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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

wenn auf einen Moment die Haut über demselben zerreißt. Die Prairie schien dann schmelzendes Gold zu sein. Mir war der Anblick neu, und ich war ihm ganz hingegeben, während die Andern sich mit dem Indianer beschäftigten und sich über die zu treffenden Maßregeln berieten. Dieser selbst schien ganz theilnahmlos und nur bemüht, seine Schmerzen zu unterdrücken, die trotz der Linderung, welche ihm der Verband gegeben, nicht unbedeutend waren. Ich hatte die Wache gegen Morgen und bemerkte, daß er erst um diese Zeit, als ich ihm den letzten Verband anlegte, ob aus übermäßiger Erschöpfung oder erstem Nachlassen der Schmerzen, entschlummerte.

Unsere Vorsicht war nicht überflüssig gewesen, denn bis an unsern Weg schlich sich das Feuer in der Nacht heran, und ich hatte Mühe, es davon abzuhalten, daß es ihn nicht überspränge. Endlich brach sich die Gewalt des Feuers am Morgenthau. Wie sah aber der Morgen die grünende, wogende Prairie an? Unbeschreiblich traurig ward ich, als ich dies weite, große, schwarze Aschenfeld sah. Wir hatten nichts von den jagenden und fliehenden Büffelheerden sehen können, die weit vor uns geflohen waren, da wir das Feuer angelegt hatten, aber ich sah hier die Weide von Millionen Thieren als Asche vor mir. Wie vielen mochte sie den Tod gebracht haben! Das Alles, um unser Leben zu retten!

Wir hielten eine Berathung über das Schicksal des Comanches. Er schien es zu ahnen. Er streckte Harry die Hand entgegen und sagte: „Conanha ist Dein Freund. Er ist ein Häuptling, und seine Krieger werden ihn bald finden. Aber Ihr zieht seine Straße, zieht Ihr in Frieden?“

„Da haben wir’s,“ sagte Dick, „wir sind auf dem Wege nach des Löwen Höhle.“

„Die Prairie ist weit, und viele Wege sind auf ihr. Wir ziehen bis an den Rand der Wüste den geraden Weg!“ antwortete Harry.

„Gut, und was will mein Bruder da?“

„Conanha wird es nicht verstehen. Wir wollen das Land kennen lernen.“

„O,“ sagte der Comanche bitter, „den Weißen ist das Land jenseits der Berge zu klein geworden, sie wollen auch die Prairie für sich!“

„So ist es! Der Comanche weiß nur den Büffel zu jagen und den Reisenden aufzulauern, aber der Weiße kann den Boden bearbeiten und die Erde aufschließen. Will Conanha uns aufhalten, will er verhindern, daß unser Dampfroß bis an die Felsengebirge jagt? Hat der Comanche die Macht, welche die Mohawks, die Osagen, die tausend Stämme im Osten nicht hatten? Hat Conanha nie gehört, daß wir den Missisippi zwingen und den Missouri bewältigt haben? Hat er nie von den Wasserfällen gehört, von denen Eure Alten mit Grausen erzählen, und über die wir Brücken bauten? Wir werden uns einen Weg durch die Prairie bauen, und die Büffel sollen das Dampfroß schnauben hören, und Conanha wird es nicht hindern. Glaubt das mein Bruder?“

Anfangs wollte Conanha ergrimmt auffahren, mit steigendem Interesse hörte er zu, dann fragte er: „Und wo hat mein Bruder seine Krieger?“

„Ich will erst sehen, dann sende ich sie!“ erwiderte Harry.

„Und die rothen Leute?“

„Wir werden ihr Land bezahlen, und sie werden unser Geld nehmen. Wir wollen nur einen Weg, und der ist schmal. Aber wenn Ihr nur Büffel jagen und Pferde rauben wollt, so wird auch die Prairie bald nicht mehr Euer sein. So wird’s kommen, Conanha, so will es der große Geist!“

„Es wird so!“ sagte der Comanche ernst, „so sagen unsere Weisen auch. Aber der Comanche kann nur leben, wie seine Väter, er wird untergehen mit den Büffeln auf der Prairie. – Aber mein Bruder ist auf dem Wege zum Lager Conanha’s. Sein junger Krieger hat Conanha das Pferd genommen – er mag es behalten, denn er hat ihn nicht wollen verbrennen lassen, und der Alte hat Conanha zu Boden geworfen, er hat seinen Scalp nicht genommen, nun ist er Euer Freund, er will Euch in seinem Lager sehen.“

„Was können wir Besseres thun?“ sagte Harry, „wir gehen mit.“

Wir beriethen uns über die Art und Weise, ihn fortzuschaffen, ohne unsere Wehrhaftigkeit aufzugeben, denn dies schien den erfahrenen Jägern die beste Sicherheit gegen die Tücken der Indianer. Es wurde beschlossen, daß er Ben’s Roß besteigen sollte. Conanha schlug diesen Antrag entschieden aus.

