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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

und Ella sich bald nach unserer Rückkehr vereinigten, und daß Harry und Comp. jetzt auch heißen könnte Harry und Willy; aber der Comp. ist der unsichtbare Geist, der unsern Namen trägt und unsern Willen durchsetzt, nicht gleich dem Willen eines abendländischen Eroberers, wie wir sagen – der alten Welt – sondern der neuen Welt, die auf friedliche, unmerkliche Eroberungen ausgeht.

Langsam, aber sicher, mit Pflug und Hacke, mit freiem Wort und freier Presse – oft auch feiler, aber wer kann die Menschen umschaffen? sagt Harry – schreiten wir vorwärts und gründen unmerklich Reiche.

Ich bin ein ganzer Amerikaner geworden, aber meine größte Freude ist, wenn Marie Wolf – ich habe sie gleich herüber kommen lassen; und sie führt mit deutschen Dienstboten mein Hauswesen; Dick beaufsichtigt die Irländer und Amerikaner, ist aber nicht mit ihr verheirathet, da sie meinte, sie wären zu alt – wenn Marie Wolf in unsern Kreisen von der Heimath erzählt. Ella und Dolores horchen aufmerksam zu. Wir haben uns vorgenommen, sobald die Kriegsunruhen schweigen, nach Europa zu kommen und es zu durchreisen.

Ob es uns amerikamüde oder Amerika uns lieb machen wird?




Mantua.
(Mit Abbildung.)

Vor drei Monaten blickte man noch mit Besorgniß auf das Festungsviereck, das den andringenden Franzosen gegenüber Oesterreichs Herrschaft in Italien vertheidigen sollte. Es war eine harte Fügung, daß die Oesterreicher, welche mit so viel Zuversicht über den Ticino gegangen waren, im Laufe von zwei Monaten gezwungen wurden, über jenen Fluß zurückzugehen, Mailand, Piacenza und Pizzighettone zu räumen und endlich sich hinter den Mincio zurückzuziehen. Was sollte aus Oesterreich werden? Aber die Kanonen von Mantua und Peschiera streckten noch ihre hungrigen Schlünde dem Feinde gegenüber, und Mantua war es hauptsächlich, das Napoleon für seinen Ruf als Feldherr fürchtete, Was bedeuteten alle diese Erfolge der franco-sardischen Waffen, wenn die Keckheit der Zuaven, die Tapferkeit der Garden und die Begeisterung der Italiener an den Wällen Mantua’s sich brechen sollten? Mantua ist dadurch wieder weltgeschichtlich geworden, ihm haben wir es wesentlich mit zu danken, daß wir jetzt Frieden haben.

Mantua ist die Hauptstadt des gleichnamigen Gebietes, das mit den Fürstenthümern Castiglione und Solferino vor dem Kriege eine Provinz der österreichischen Lombardei bildete. Das Gebiet umfaßte ungefähr 43 Quadratmeilen und zählte etwa 300,000 Einwohner. Die Stadt liegt auf einer Insel im Mincio und ist auf der Nord- und Ostseite durch einen Landsee geschützt, den der Fluß hier bildet. Im Westen und Süden fluthet der Mincio, und außerdem ist die Stadt hier durch eine breite Sumpfstrecke umgeben, welche wesentlich mit zu ihrem Schutze dient. Zu den Befestigungswerken Mantua’s gehört im Norden die Citadelle di Porto. Diese deckt die Vorstadt Borgo di Fortezza, die mit der innern Stadt durch einen 1380 Fuß langen starken Damm in Verbindung steht. Zum Schutz der Ostseite oder der Vorstadt Borgo di San-Giorgio, mit der eine lange mit sechs Bastionen und zwei Strandbatterien vertheidigte Steinbrücke die Verbindung vermittelt, dient das Fort San-Giorgio. Auf der Südseite befindet sich die stets befestigte Insel il Te und das Außenwerk Miglioretto. Letzteres deckt ein verschanztes Lager. Zum Schutze des gewaltigen Schleußenwerkes, das im Falle einer Belagerung die Gegend ringsum unter Wasser setzen kann, dient das Fort Pietole. Auf der Westseite endlich liegt das abgesonderte Hornwerk Pradella, welches diese an sich schon gefährliche Sumpfgegend noch unzugänglicher macht. Mit Verona ist es durch die Zweigbahn der lomberdisch-venetianischen Ferdinandsbahn verbunden. Wegen der sumpfigen Lage und der unschönen Bauart ist Mantua keineswegs ein angenehmer Aufenthalt; indessen als Festung ist es äußerst wichtig und unstreitig ist es eine der stärksten Festungen in ganz Europa. Zugleich ist es Sitz eines Bischofs, eines Landesgerichts, eines Festungscommandos, einer Handels- und Gewerbekammer etc. Unter den Gebäuden zeichnet sich besonders der Kaiserpalast aus, einer der größten Paläste in Europa, in dem sich das sogen. Appartemento di Troja mit Gemälden von Mantegna und Giulio Romano befindet.

