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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

des bevorstehenden Krieges setzten, gehörte seine eigene Mutter, Prinzessin Ferdinand, welche alles Preußische für unerschütterlich hielt.

„Liebe Mutter,“ erwiderte er bei einer ähnlichen Aeußerung, „denken Sie denn, das könne niemals anders sein, es werde immer getrommelt werden, wenn Sie aus dem Thore fahren? Sie fahren einmal spazieren, und es wird nicht getrommelt, glauben Sie mir’s!“

Solche Befürchtungen sprach er mehrfach unumwunden aus; auch sorgte er, bevor er in das Feld rückte, für seine Kinder Louis und Blanche und deren Mutter, eine Demoiselle Fromm, ein sanftes Mädchen, das ihm mit wahrer Liebe ergeben war, obgleich sie in geistiger Beziehung ihm nicht genügen konnte. Auch auf seine zahllosen Gläubiger war er bedacht, und suchte wenigstens die Berechtigung ihrer Ansprüche festzustellen.

Er hatte die Bestimmung erhalten, auf dem linken Flügel des Heeres die Vortruppen anzuführen. In Leipzig traf er mit den Generalen Blücher und Rüchel zusammen, den tüchtigsten und ruhmvollsten des ganzen Heeres, mit denen er einen Todesbund einging, der sich für ihn nur allzuschnell erfüllen sollte. Von seiner damaligen Stimmung legt ein Brief an Rahel von Varnhagen aus Leipzig vom 11. September 1806 das beste Zeugniß ab.

„Heute,“ schreibt ihr der Prinz, „haben wir hier ein Rendezvous der verschiedenen Avantgarde-Chefs gehabt, der Generale Blücher und Rüchel und mir, der die des linken Armeecorps commandirt; morgen geht Jeder zu seiner Bestimmung ab. Ein Wort gaben wir uns Alle, ein feierliches, männliches Wort, und gewiß soll es gehalten werden – bestimmt das Leben daran zu setzen, und diesen Kampf, wo Ruhm und hohe Ehre uns erwartet, oder politische Freiheit und liberale Idee auf lange erstickt und vernichtet werden, wenn er unglücklich wäre, nicht zu überleben! Es soll so gewiß sein! Der Geist der Armee ist trefflich und würde es noch mehr sein, wenn mehr Bestimmtheit und erregende Kraft in der Politik wäre, und mehr fester Wille die schwachen und schwankenden Menschen bestimmte! – Was ist dieses erbärmliche Leben? Nichts, auch gar nichts! – Alles Schöne und Gute verschwindet, erhaben ist das Schlechte, und die traurige Erfahrung reißt unbarmherzig alle schönen Hoffnungen von unseren Herzen! So muß es in diesem Zeitalter sein, denn so erstarken auch alle schönen und menschenbeglückenden Ideen! Nur das Erbärmliche blieb, nur dies siegt – warum also beklagen, wenn im Kleinen geschieht, woran ein ganzes Zeitalter leidet!“

Auch mit Goethe traf der Prinz noch einmal zusammen, der ihn „nach seiner Art tüchtig und freundlich“ fand, und in seinen Schriften dieser Begegnung gedenkt. Das Hauptquartier des Fürsten Hohenlohe, zu dessen Heeresabtheilung der Prinz gehörte, befand sich in Jena. Hier mußte er die Entscheidung des Kriegsrathes, der in Erfurt abgehalten wurde, mit banger Ungeduld erwarten. Der Fürst kam in der Nacht von Erfurt zurück, und hatte eine zweistündige Unterredung mit dem Prinzen, worin diesem die vollkommene Planlosigkeit des ganzen Feldzuges und die Rathlosigkeit der Führer klar wurde. Seitdem war alle seine Munterkeit dahin, seine Hoffnung und sein Vertrauen verschwanden, seine einzige Furcht war, die Gelegenheit zum Kampf und zum Tode zu versäumen. Er hatte festen Sinnes die Würfel über sich geworfen. Er ging zu seinen Truppen nach Rudolstadt, wo die fürstliche Familie seine Ankunft mit einem Ball und Mahle im Schlosse feierte. Zum letzten Male überließ sich der Prinz seiner Lebenslust; er war heiter und liebenswürdig. Die geistreiche Fürstin forderte ihn auf, eine Probe seines musikalischen Talents zu geben; er setzte sich an das Clavier und spielte noch zum Entzücken und zur Bewunderung seiner Zuhörer über eine Stunde im freien Laufe der Gedanken auf dem Piano. Das war sein Schwanengesang!

