme hinein und hochauf züngelte sie, ließ Leuchtkugeln steigen und zerstob in tausend und aber tausend Funken. Dort schien sie zu erlöschen, um im Augenblick wieder mit neuer Wuth in Flammen und Flämmchen zu züngeln. Hin und wieder riß der Wind die schwarze Decke ab und spielte mit der Asche in der Luft, einen Anblick gewährend, wie das schmelzende Gold ihn zeigt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_531.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)