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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Verbindlichste, und man sieht, daß ein Vermittler überall willkommen ist.“

Der Rückzug führte den Prinzen nach Frankfurt a. Main, wo er sich für die Strapazen des Krieges in seiner gewohnten Weise schadlos hielt, bald ein interessantes Liebesabenteuer verfolgend, bald am Spieltisch das Glück und seine Launen herausfordernd. Mitten in diesem Taumel von Zerstreuungen und Vergnügen brach aber immer wieder seine edlere, künstlerisch geniale Natur hervor. Viele Stunden widmete er vorzugsweise der Musik; er selbst war ein vollendeter Virtuose auf dem Clavier, und seine Compositionen tragen den Stempel der höheren Weihe und eines nicht gewöhnlichen Talents. Musiker, Liebhaber und Virtuosen drängten sich an ihn, suchten und fanden bei ihm Aufmunterung und Unterstützung in einem Maße, das seine Humanität oft in überraschender Weise bekundete. Ein heruntergekommener Virtuose wandte sich in Frankfurt an ihn; der Prinz konnte ihm nicht ausreichend helfen, da fiel er plötzlich auf einen Ausweg.

„Kündigen Sie an, daß ich eine Claviersonate in Ihrem Concerte spielen werde,“ rief er, und der Erfolg überstieg jede Erwartung, da die ganze Stadt natürlich voll Neugierde herbei strömte, um das seltsame Schauspiel zu genießen, einen preußischen Prinzen in einem öffentlichen Concerte zu bewundern.

Im folgenden Jahre wurde der Feldzug gegen die Franzosen fortgesetzt. Der Prinz war bei dem Heere und seine Anwesenheit wurde durch zwei Thaten der edelsten Menschlichkeit bezeichnet. Bei der Belagerung von Mainz war ein Vorspannsbauer im Gedränge vom Pferde gesunken, und ein Packwagen ihm über den Fuß gefahren. Die Leute umstanden zwar den Unglücklichen, ohne ihm jedoch die dringend nöthige Hülfe zu bringen. Da eilte der Prinz, welcher an seinem Fenster den Vorfall beobachtete, schnell hinab, hob den armen Bauer auf seine Schultern, trug ihn auf sein Bett und ließ ihn bis zu seiner Wiederherstellung verpflegen.

Zwei Monate später fand ein Gefecht zwischen österreichischen Plänklern und dem Feinde statt, der diesen scharf zusetzte. Prinz Louis war zugegen, und sah durch die wohlgezielten Schüsse der Franzosen manchen wackeren Kämpfer fallen. Ein Soldat vom Regimente Pellegrini wurde im Zurückweichen getroffen und sank; im Fallen bat er seine Cameraden flehentlich, ihn doch mitzunehmen. Keiner hörte ihn, da der Feind immer näher rückte, der Prinz ermunterte die Nächsten, den Verwundeten zu retten, und bot sogar eine ansehnliche Summe, aber Niemand wollte sich der Gefahr aussetzen, sein Leben oder im besten Falle seine Freiheit zu verlieren. Da entschließt sich Louis, schreitet kühn im Kugelregen bis zu dem Verwundeten, packt ihn im Angesicht des Feindes mit seinen starken Armen auf und bringt ihn glücklich herüber, obgleich alle Schüsse auf ihn gerichtet wurden. Die That erregte das größte Aufsehen, die Oesterreicher nannten mit Begeisterung den Namen des Prinzen, und der gemeine Soldat jauchzte ihm zu, wo er sich zeigte.

Der Krieg nahm für die Verbündeten bekanntlich eine unglückliche Wendung und Preußen sah sich genöthigt, den Frieden zu Basel mit Frankreich zu schließen. Der Prinz war mit diesem Ausgange im höchsten Grade unzufrieden und sprach in diesem Sinne unverhohlen und oft in starken Ausdrücken seine Meinung aus. Der Frieden wirkte nicht vortheilhaft auf seine feurige Natur, welche ohne Beschäftigung nur allzuleicht auf Abwege gerieth und von dem Strudel der damals herrschenden Frivolität sich hinreißen ließ. Er trug alle Keime eines großen Mannes in sich, aber die Zeit und der Boden waren nicht zu ihrer Entwickelung günstig. Die gehemmte Thatkraft des Prinzen machte sich in Ausschweifungen aller Art, besonders in sinnlichen Zerstreuungen Luft, aber selbst in seinen Leidenschaften behielt seine bessere Natur stets die Oberhand. Nach einer durchschwelgten Nacht kehrte er zu seinen wissenschaftlichen Studien, am liebsten zur Musik zurück. Alle edlen Gefühle und tiefen Empfindungen, deren er vollkommen fähig war, drückte er in freien und kühnen Phantasien aus, eine stille Einkehr in seine Seele haltend.

