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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

machen?“ drängte Köllern – „vielleicht mit mir? Lassen Sie uns zusammen arbeiten und hausen, ich bin jetzt ebenfalls allein, und sein Sie überzeugt, daß ich das Sie störende Gebild nicht fürchten werde.“

„Ich will sehen – ich will es mir überlegen,“ sagte Schütz abwehrend, „bitte, lassen Sie mir Zeit, das zu überdenken. – Ich weiß, Sie meinen es gut mit mir – ich fühle Ihre Theilnahme, und sie thut mir wohl, aber – ich kann mich heute noch nicht dazu entschließen. Morgen – lassen Sie uns Morgen wieder darüber sprechen.“

Köllern fühlte, daß Schütz allein zu sein wünschte, und daß er den Kranken nicht drängen dürfe.

„Gut,“ sagte er freundlich, indem er von seinem Sitz aufstand, „ich lasse Sie jetzt allein, lieber Schütz; gehen Sie mit sich zu Rath, und ich hoffe, Sie werden es nicht bereuen, meinem Wunsch zu willfahren – also auf Wiedersehen!“

Schütz stand ebenfalls auf und reichte ihm die Hand, die Jener herzlich drückte, und Köllern stieg dann langsam wieder zu dem gemeinschaftlichen Lagerplatz nieder, wo er die muntere Schaar schon um das helllodernde Feuer versammelt fand.

„Nun,“ riefen ihm ein Paar lachend entgegen, „hat Ihnen der Einsiedler wirklich Audienz gegeben?“

„Er ist krank,“ entschuldigte ihn von Köllern, „weniger an Körper, wie an Geist – schwermüthig vielleicht nur, aber sonst ein braver, tüchtiger Mann, und wir wollen sehen, ob wir ihm hier bei uns nicht die bösen Grillen vertreiben können. Ich werde mit ihm arbeiten, und wahrscheinlich zieht er auch zu uns herunter.“

„Ein Wunder! Ein Wunder!“ rief Meier. „Köllern, Sie haben das Außerordentliche geleistet, wenn Sie ihn dahin vermocht. Fehlt ihm aber wirklich körperlich etwas, so will ich lieber einmal hinauf zu ihm gehn und ihn untersuchen.“

„Lassen Sie ihn heute Abend ungestört,“ mahnte Köllern ab. „Morgen sprechen wir weiter darüber – überhaupt möchte ich Ihre Meinung über Etwas hören.“'

„Und das wäre?“

„Morgen – heute nicht,“ sagte Köllern, der über den geistigen Zustand des Kranken nicht gern hier vor allen Uebrigen verhandeln mochte, denn er wußte recht gut, daß sich ein Theil des leichtherzigen und leichtsinnigen Volkes nur darüber lustig gemacht hätte. Die Uebrigen vergaßen auch bald den Fremden, der sie überhaupt wenig genug interessirte, denn wer kümmerte sich in Californien um den Nachbar, wo Jeder mit sich und seinen eigenen Hoffnungen und Plänen gerade genug zu thun hatte?

Das Gespräch sprang denn auch rasch auf etwas Anderes ab, und als das Abendbrod verzehrt und frisches Holz aufgeworfen war, ein paar Stunden nachzuhalten, ging es wieder an ein Erzählen, Lachen und Necken, und was der und Jener erlebt hatte oder erlebt haben wollte.

Besonders wurde an diesem Abend Restiz geneckt, denn das Gerücht war entstanden, er hätte in voriger Nacht einen Geist gesehen und laut aufgeschrieen. Restiz leugnete allerdings auf das Entschiedenste und wollte sich auf keine Erklärung einlassen. Die Unterhaltung war aber einmal in diese Bahn eingelenkt; eine Menge der verschiedensten übernatürlichen Geschichten wurden nach einander erzählt und die Möglichkeit derselben dann besprochen und kritisirt.

„Hat schon Jemand einmal von einem Doppelgänger gehört, oder wohl gar einen solchen gesehen?“ fragte plötzlich von Köllern, der den Uebrigen bis jetzt theilnahmlos zugehört hatte.

