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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

und schweigend schauten die beiden jungen Leute, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, nach dem wunderbaren Feuerball hinüber, bis er sich oben in den dicken Wipfeln barg.

„Solch ein Abend hier in den Bergen,“ brach endlich der Doctor das Schweigen, „ist doch wirklich ein Hochgenuß und gleicht Manches wieder aus, was man den Tag über zu ertragen hatte.“

„Das Minerleben hat überhaupt einen eigenen Reiz,“ sagte von Köllern leise, „und – wenn die Erinnerung an die Heimath nicht wäre, könnte man sich ihm mit voller Seele wohl hingeben.“

Und gerade die Erinnerung an die Heimath läßt es mich so leicht ertragen,“ sagte Meier. „Wer von uns hat die Hoffnung aufgegeben, sie wieder zu sehen?“

Köllern seufzte und sah still vor sich nieder.

„Und was für fröhliche Erinnerungen,“ fuhr Meier lebendiger fort, „wird uns dann, einmal erst wieder daheim, unser jetziges californisches Leben bieten! Mit was für wunderlichen Gesellen verkehren wir hier, in welche Gesellschaft werden wir geworfen, von der wir daheim kaum eine Ahnung hatten – und was für Erfahrungen sammelt man in dem Land!“

„Wie mein Compagnon Steinert,“ lächelte Köllern vor sich hin.

„Der mag freilich wunderliche Erfahrungen gesammelt haben,“ sagte der Doctor. „Ich begreife überhaupt nicht, Köllern, wie Sie sich haben mit dem Menschen so nahe einlassen können. Seinen Umgang kann man allerdings hier in den Minen nun einmal nicht vermeiden, aber zum Zeltcameraden und Mitarbeiter wäre er der Letzte, den ich mir unter allen Uebrigen wählen würde, selbst den schmutzigen Polen nicht ausgenommen.“

„Ich bin selber nicht freiwillig zu ihm gekommen,“ lächelte der junge Mann. „Herr Steinert war so gütig, mir zu erklären, daß ich in den Minen noch vollständig ungeübt, ein wahres Kind sei, und seine Hülfe nothwendig brauche. Mit einem Wort, er nistete sich bei mir ein, und ich bin ihn seitdem nicht wieder los geworden.“

„Weil er selber kein Zelt und keine Maschine hatte,“ sagte Meier, das sieht dem unverschämten Burschen ähnlich – ich hätt’ ihn zum Teufel gejagt.“

„Lieber Gott, er dauerte mich im Anfang, und da er einmal im Zelte war, mocht’ ich ihn doch auch nicht wieder hinausschicken. Uebrigens arbeitet er ziemlich fleißig, und wenn er seine alten Streiche wieder beginnen will, setzt ihm mein Zinngießer schon den Kopf zurecht.“

„Bollenheck ist ein prächtiger Kerl,“ sagte der Doctor, „immer fleißig und guter Laune, und dabei höchst anständig. Den Polen und Steinert sollten wir eigentlich in ein Gespann thun, oder einen von den Beiden unserem Einsiedler dort hinauf schicken, dann hätt’ er Unterhaltung.“

„Der arme Schütz dauert mich,“ sagte von Köllern. „Jedenfalls nagt ihm ein geheimer Gram am Herzen.“

„Sie hatten heute eine lange Unterhaltung mit ihm –“

„Ueber gleichgültige Dinge – wir sind übereingekommen, unsere mitgebrachten Bücher gegen einander auszutauschen.“

„Und sieht der Mann wie ein Verbrecher aus?“

„Wahrlich nicht. Herr Steinert ist darin kein competenter Richter.“

„Und doch glaub’ ich beinah,“ sagte der Doctor, „daß er wirklich unter derartigen Leuten manche Erfahrung gesammelt hat. Er besitzt eine sehr verdächtige Fertigkeit, von Pferdehaaren und Binsen allerliebste Dinge zu machen, und schnitzt mit seinem Federmesser Ketten und sonstige Dinge aus Holz, Dinge, die man nur an Orten lernen kann, wo man außerordentlich viel müßige Zeit hat.“

„Ich glaube Sie thun ihm Unrecht, Doctor,“ sagte Köllern. „Schon auf Schiffen wird mancherlei Derartiges getrieben. Doch wie dem auch sei, ich hab’ ihn einmal zum Compagnon und werde mit ihm, wenigstens noch für kurze Zeit, vorlieb nehmen müssen. – Aber wie ich sehe, brechen die Anderen auf. Es ist spät geworden, und wir wollen zu Bett gehen, denn morgen müssen wir wieder früh bei der Hand sein.“

Die verschiedenen Compagnieen zogen sich in der That nach ihren Zelten zurück, denn mit Tagesanbruch ging es schon wieder an die Arbeit, und um dann munter und bei guten Kräften zu sein, durfte man Abends nicht zu lange schwärmen. Bald lag auch das kleine Lager in tiefem Schlaf; die Feuer brannten langsam nieder, der Mond stieg höher und höher, und tief aus dem Thal herauf scholl das dumpfe Rauschen des Macalome, der sich schäumend durch sein enges, felsiges Bett dem San Joaquin entgegen drängte.

