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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

indem sie (natürlich sehr weise und sehr praktisch) nichts als die gerade, zwei Punkte verbindende Linie sind, und bald darauf wieder in einen der Spreearme einmünden. Hier wurde eine andere Art der Weiterbeförderung nöthig, indem des trockenen Sommers wegen theils unser Bootsmann aussteigen und den Kahn über den angeschwemmten Sand ziehen mußte, theils wir uns gezwungen sahen, das morastige, mit hohem Gras und alten Baumstubben bedeckte Ufer entlang zu waten. Aber es war dies nicht das am wenigsten Interessante unserer Fahrt, die bald darauf in dem pittoresken Dorfe Leipe eine abermalige Station erreichte. Herrliche Leute empfingen uns an der Thür des sogenannten Gasthauses mit freundlichem Händedruck, und bald war uns das einfache, aber vortreffliche Mahl auf einem reinen Tuche im Freien servirt und wir umgeben von einem unumstößlichen Beweise vollständigster Eintracht, einem Jagdhunde und einem jungen Reh, während aus einem jenseit des Grabens gelegenen Gehöfte einige neugierige Häubchen durch das Stacket lugten.

Am Schluß unseres frugalen Abendessens wurden wir von unseren Berliner Freunden überrascht, und zusammen traten die beiden Kähne die Weiter- und Rückfahrt an.

Polenz als Vorspann.

Die Abendstunde war herangebrochen, als wir zwischen dem Wurzelwerk, den Stangen und Bretern und den malerischen Strohdächern dahin fuhren. Fast vor jedem Häuschen saßen Weiber und hatten irgend eine Manipulation für die kleine Wirthschaft vor, während die Männer ihre Pfeifen rauchten und die wirklich hübschen Kinder im Wasser herumplanschten oder auf dem Rücken liegend in’s Weltall stierten. Aber das war auch des Sehens werth, denn als wir hinaus kamen auf die Leip’sche Spree, da hatten wir den großen, in Licht getauchten Abendhimmel vor uns, am Horizonte verbrämt mit einem violettgrau gefärbten Strich Gewitterwolken, auf dem sich die unzähligen Heuschober absetzten wie die Hütten eines Kaffernkraals. Es wird später. Immer mehr verschwimmt Eins in das Andere. Schilf und Stackete bilden riesige Sätze in persischer Keilschrift, die einzeln stehenden Weiden nehmen gespenstische Formen an, und das Licht des an dem dunkleren Theil des Himmelsgewölbes leuchtenden Halbmondes gewinnt an Intensität. Hin und wieder huscht ein stiller Kahn vorüber und das leise Geräusch des Wassers unterbricht auf Augenblicke die unendliche über das Ganze gelagerte Ruhe. Unsere Gefährten schlagen einen andern Weg ein. Es ist noch später, und Bohnenstangen und Röhricht vermischen sich mit dem Kirchthurm von Lübbenau, und Stadt und Dorf und Bäume und Breter bilden eine dunkle Masse, zwischen welcher und uns nur ein kleiner glänzender Streifen des sich im Wasser spiegelnden Nachthimmels den Lauf unseres Fahrzeuges anzeigt. Lautlose Gehöfte schweben an uns vorüber. Nur ein alter, gelangweilter Frosch stößt ein einzelnes „Quak“ aus, was aber unerwidert bleibt. Man hört das Picken der Uhren in den Taschen. Plötzlich schlägt Hundegebell an unser Ohr, und dumpfes Gemurmel verräth uns die Nähe von Menschen. Wir sind unter den Bogen der düstern Allee des Schloßgartens – wir sind zurück in Lübbenau!

In Lehde.

Wie es Einem oft nach ungewohnter Beschäftigung zu gehen pflegt, so ging es auch mir, denn als ich am Morgen nach jener Fahrt aufwachte, hatte ich die ganze Nacht auf dem Wasser zugebracht und war in einem halben Canot unter fremde Völker gekommen und hatte mich dort in allen möglichen Unsinn, den nur ein Traum mit sich bringen kann, verwickelt. Ich konnte nicht lange davon ausruhen, denn der Kahn erwartete uns schon wieder, und Polenz hatte bereits seine Paar Kruken jenes Lübbenauer Giftes, welches er mit dem wohltönenden Namen „Bier“ bezeichnete, an Bord gebracht. Welch’ herrlicher Morgen! Wieder fuhren wir an den alten Eichen vorüber, die als Flöße am Eingange zum Spreewalde lagen, während sich unter ihnen die Aeste der darüber hängenden Bäume im Wasserspiegel wie urweltliche Seeschlangen in die Tiefe krümmten und wanden, und wieder gelangten wir nach Lehde. Heute, aber schlugen wir von dort aus einen anderen Weg ein, eine andere Grobla (Spreearm) trug uns weiter. Es war ein heißer Tag; die Insecten durchsummten die zitternde Luft, die blauen und grünen Libellen schossen von Halm zu Halm und die Tausende von funkelnden Thautröpfchen, mit denen jedes Gräschen geziert war, konnten der heraufsteigenden Sonne nicht lange widerstehen. Wir schmorten auf unserem Sitze, welcher Zustand fast unerträglich wurde, als wir in einem der künstlichen Canäle das sengende Gestirn gerade vor uns hatten und nur die Kronen junger Bäume einen kärglichen Schatten gaben.

(Fortsetzung folgt.)



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_593.jpg&oldid=- (Version vom 14.10.2023)