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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 40. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Die beiden Doppelgänger.
Von Fr. Gerstäcker.

Hoch oben in den californischen Bergen, an einem Bache, der seine Wasser etwa eine Stunde von dort in den Macalome ergoß, stand ein kleines Lager von Goldwäschern, wie gewöhnlich aus der wunderlichsten Mischung von Menschen und Zelten zusammengesetzt.

Niemand dachte natürlich an eine regelmäßige Aufstellung der verschiedenen Wohnungen, und wo eine stattliche Eiche Schatten gegen die Mittagssonne, und eine zufällige Erhöhung trockenen Boden bei eintretendem Regenwetter versprach, da wurde das Zelt von den Eigenthümern desselben aufgeschlagen, ja dieser einmal genommene Lagerplatz nicht einmal streng festgehalten, sondern oft gewechselt, je nachdem die Besitzer weiter oben oder unten am Bache Lohn für ihre Erdarbeiten zu finden hofften.

Die Amerikaner sind in solchen Lagerplätzen auch stets die unstätesten und am leichtesten bereit, ihre Wohnung wieder zu wechseln. Am hartnäckigsten hängt der Deutsche an dem alten Platz, und wo er einmal sein Heerdfeuer angezündet hat, treibt ihn nicht leicht eine augenblickliche Laune wieder fort.

Der kleine Lagerplatz hier oben in den Minen an Devil’s creek oder dem „Teufelsbach“ gelegen, bot davon auch ein treffliches Beispiel, denn im Anfang bestand der kleine Ort aus großentheils amerikanischen Zelten, und nur einige Deutsche hatten sich zwischen ihnen niedergelassen. Ob den Amerikanern der Bach aber nicht „reich“ genug gewesen, oder ob ihnen die nächsten Spiel- und Trinkzelte zu weit ablagen, sie zogen sich nach und nach fast alle wieder fort, während mehr und mehr Deutsche an ihrer Statt eintrafen und der Devil’s creek zuletzt fast nur ein deutsches Lager wurde.

Weshalb der kleine reizend gelegene Bach mit seinem krystallhellen Bergwasser Teufelsbach getauft worden, wußte Niemand. Die Indianer hatten ihn früher in ihrer bilderreichen Sprache das Krystall- und Diamantauge genannt – und nannten ihn in der That noch so. Unter den eingewanderten Fremden war aber der Name Devil’s creek gangbar geworden, und wie es mit solchen Benennungen geht, er hing einmal an dem Ort und ließ sich jetzt nicht mehr abschütteln.

In allen jenen dicht bewaldeten Bergen, in denen jetzt der Boden von Tausenden von Menschen nach dem edlen Metall durchwühlt wurde, hätte man aber wohl kaum ein romantischer gelegenes Plätzchen finden können, als dieses Lager, in dem die bunten Zelte unordentlich zerstreut theils unter dichtem Gebüsch, theils unter den riesigen Bäumen der Waldung standen. Nach dem Macalome zu fiel dabei der Hügel schroff ab und gestaltete dadurch eine herrliche Fernsicht gen Norden, von hinter einander sich aufthürmenden Gebirgsrücken, die bis jetzt vielleicht noch nie der Fuß eines Weißen betreten hatte. Aber auch ihre Zeit kam, und wie jetzt die goldgierige Bevölkerung von Osten und Westen zugleich hereindrückte, breiteten sich die Menschenmassen langsam aber sicher nach allen Seiten aus und die Zeit war nicht mehr fern, wo sie den rothen Sohn der Wälder, der dieses schöne friedliche Land seine Heimath nannte, weit in die Schneegebirge hinaufdrücken mußten – dort sein Leben kümmerlich zu fristen oder – unterzugehen. Was lag den Weißen daran, wenn sie nur Gold fanden?

Die Deutschen hatten noch das meiste Mitleiden mit den eingeborenen Stämmen, behandelten sie jedenfalls am freundlichsten, wo sie mit ihnen in Berührung kamen, ohne sich jedoch ein Gewissen daraus zu machen, daß sie ebenfalls dabei halfen, ihre Jagdgründe zu zerstören und das ihnen gehörende Gebiet zu besetzen; ja die Meisten dachten nicht einmal daran. Sie wollten ja nur nach Gold graben, und sonst hätten die Indianer mit dem übrigen Land machen können was sie wollten – so weit sie nämlich betheiligt waren. Der Deutsche ist überdies kein Groß-Politiker, und war es nie – wenigstens schon so lange nicht mehr, als sein eigenes Vaterland zerstückelt wurde, und er jetzt daheim alle Hände voll zu thun hat, nur wenigstens noch die einzelnen Stücken zusammen zu halten.

Mit einem lecken Schiff getraut sich kein Seemann hinaus auf den offenen Ocean, sondern fährt vorsichtig und schüchtern an den nächsten Küsten umher. Nur wer ein festes, sicheres Fahrzeug unter sich fühlt, eilt keck hinaus in die See, denn er weiß, daß er mit leichter Mühe allen Stürmen und Gefahren Trotz bieten und sie besiegen kann.

Doch was kümmerten sich die leichtherzigen Goldwäscher um derlei Dinge? Eine Vergangenheit gab es für sie nicht, kaum eine Gegenwart, und nur die Zukunft malten sie sich mit glühenden und bunten Farben aus, wenn sie als reiche Leute, schwer mit Gold beladen, in die Heimath zurückkehren würden – und was wollten sie daheim dann Alles mit ihren gewonnenen Schätzen anfangen? – Ob sie die ganze Woche und auch heute umsonst gehackt und gegraben, oder doch nur eben ihren Lebensunterhalt gewonnen, was that’s? der morgende Tag oder ein anderer brachte sie vielleicht an die schon lang ersehnte Stelle, an der sie ihre Säckel füllen konnten, und der Gedanke ließ sie immer wieder voll neuen Vertrauens die schwere Arbeit mit jedem jungen Morgen beginnen. Wer wußte denn, ob nicht gerade die heutige Sonne für sie die glückliche war?

Und was für ein buntes Gemisch von Kräften hatte sich hier

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_565.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)