Kaum dämmerte aber im fernen Osten der erste Schein des jungen Tages, als die Goldwäscher aus allen Zelten, noch halb schlaftrunken, vorgekrochen kamen, die Feuer wieder anzündeten oder aufschürten, Wasser auf die Kohlen setzten und ihr frugales Frühstück, so rasch das anging, bereiteten. Dann, ihr Werkzeug auf der Schulter, die großen Blechpfannen – in denen erst kurz vorher das Mehl zu einem unschuldigen Pfannkuchen angerührt worden – unter dem Arm, schlugen sie die verschiedenen Richtungen nach ihren Arbeitsplätzen ein, und bald war das Rasseln der Maschinen und das Schlagen der Aexte, die im Wege stehendes Holz wegräumen mußten, das einzige Geräusch, das den stillen Morgen unterbrach.

Von Köllern, Bollenheck und Steinert arbeiteten im kleinen Bergstrom, kaum drei- oder vierhundert Schritt von ihrem Zelt entfernt, zusammen, und zwar, wie das gewöhnlich der Fall war, abwechselnd Einer an der Maschine, Einer in dem gegrabenen Loch und Einer die Erde aus diesem zu der Maschine tragend.

Herr Steinert saß an der letzteren, Bollenheck schlug mit der Spitzhacke den goldhaltigen Boden los, und von Köllern schleppte dieselbe dem Weinreisenden zu, bis das Gewonnene, gewöhnlich nach 24–30 Eimern voll Erde, mit dem schwarzen, eisenhaltigen Sand in die Blechpfanne gelassen und besonders ausgewaschen wurde.

Hierzu versammelten sich denn gewöhnlich alle Drei, das erhaltene Resultat zu sehen, und nachher eine neue Maschine zu beginnen.

Der Ertrag war nach den ersten dreißig Eimern ziemlich reichlich gewesen, und als von Köllern die Blechpfanne selber am Bach ausgewaschen hatte, glänzten ihm wohl zwei Unzen der vollen gelben Körner, mit einigen größeren Stücken dazwischen, entgegen. Steinert stand daneben, und hielt eine lange Rede über die Glückseligkeit des Minerlebens, und Bollenheck hatte die Pfanne auf den Schooß genommen, die einzelnen größeren Stücke aufmerksam zu betrachten.

Sie wechselten danach ab, und der Mittag versammelte Alle wieder bei den Zelten. Bollenheck war aber außerordentlich still, sprach kein Wort und ging zuerst wieder zu ihrem Arbeitsplatz hinunter. Köllern folgte ihm bald, und Steinert kann wie gewöhnlich zuletzt. Da er seinen Platz auch wieder an der Maschine hatte, nahm er diesen augenblicklich ein und schaukelte, von dem guten Erfolg heute noch mehr aufgeregt, aus Leibeskräften, ja sang sogar dazu einige von Gellerts Fabeln nach eigener und fremder Melodie lustig ab.

Wo man singt, da laß dich ruhig nieder,
Böse Menschen haben keine Lieder.

Dem Sprüchwort nach schien Herr Steinert ein sehr guter Mensch zu sein, denn er sang wie eine Lerche.

Die Maschine war ausgewaschen; Bollenheck hatte es diesmal übernommen, und während seine beiden Cameraden, die Hände auf die Kniee gestützt, neben ihm standen und ihm aufmerksam zuschauten, wusch er den schwarzen Sand so viel als möglich aus und untersuchte dann die einzelnen Körner Gold.

„Lassen Sie’s gut sein, Bollenheck,“ sagte Köllern, „diese Maschine hat nicht so viel ausgegeben, wie die vorige. Die nächste wird vielleicht wieder besser. Wollen Sie jetzt losschlagen oder Erde tragen, Steinert?“

„Ich glaube, Herr Steinert wird keins von beiden mehr thun, wenigstens nicht in diesem Claim,“ sagte Bollenheck, dessen Gesicht jeder Blutstropfen verlassen hatte. „Steinert, wollen Sie so gut sein, und einmal Ihre Stiefeln ausziehen.“

„Was habt Ihr Beide denn?“ sagte Köllern erstaunt. „Zum Henker auch, Einer sieht noch bleicher aus wie der Andere!“

„Ich – ich begreife nicht.“ stammelte Herr Steinert, „begreife gar nicht, was Bollenheck will. Herr, ich brauche nicht.“

„Was Sie brauchen oder nicht, wird sich gleich zeigen,“ sagte aber Bollenheck, dessen Gesicht mit keiner Muskel zuckte. „Ich behaupte hier, daß Sie gestohlen haben. Ziehen Sie Ihre Stiefeln aus.“

„Gestohlen?“ rief Steinert, und alles Blut schoß in einem Strom in sein Gesicht zurück. „Herr, die Anschuldigung werde ich Ihnen mit meiner Faust zwischen die Zähne zurückwerfen!“

„Machen Sie keinen unnöthigen Lärm,“ erwiderte aber Bollenheck vollkommen ruhig, – „die Nachbarn brauchen nichts davon zu wissen – ausgenommen, Sie haben selber ein Interesse dabei, Sie durch Ihr Schreien heranzulocken, und in dem Fall würde ich nicht die geringsten Einwendungen machen. Jetzt aber ziehen Sie einmal Ihre Stiefeln aus.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_567.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)