Die ungeordnete Lebensweise des Prinzen mußte um so mehr auffallen, da das junge Königspaar, Friedrich Wilhelm der Dritte und die unvergeßliche Louise, als das Vorbild häuslicher Tugend und reinster Sitte erschien. Zu allerlei ärgerlichen Geschichten, die von der geschäftigen Fama noch schlimmer gemacht wurden, als sie an und für sich schon waren, kamen noch Schulden, und zwar in einer kaum zu bewältigenden Höhe, hinzu. Der Prinz war von Natur freigebig, großmüthig, sorglos, zum Aufwande geneigt, weder voraus- noch nachrechnend. Seine Gläubiger drängten ihn, und der haushälterische Vater gab nur eine verhältnißmäßig geringe Zulage; außerdem überließ diesem der Sohn die ihm zugefallene bedeutende Erbschaft seines Oheims, des Prinzen Heinrich, zur lebenslänglichen Verwaltung, als er gesehn, daß der ihm dadurch bewiesene Vorzug den Vater kränke. Da das Beispiel des Prinzen verführerisch auf den Kreis der jüngeren, ohnehin zum Uebermuth und zur Verschwendung geneigten Officiere wirkte, die sich ihm anschlossen und in ihm ihr glänzendes Vorbild verehrten, so empfing Louis den Befehl, Berlin zu verlassen und bei seinem Regimente in Magdeburg zu bleiben. Hier besuchte er einmal mit einer ganzen Gesellschaft die Vorstellung englischer Reiter und gab, als der Teller zum Sammeln umherging, für sich und seine Begleitung ein Goldstück, was den Umständen nach weder zu viel noch zu wenig sein mochte. Ein kleiner elegant gekleideter Kaufmann, der dicht dabei stand, wollte die Gelegenheit, den königlichen Prinzen zu überbieten, nicht vorüberlassen und legte mit auffallender Art zwei Goldstücke auf den Teller. Ein Begleiter des Prinzen machte diesen auf das Benehmen des kleinen Kaufmanns aufmerksam; der Prinz aber zog den Hut sehr höflich ab und sagte mit einem lachenden Blick auf das Gold, gleichsam betroffen: „O, davor habe ich den größten Respect!“

Dieser unfreiwillige Aufenthalt in Magdeburg hielt indeß den Prinzen nicht ab, von Zeit zu Zeit wieder nach Berlin zurückzukehren. Dort war ein neues geistiges Leben und eine Geselligkeit im höheren Sinne aufgeblüht. Männer wie Gentz, die Brüder Friedrich und August Schlegel, Schleiermacher, Fichte, Bernhardi traten mit den kühnsten Meinungen über Kunst und Wissenschaft hervor. Der Prinz nahm an ihren Bestrebungen den lebhaftesten Antheil, lernte sie meist persönlich kennen und fühlte sich mächtig von dieser geistigen Bewegung angezogen. Später kam noch der berühmte Geschichtsschreiber Johannes von Müller hinzu, der in einem Briefe an eine Dame folgendes Urtheil über den Prinzen fällt: „Ich habe ein langes Gespräch mit dem Prinzen Louis gehabt. Ich war überhaupt sehr davon bezaubert: er ist einer der schönsten Männer; er weiß mehr, als ich erwartete; er hat viel Geist und Energie, ganz gewiß. Er ist ein Mann, der in Zeiten der Noth dem Könige und dem Staate solche Dienste leisten wird, wie der große Friedrich sie von Heinrich erfuhr; er hat unendliche Hülfsmittel in sich; möchte er nur stets von Leuten umgeben sein, die für den König und das Vaterland wie ich denken; dies ist ein wichtiger Punkt bei einem Charakter wie der seine; Wissen und Geist haben großes Gewicht bei ihm, und ich würde nie glauben, daß er irgend etwas unternähme, was er von Personen mißbilligt sähe, deren Zustimmung ihm Werth wäre.“ Auch mit Schiller trat der Prinz bei der Anwesenheit des Dichters in Berlin in ein näheres Verhältniß; er behandelte ihn mit Auszeichnung und zog ihn zu Tisch.

Gern verweilte der Prinz auf seinem ihm zugehörigen Gute Schricke, unweit Magdeburg an der Elbe gelegen, wo er sich mit der Jagd belustigte. Diese betrieb er nicht, wie manche große Herren, als eine vornehme Beschäftigung, als eine fürstliche Reservatfreude, sondern mit freiem Behagen, wie eine heitere Anstrengung, wobei an Geschicklichkeit im Rennen, Reiten und allen dazu gehörigen Fertigkeiten es ihm der Geübteste und Fertigste nicht vorthat. Hier wurden Säue abgefangen und der edle Hirsch gehetzt. Nach der Jagd versammelten sich Freunde und Bekannte zum frohen, geistreichen Mahle, wobei auch die Frauen nicht fehlen durften. Das Mahl wurde im antiken Sinne durch geistreiche Gespräche und Musik gewürzt und oft bis in die späte Nacht verlängert. Neben dem Prinzen stand ein Piano. Eine Wendung, und er fiel in die Unterhaltung mit Tonaccorden ein, die dann der Capellmeister Dussek, der immer in seiner Umgebung lebte, auf einem andern Instrumente weiter fortführte. So entstand oft zwischen Beiden ein musikalischer Wettkampf, ein musikalisches Gespräch konnte man es nennen, das alle durch Worte angeregte Empfindungen der Seele in bezaubernden Tönen lebhafter fortklingen ließ.

Im Frühjahr 1804 kam Frau von Staël, die berühmte Schriftstellerin, nach Berlin. Prinz Louis war täglich mit ihr zusammen und Beide zogen sich gegenseitig an. Beide fanden vielfache Berührungspunkte, besonders in ihrem Urtheil über Napoleon, der damals zwar die Welt mit seinem Ruhm erfüllte, aber auch bereits seinen herrschsüchtig egoistischen Charakter immer offener entwickelte. Der Prinz sagte einst von ihm:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_556.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2023)