Bemerkenswerth sind ferner der Justizpalast, das Zeughaus, das Theater, das Amphitheater und der größtentheils von Guilio Romano in Gestalt eines T erbaute Palast del Te. Unter den Kirchen verdient vor allen die Kathedrale Erwähnung, sodann die Kirche San Andrea mit schöner Souterrainkirche und mit Statuen von Canova, die Kirche San Barnaba mit bleigedeckter Kuppel und die San Egidikirche mit den irdischen Ueberresten Tasso’s. Von den Plätzen muß noch der Piazza del Virgilio und der ehernen Statue Virgils gedacht werden.

Wenn auch die Stadt als Festung erst unter der österreichischen Herrschaft ihre höchste Bedeutung erlangt hat, so reicht ihre geschichtliche Vergangenheit doch bis in die Zeit des weströmischen Reiches zurück. Nach Auflösung desselben kam sie zunächst an Odoaker, dann wurde sie von den Ostgothen erobert, diesen entrissen sie von Neuem die Griechen. Dann nahmen die Longobarden davon Besitz, und mit dem Longobardenreiche kam sie unter fränkische Herrschaft und später an die deutschen Kaiser. Von Karl dem Großen soll die Stadt befestigt worden sein. Als kaiserliches Lehn enthielten es die Este und die Markgräfin Mathilde von Toscana. Später usurpirte ein Visconti die höchste Gewalt in Mantua; indessen nach seinem Tode erwählte es wieder zwei Consuln, von denen der eine, Pinamonte Bonacorsi, sehr bald wieder die Herrschaft an sich riß. Später bemächtigte sich die Familie Gonzagza der Gewalt und erhielt sich auch darin bis 1708. Die Gonzaga’s waren erst Capitanos und Podestas, dann wurden sie Markgrafen und kaiserliche Reichsvicare und endlich Herzöge. Von den Gonzaga’s kam Mantua in die Hände des Kaisers, und Oesterreich behauptete es nun auch bis zum Jahre 1796. Da kam General Bonaparte nach Italien und unter ihm begann jene denkwürdige Belagerung Mantua’s, welche, nachdem vier Entsatzversuche von Seiten Oesterreichs gemacht worden waren, endlich mit der Uebergabe der Festung durch Wurmser am 2. Februar 1797 endigte. Die Herrschaft der Franzosen dauerte nur zwei Jahre, denn 1799 wurde der General Feissac Latour nach wiederholten Siegen der Oesterreicher und Suwarows genöthigt, es wieder zu übergeben. Aber nach den Tagen von Marengo und Hohenlinden kam es abermals in den Besitz der Franzosen, bis es 1814 ohne weiteren Kampf wieder an Oesterreich überging. Karl Albert machte 1848 einen Versuch, es durch Bestechung in seine Gewalt zu bekommen, indeß der Versuch mißlang.

Ueber das Schicksal Mantua’s in neuester Zeit war man getheilter Ansicht; indessen der Friede von Villafranca hat alle weiteren Discussionen abgeschnitten, und so schauen denn die österreichischen Kanonen immer wieder drohend auf ein Land, das jetzt im Taumel befreiter Nationalität schwelgt.




Blätter und Blüthen.

Das Office der Times. England hatte bisher zwei Staaten im Staate, zwei Wuchergewächse gesonderter Macht: – die ostindische Compagnie und die „Times.“ Die erstere herrschte über eines der größten Länder der Welt mit unbeschränkter Macht; sie hatte ihre Armee, ihre Marine, ihre Officiere, ihre Beamten, ihre Gouverneure und – ihr Regierungs-Centrum in Leadenhall-Street, City, London. Die zweite hat ihre Abgesandten in allen Winkeln der Welt, ihre Officiere marschiren mit den Armeen, ihre Abgesandten haben Zutritt in die Cabinete der Staatsmänner, sie sind überall, und das Centrum dieser Macht ist – in einem schmutzigen Winkel der City, m Printing House Square. Was war die Hansa im Vergleiche mit der ostindischen Compagnie? Was ist die Macht eines kleinen Fürstenthums im Vergleiche mit dem Welteinflusse der Times?

Die Herrschaft der ostindischen Compagnie ist nicht mehr. Sie ist weggeblasen worden von dem heißen Samumsturme, der dahingebraust hat über den unermeßlichen Schauplatz ihrer Erpressungen, Räubereien und Grausamkeiten. Die Kaufmannsgesellschaft hat ihre Macht niederlegen müssen in die Hände der Königin Victoria. Aber die Reichthümer der geplünderten indischen Fürsten liegen in der englischen Bank.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_562.jpg&oldid=- (Version vom 29.9.2023)