„Will mein junger Bruder mir sein Pferd leihen? Ich werde ihn lehren, es zu reiten, und ehe die Sonne im Mittag steht, sind meine Krieger bei uns, dann hat er es wieder. Die Krieger der Comanches kann kein Feuer schrecken.“

Ich ließ ihm sein Pferd und Dick nöthtigte mir meinen Fuchs auf. Wir wollten den Comanche auf sein Pferd heben, aber er weigerte sich. Er pfiff, und sein Pferd stand an seiner Seite. Er sprach einige Worte zu ihm, und es legte sich vor ihm nieder, so daß er bequem ohne unseren Beistand sich aufsetzen konnte. Conanha ritt an Harry’s Seite, Ben führte den Zug, und Dick und ich machten den Schluß. Trotz Ben’s Ungeduld ging die Reise nur langsam vorwärts, denn Harry richtete sich ganz nach Conanha und dieser schien keine Eile zu haben.

Dick verdoppelte seine Wachsamkeit und schüttelte oft unruhig den Kopf über die Langsamkeit unseres Vorgehens, und er hätte doch am meisten zu leiden gehabt, da er zu Fuß war.

„So viele Pfade die Prairie durchkreuzen, so viele Wege geht der Indianer. Aber unter allen Rothäuten sind die Comanches die verschlagensten und listigsten. Wie wir aus dieser Lage herauskommen, das mag Gott wissen. Ich möchte am liebsten dem Hunde eine Kugel durch den Kopf jagen und mich auf das Pferd setzen, dann wüßte ich, wie ich Euch weiter führte. Wenn es sein muß, brauchen wir ein fünfzig Comanches in der Prairie nicht zu fürchten, und einige Bäume hinter uns, könnten fünfhundert um uns heulen. – Vom Fort sind sie ausgezogen, um diese Hunde bei den Pani’s zu suchen am Red River, und diese sind am Canadian und werden ihnen im Rücken sein, ehe sie es denken. Was gilt’s, sie haben sich bis auf den Weg nach Santa Fé gewagt und einen Zug Reisende aufgehoben. Gewiß sind wir nur von dem Haufen bemerkt, der die Straße nach Osten zu recognoszirte, andere Haufen sind nach den anderen Richtungen hin gesandt, auch vielleicht zur Jagd, und nur ein kleiner Rest ist zur Bewachung des Lagers zurückgeblieben, das nur auf die Rückkehr der Krieger wartet, um den Heimweg anzutreten. Und die Beute muß groß sein, sonst würde der Häuptling sich nicht so weit an uns heran gewagt haben; es muß etwas Besonderes sein, sonst hätte er nicht vom Lager gesprochen. Daß mir sein Versteck kennen, weiß er, und ich fürchte, er weiß mehr, als uns lieb ist. Dann hilft ihm aber keine Freundschaftsversicherung!“ Das war der Inhalt der Gespräche Dick’s.

Gegen Mittag machten wir Halt. Einen großen Eindruck mußten Harry’s Reden auf den Wilden gemacht haben, das sahen wir aus der großen Achtung, mit der er ihm entgegen kam. Mit seiner Berechnung und großer Menschenkenntniß hatte dieser ihn behandelt, und so eine geistige Gewalt über den Comanche erhalten, die wunderbar gewesen wäre, wenn sich diese Erscheinung nicht auch im Leben wiederholte. Der Häuptling war immer ein Fürst, fürstliche Gedanken für sein Volk, für dessen Zukunft hatte Harry in seiner Seele geweckt, nachdem er alle seine gewohnten Gedanken ihm über Bord geworfen. Harry hatte ihn auf den Unterschied zwischen Mexicanern und Amerikanern aufmerksam gemacht; er hatte die Thatsachen sprechen lassen, daß es den Comanches eben so wenig möglich wäre, wie den andern Wilden, dem Andrängen der Amerikaner zu widerstehen, die ihnen als einzelne Jäger schon unbesiegbar gewesen wären, aber nur, weil sie die Hülfsmittel der Intelligenz ihrer Landsleute hinter sich hätten. Die Thatsache war unleugbar, daß alles Anstürmen der Wilden nicht vermocht hatte, einen Pflug zurückgehen zu lassen. Hatte der Pflug einmal den Boden aufgerissen, so war er den Wilden verloren, denn selbst die amerikanische Regierung war machtlos über diese kühnen Lichter der Wälder, Harry hatte dem Wilden, der jeden Fleck der Prairie kannte, gesagt, wo die Kohle zum Feuern des Dampfkessels gegraben, wo das Erz zu Pflug und Spaten, dem Wilden gefährlicher, als Büchse und Bowiemesser, aus der Erde geholt werden würde. Er hatte ihm die Orte in der Prairie gezeigt, die zuerst zu Ansiedlungen benutzt werden müßten, weil sie am geeignetsten. Dabei hatte er nie unterlassen, dem Häuptlinge Mittel und Wege, auf die Natur und Denkweise seines Volkes begründet, anzugeben, diesem selbst diese Vortheile zu wahren, da es nicht darauf ankäme, wer sie bennutze, sondern daß sie benutzt würden.

(Fortsetzung folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_532.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)