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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

auf einer Täuschung beruhen? Block, Jones, der Koch, der Capitän selbst, Alle hatten ihn gesehen – nur ich nicht. Man mußte sich überzeugen. Das Schiff wurde gründlich durchsucht – durch und durch, von der Mastspitze bis in den Kielraum; aber von Watson keine Spur. Ich hatte gehofft, dadurch das Gespenst zu entdecken und die Mannschaft zu beruhigen – aber es erfolgte das Gegentheil. Sie waren nun fest überzeugt, Jack’s Geist sei an das Schiff gebannt, und Einige behaupteten sogar, das einzige Mittel, ein solches Schiff vor dem sicheren Untergange zu retten, sei – den Mörder über Bord zu werfen. Block wagte sich nicht mehr ohne Waffen auf Deck. Wir, nämlich ich und der erste Lieutenant – der Capitän, der selbst von der Gespensterfurcht besessen war, war nicht zu zählen – trafen alle Maßregeln, die Wachen wurden verdoppelt, wir selbst paßten scharf auf – aber vergebens. Einem nach dem Anderen erschien der Geist; die Leute von der Wache sahen ihn, wenn sie auf ihrem Posten standen, an derselben Stelle über die Brüstung an Bord kommen, wo er seiner Zeit hinuntergestürzt war, und wenn sie ihn anriefen, war er verschwunden. Sonderbarer Weise zeigte er sich nie, wenn ich oder Mr. Smith oben war. –

Es war gegen 9 Uhr Abends und ich saß lesend in meiner Kajüte, als ich’s an der Thüre pochen hörte. Es war ein Matrose von der Wache, dem ich eine Flasche Rum geschenkt und dann eingeschärft hatte, mich schleunigst zu rufen, wenn er Watson’s ansichtig werde. Ich fragte ihn nicht erst aus, sondern rannte unverzüglich die Kajütentreppe hinauf. Ich setzte den Fuß auf’s Verdeck und mein erster Blick fiel auf – Watson, der unbeweglich, mit verschränkten Armen an einer alten verrosteten Caronade lehnte und mich starr ansah.

Ich blieb unwillkürlich stehen. Ganz hinten, an der Backbord-Leiter des Quarterdecks, standen die Matrosen von der Wache, dicht zusammengedrängt, wie eine Heerde Schafe, und sahen zitternd nach dem Gespenst hin; dicht hinter diesem stand todtenbleich der Hochbootsmannsmate, Block’s Gehülfe, sonst ein tüchtiger Bursche, und wagte nicht, sich zu rühren.

Watson war völlig naß; Haar und Kleider trieften. Ehe ich mich völlig gesammelt hatte, trat er einen Schritt vor, langte wie grüßend nach dem unbedeckten Haupte, dann ging er lautlos und still zu der Brüstung, und ohne merkliche Anstrengung, ohne das geringste Geräusch schwang er sich hinüber – ich sprang hinzu und sah ihn in den Wellen verschwinden. Mich überlief ein Schauer. Was ich gesehen hatte, war unbegreiflich.

(Schluß folgt.)




Im Spreewalde,[1]
Branitz[WS 1] und Muskau.
Ein illustrirter Ausflug von Ludwig Loeffler.




Postreise! Welche Poesie im Klange dieses Wortes gegen die starre Prosa „Eisenbahn“! Welche Vorspiegelung gemüthlicher Scenen im gut gepolsterten Wagen und traulichen Poststationen! Welche Begeisterung für die gute alte Zeit, in der man dieses Genusses bei jeder Veränderung der Localität theilhaftig werden konnte!

Dies Gefühl der Wonne dauert indessen nur so lange, als man in der Zukunft oder Vergangenheit lebt. Die Gegenwart ist schrecklich, und sie wurde es, als wir (ich bin weder regierender Fürst noch Kritiker, also bedeutet dies „wir“ wenigstens zwei Personen) an einem warmen Augustabend in dem dumpf dröhnenden Kasten aus dem Post-Thorwege der Spandauer Straße hinausfuhren. Die Straßen waren fast fremd, die Menschen andere, als wir die Bilder, Stück für Stück, durch die kleinen Fensteröffnungen der Kutsche vorübergleiten sahen. Ein schleierartiger heißer Dunst lag zwischen den Gegenständen und drang in unser Gefängniß, das außer uns noch eine kränkliche Frau mit einem Bündel Kinderzeug, in das ein junger Weltbürger zweifelhaften Geschlechts gewickelt war, und ein diesem zarten Alter schon seit geraumer Zeit entwachsenes Mädchen enthielt. Ein wenig frischere Luft umwehete uns, als wir auf die trostlose Chaussee kamen, die sich durch die Einöden von Tempelhof und Mariendorf hindurchquält, dagegen stellte sich ein neues Leiden in der nächsten Ortschaft ein. Es war, da wir in eine Beichaise gekommen waren, das Wagenwechseln, bei dem wir bis Lübben allen möglichen Turnübungen unterworfen waren und hinsichtlich unserer werthen Persönlichkeiten fast zu schlecht wegkamen, als in Baruth der Postmeister dem Postillon zurief: „Laden Sie aus, ich habe den Sechssitzigen bestellt.“ Das „Ausladen“ betraf uns.

Traurige kleine Städtchen, noch trauriger in dem herumkletternden Laternenschein der schlaftrunkenen Postknechte, waren die Stationsörter bis zu dem freundlicheren Lübben, wo uns außer einem Blick in den Hain der Luba nichts vergönnt war, als eine Tasse Postkaffee, ein Aufguß, der weder mit Mokka, noch mit Martinique, noch mit St. Domingo in irgend einem Grade der Verwandtschaft steht.

Ein Berliner Schulrath, ein ditto Professor und zwei anerkannte ditto Dichter waren die Vorfahren und wir die Nachkommen, da das Loos zum Beiwagen uns treu geblieben war, und in ihrer, wenn auch nicht unmittelbaren, Gesellschaft durchrollten wir die nachtfeuchte Straße nach Lübbenau, die sich durch weinumrankte Chaumièren, hochstehende Bohnen, Gurken und kleine Waldungen hindurchschlängelt, und an jenem frischen Morgen in den ersten schiefen Strahlen der Sonne glitzerte.

Die kleine Stadt war sonntäglich gewaschen und geputzt, und eine feierliche Stille ruhete auf derselben. In der zopfigen, ziemlich geräumigen Kirche mit einem barocken Denkmal derer von Lynar war wendische Predigt, aber fast nur Weiber, alle im ungewohnten steifen Festtagsanzuge, hörten derselben zu. Am Schluß des Vortrags trat eine Anzahl junger Mädchen in die Nähe des Altars, und wurde dort von dem Geistlichen katechisirt.

  1. Unseren außerdeutschen Lesern glauben wir die Mittheilung schuldig zu sein, daß der Spreewald in der preußischen Niederlausitz liegt (Regierungsbezirk Frankfurt a/O.) und in einem sieben Meilen langen Bruch besteht, der, von der Spree vielarmig durchschnitten, bei hohem Wasserstande fast ganz überschwemmt wird und trotzdem sieben Dörfer und viele einzelne Colonien enthält. Der größte Theil dieses interessanten Bezirks ist im Sommer nur auf Kähnen, im Winter nur auf dem Eise zugänglich.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Brandtz
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_591.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2023)