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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

und flößen die Stämme zu einem Damme zusammen, welcher nicht selten über hundert Schritt lang gebaut und durch dazwischen geschobene Pfähle und Zweige, aufgeschüttete Steine, Erdklöße, Schlamm und Sand ziemlich wasserdicht und so fest gearbeitet wird, daß Cartwright, dem wir die beste Beschreibung dieser Bauten verdanken, sie öfters als Stege benutzen konnte. Mit der Zeit wird ein solcher Damm namentlich auch aus dem Grunde immer fester, weil die zu ihm verwendeten Holzarten großentheils solche sind, welche im Wasser wurzeln und ausschlagen.

Gewöhnlich beginnen die Biber Anfangs August den Bau ihrer Wohnung. Haben sie eine felsenfreie Uferstelle gefunden, so machen sie unter dem Wasser am Grunde des Ufers ein Loch, welches sie nach und nach schief bis an die Oberfläche des Bodens durcharbeiten. Aus der Erde, welche sie aus dem Loche nehmen und mit kleinen Holzstücken und Steinen vermischen, bilden sie einen oft 7–8 Fuß über die Oberfläche sich erhebenden eirunden kuppelförmigen Hügel von 8–12 Fuß Durchmesser, und in diesem legen sie ihre geräumige Wohnung an. Sie besteht aus einer backofenförmigen geschlossenen Kammer mit fußdicken Wänden, einem festen Dache und einem oder häufiger mehreren Gängen, welche tief unten im Flußbette endigen, sodaß sie immer unter dem Wasser aus- und eingehen. Der Boden der Kammer ist mit feinen Spänen bedeckt, welche als Ruhekissen dienen. Neben dem Mund- oder Eingangsloche befindet sich der Speicher, in welchem sie Wurzeln und Astwerk bewahren, oft in erstaunlicher Menge. Sie arbeiten bis zum Gefrieren des Wassers ununterbrochen an der Vervollkommnung ihrer Wohnung und der Einsammlung in den Speicher, und schlüpfen auch im Winter aus und ein, weshalb sie die Hauptröhre stets mindestens 8 Fuß unter der Oberfläche des Wassers münden lassen; der Damm quer durch den Fluß dient hauptsächlich dazu, dem Wasserbecken um die Burgen herum den erforderlichen Hochstand zu erhalten. Oft liegen mehrere Kammern neben einander unter derselben Kuppel; sie stehen jedoch unter sich nicht in Verbindung und jede hat ihre eignen Ausgänge. In einer Kammer führen vier, seltner acht Biber mit der doppelten Zahl von Jungen ihr höchst gemüthliches, durchaus friedliches Stillleben. Bisweilen bleiben sie drei bis vier Jahre an einer Stelle wohnen; oft aber bauen sie sich alljährlich neue Burgen. Außer ihnen besitzt jede Ansiedlung noch ihre besonderen Fluchtröhren in der Uferwand des ganzen Raumes, den sie eingenommen hat.

Im Sommer spazieren diese prächtigen Thiere auch gemächlich auf dem Lande herum, um sich die zartesten und leckersten Baumrinden frisch vom Stamme weg zu holen. Sie fressen nämlich nur Pflanzenstoffe und niemals Thiere; ein abgebissenes Aststück wird gar allerliebst zwischen den Vorderpfoten gehalten und zierlich zum Munde geführt. Nach der Mahlzeit wird wohl auch ein Schläfchen außerhalb der Burg, in einem verborgenen Busche gehalten; bei Gefahr geht es aber schleunigst dem Wasser zu. Und das schützt die drolligen Burschen hinlänglich vor den sie bedrohenden Feinden aus ihrer Classe – nur nicht vor dem Menschen. Denn dieser verfolgt den Biber des köstlichen Bibergeils und des trefflichen Pelzes wegen mit aller nur ihm möglichen Grausamkeit. Der Gewinn der Biberjagd ist so lohnend, daß sie jeder anderen vorgezogen wird.