Drei Tage später drängten die französischen Vortruppen unter Marschall Lannes die preußischen Posten bei Saalfeld. Bei der ersten Nachricht eilte der Prinz mit sechstausend Mann auf den Kampfplatz. Er führte die Reiter in’s Gefecht, gesellte sich zum Fußvolke, ritt unter den Schützen umher, entwickelte eine eben so große Thätigkeit als Besonnenheit, die man ihm nicht zugetraut hatte. Seine Reiterei konnte die immer stärker andringenden feindlichen Massen nicht abhalten; die vom Fürsten Hohenlohe erwartete Unterstützung kam nicht. Der Prinz wollte nicht zurück, und ordnete auf einer Wiese die versprengten Jäger zum neuen Kampfe, während die Franzosen heranrückten. Vergeblich stemmte sich der Prinz der Flucht entgegen; er ward zuletzt mit hineingerissen.

Um nicht in Gefangenschaft zu gerathen, wandte auch er sein sonst treffliches Roß, das diesmal versagte und beim Uebersetzen über einen Zaun, unweit des Einganges von Wöhlsdorf, an einem Fuße hängen blieb. Ein ansprengender französischer Husar versetzte in diesem Augenblick dem Prinzen einen tiefen Hieb in den Hinterkopf; zugleich stürzte ein französischer Wachtmeister vom zehnten Husarenregiment, Namens Guindé, auf ihn los, und, rief ihm zu, sich zu ergeben. Der Prinz antwortete durch einen Säbelhieb, empfing aber dafür einen tödtlichen Stich in die Brust. Noch hielt er sich einen Augenblick zu Pferde, gestützt von seinen herbeigeeilten Adjutanten, dem Hauptmann von Valentini und dem tapferen Nostiz, der auch schon einen Hieb in den Arm erhalten hatte. Der Feind drängte immer heftiger nach. Der Prinz schwankte, sank; Nostiz fing ihn auf, aber schon verhauchte er sein Leben. Jetzt galt es die eigene Rettung, dem Todten war nicht mehr zu helfen. Gegen den Leichnam wütheten indeß noch die feindlichen Husaren, und man fand ihn nackt, ausgeplündert, von dreizehn Hieb- und Stichwunden zerfetzt. Seine Leiche wurde von den Franzosen nach Saalfeld gebracht und daselbst in der Fürstengruft beigesetzt. Die Herzogin von Coburg schmückte den Sarg mit einem Lorbeerkranz.

So starb der Prinz, ohne den Tag von Jena und die darauf folgende Schmach zu sehen, aber eben so wenig durfte er die Erhebung seines Vaterlandes und den großen Kampf der Deutschen gegen Napoleon mit erleben. Er hätte sicher in den Befreiungskriegen eine hervorragende Stellung eingenommen. Durch Geburt, Geist und körperliche Schönheit erinnert er an den göttergleichen Achill, der, ebenfalls von dem Ungestüm der Leidenschaften beherrscht, nicht den Tag erlebte, wo die hohe Feste Priam’s fiel, während der besonnene Odysseus, freilich erst nach manchen Kämpfen und Leiden, glücklich und geläutert als Sieger heimkehrte in das theure Vaterland.

M. R. 




Die Prairien.
Erlebnisse eines deutschen Flüchtlings von C. B.
(Schluß.)


„Um Gottes Willen, Harry, gib her! Zu Pferde, Harry!“

Diese Worten rissen ihn aus seiner Entzückung. Im Nu saß die Arme vor mir im Sattel und Harry zu Pferde.

Harry mußte dem Mädchen wie ein Engel, vom Himmel zu ihrer Rettung gesandt, erschienen sein. Sie streckte noch immer die Arme nach ihm aus.

„Ist noch Jemand in der Hütte?“ fragte ich Harry.

Sie hatte meine Frage verstanden und schüttelte mit dem Kopfe.

Nun hieß es, alle Aufmerksamkeit auf unsere Umgebung richten. Unsere Aufgabe war um Vieles leichter geworden. Schon stürmten die Wilden heran. Ben und Dick hatten nach beiden Seiten hin Kehrt gemacht, ihr donnerndes „Zurück!“, ihre Büchsen im Anschlage machten die Vordersten stutzen. Aber die zottigen wilden Hunde der Comanches stürmten voran. Ein Pfiff brachte unsere Hunde ihnen gegenüber, und diese hatten sich schon so bei ihnen in Respect gesetzt, daß sie in gehöriger Entfernung blieben. Später deckten uns unsere klugen Thiere den Rücken.

Die Fluth der Krieger rechts und links staute immer höher, schon erschienen einige im Hintergrunde zu Pferde.

„Fertig!“ rief Harry.

„Vorwärts! Wir folgen!“ antwortete Ben, und unsere Pferde, dicht geschlossen, sprengten gerade zwischen Ben und Dick hindurch, die uns unmittelbar folgten.

Die Wilden hatten einen Angriff thalauf- oder thalabwärts erwartet, denn es war eine Unmöglichkeit für uns, die Thalwand zu erklimmen, oder gar sie zu erreiten. Als sie uns geradeaus sprengen sahen, kam Leben in beide Haufen. In ihrer Wuth eilten sie vorwärts, stießen auf diese Weise aufeinander, und wir erhielten

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