Die Jäger haben aber nur diesen einen Gewinn im Auge. Sie übersehen den unschätzbaren, Tausende von Millionen enthaltenden Zug der Wandertauben, jener „Heringe des Luftmeeres,“ welche hoch über den Wipfeln des Waldes dahinziehen, um in einem fernen Theile desselben mehrere Millionen Scheffel Bucheckern und Eicheln zur Nahrung eines Tages einzusammeln; sie übersehen vielleicht auch die hübsche Gruppe von Truthühnern, welche auf und unter den Aesten der einen Fichte ruht. Es sind wirkliche Truthühner, die Stammeltern der unsrigen, deren Vorfahren um’s Jahr 1525 gezähmt zu uns herüber gekommen sind. Noch finden sie sich hier in ebenso großen Gesellschaften, als die Pfauen in Bengalen oder die Perlhühner in Afrika; noch sieht man allein Heerden von 10–100 „Kollerern“, alten bramarbasirenden Hähnen, zusammen und Ketten von 80–150 Stück Hennen mit ihren Jungen. Ihr Leben in der Wildniß ist sehr anziehend und spaßhaft; denn die wilden Truthähne verstehen noch besser als die zahmen die schwere Kunst, wichtig zu thun und durch leeres Poltern und Sich-Aufblasen eine gewisse, wenn auch sehr zweifelhafte Achtung sich zu erringen. Audubon gibt eine reizende Beschreibung von dem Leben dieser Prahler der allerärgsten Art. Ein Flußübergang, oder besser Ueberflug z. B. gibt tagelangen Stoff zu höchst wichtigen Berathungen und Großthuereien der alten Hähne, ihrem jungen unerfahrenen Volke gegenüber; sie kollern und schreien fast noch ärger, als die friedlichen Landleute mancher Gegenden bei ihren durch Faustschläge geregelten Versammlungen, blasen sich auf und thun, als gälte es eine Welt zu erobern, lassen aber auch wieder ein fürchterlich ernstes, beängstigendes Schweigen als wirksames Zwischenspiel eintreten und schwingen sich dann endlich auf die höchsten Bäume, um von dort aus in die neue Welt jenseits des Flusses überzuschiffen. Die jungen Laffen purzeln dabei allerdings oft in’s Wasser und müssen sich durch Schwimmen forthelfen. Die alten Herrn aber, welche wieder festes Land unter sich haben, wissen dann ihren Sieg gar nicht genug auszuposaunen. Nun darf sich aber ein schwacher Falke zeigen! O Jammer! – wie rasch verschwindet da das Selbstgefühl, der Muth, das Bewußtsein, das bramarbasirende Wesen, das Poltern etc.! Alles, Alles hat mit einem Male aufgehört, und mit Angst suchen sie das Dickicht, um sich zu verbergen.




Aus dem Leben eines genialen Prinzen.

Es war im Jahre 1792; das monarchische Europa hatte der französischen Revolution den Krieg erklärt, und Preußen dabei die Hauptrolle übernommen. Damals war Prinz Louis Ferdinand, der Neffe Friedrich des Großen, ein junger Mann von zwanzig Jahren, der den berüchtigten Feldzug oder vielmehr Rückzug aus der Champagne als Obrist eines Regiments zu Fuß mitmachte. Zufällig begegnete ihm Goethe, der im Gefolge des Herzogs von Weimar sich befand.

„Wir trafen auf einen Husarenposten“ – erzählt der Dichter – „und sprachen mit dem Officier, einem hübschen jungen Mann. Die Kanonade war weit über Grandpré hinaus und er hatte Ordre, nicht vorwärts zu gehen, um nicht ohne Noth eine Bewegung zu verursachen. Wir hatten uns lange besprochen, als Prinz Louis Ferdinand mit einigem Gefolge ankam, nach kurzer Begrüßung und Hin- und Wiederreden von dem Officier verlangte, daß er vorwärts gehen solle. Dieser that dringende Vorstellungen, worauf der Prinz nicht achtete, sondern vorwärts ritt, dem wir dann Alle folgen mußten. Wir waren nicht weit gekommen, als ein französischer Jäger sich von fern sehen ließ, an uns bis auf Büchsenschußweite heransprengte und sodann umkehrend wieder verschwand. Ihm folgte der zweite, dann der dritte, welche ebenfalls wieder verschwanden. Der vierte aber, wahrscheinlich der erste, schoß die Büchse ganz ernstlich auf uns ab, man konnte die Kugel deutlich pfeifen hören. Der Prinz ließ sich nicht irren, und jene trieben auch ihr Handwerk, so daß mehrere Schüsse fielen, indem wir unsern Weg verfolgten. Ich hatte den Officier manchmal angesehen, der zwischen Pflicht und zwischen dem Respect vor einem königlichen Prinzen in der größten Verlegenheit schwankte. Er glaubte wohl in meinen Blicken etwas Teilnehmendes zu lesen, ritt auf mich zu und sagte: „Wenn Sie irgend etwas auf den Prinzen vermögen, so ersuchen Sie ihn, zurückzugehen, er setzt mich der größten Verantwortung aus; ich habe den strengsten Befehl, meinen angewiesenen Posten nicht zu verlassen, und es ist nichts vernünftiger, als daß wir den Feind nicht reizen, der hinter Grandpré in einer festen Stellung gelagert ist. Kehrt der Prinz nicht um, so ist in Kurzem die ganze Vorpostenkette allarmirt, man weiß im Hauptquartier nicht, was es heißen soll, und der erste Verdruß ergeht über mich ganz ohne meine Schuld.“

„Ich ritt an den Prinzen heran und sagte: „Man erzeigt mir soeben die Ehre, mir einigen Einfluß auf Ihre Hoheit zuzutrauen, deshalb ich um geneigtes Ohr bitte.“ Ich brachte ihm darauf die Sache mit Klarheit vor, welches kaum nöthig gewesen wäre, denn er sah selbst Alles vor sich und war freundlich genug, mit einigen guten Worten umzukehren, worauf denn auch die Jäger verschwanden und zu schießen aufhörten. Der Officier dankte mir auf’s

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_555.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2023)