„Nein,“ rief Meier schnell – „kennen Sie ein derartiges Beispiel?“

„Ich nicht,“ sagte von Köllern, „aber da fast alle Arten von übernatürlichen Erscheinungen heute Abend durchgenommen sind, dachte ich, daß das auch dazu gehöre.“

„Doppelgänger?“ fragte Pauig, „was ist das?“

„Nun, siehst Du, Pauig,“ erklärte ihm der eine Maurer, „ein Doppelgänger ist ein Mensch, der zweimal da ist, der sich manchmal selber auf der Straße aus Versehen begegnet und, wenn er sich Abends auszieht, schon findet, daß er selber im Bett liegt.“

„Das ist schauerlich,“ rief Pauig erschreckt – „und thut er Einem was?“

„Na, ob er gerade was thut, weiß ich nicht,“ sagte der Maurer, „aber angenehm ist’s auf keinen Fall.“

„Und wißt Ihr denn, daß mich selber eigentlich ein Doppelgänger nach Californien gebracht hat?“ lachte da der Doctor Meier.

„Sie auch?“ rief Köllnern überrascht aus.

Auch?“ sagte Meier, „wen denn noch?“

„So meinte ich es nicht,“ erwiderte Köllern etwas verlegen, sich so verrathen zu haben. „Ich war nur erstaunt, daß Sie auch an solche Dinge glauben.“

„Der Glaube wird Einem gelehrt,“ lachte Meier, „wenn man eine unquittirte Rechnung nach der andern in’s Haus geschickt bekommt.“

„Hatte Ihr Doppelgeist etwas mit den Rechnungswesen zu thun?“ fragte Köllern lächelnd.

„Außerordentlich wenig,“ erwiderte Meier; „er ließ mich das gewöhnlich besorgen.“

„Aber ich verstehe Sie nicht.“

(Schluß folgt.)


Blätter und Blüthen.

Ein neues Luftschiff. Nächstens wird ein Amerikaner per Luft eine Reise nach England machen. Derselbe heißt T. S. E. Lowe, ist aus New-Hampshire und hat schon 36 Luftfahrten gemacht. Seit seiner letzten Fahrt, die von Portland aus am 4. Juli dieses Jahres stattfand, beschäftigt er sich eifrigst mit der Construction eines Luftschiffes, welches alles Dagewesene an Größe überbieten soll. Die Dimensionen desselben sind so bedeutend, daß das Oelen des Gashälters eine Strecke von beträchtlicher Ausdehnung in der Nähe von New-York in Anspruch nimmt. Diese Dimensionen sind kürzlich folgende: Größter Durchmesser 130 Fuß; Gewicht mit Ausrüstung 31/2 Tonnen; Tragkraft 221/2 Tonnen; Inhalt des Gashälters 725,000 Kubikfüß. Man hat dem Ballon den Namen „City of New-York“ gegeben und er ist fast fünfmal größer als der größte Ballon, der jemals gebaut wurde. Seiner Form nach gleicht er den gewöhnlichen perpendiculären Gashältern mit Korb und Rettungsboot. Indessen läßt die Anwendung werthvoller Verbesserungen glauben, daß er im Allgemeinen viel besser gebaut sein wird als die früheren. Bei ihm kommt mechanische Kraft mit zur Anwendung; ein Kalkofen soll die Leute, die sich auf dem Schiffe befinden, vor der Kälte schützen; außerdem hat man ein neues Fächersystem ausgedacht und will es bei dem Ballon anwenden; und der Stoff aus dem der Gashälter besteht, ist mit einem Firniß umgeben, dessen Erfindung Mr. Lowe für sich in Anspruch nimmt. Für den Gashälter hat man 600 englische Ellen Zeug verbraucht, und 17 Nähmaschinen benutzte man, um die Stücke zusammenzunähen. Der obere Theil des Gashälters, wo die Gasklappe angebracht werden soll, ist dreimal so stark als das Uebrige, außerdem noch durch schwere braune Leinwand fester gemacht und dreifach genäht. Das Netzwerk, welches den Gashälter umgibt, besteht aus starken Seilen, welche zu diesem Zwecke besonders von Flachs gemacht worden sind. Seine Stärke entspricht einer Widerstandskraft von 160 Tonnen und jedes Tau ist im Stande ein Gewicht von 400–500 Pfund zu tragen. Der Korb, welcher unter dem Ballon angebracht werden soll, hat einen Umfang von 21 Fuß und eine Tiefe von 4 Fuß. Er ist rundum mit Segeltuch umgeben. Darin werden sich die Aeronauten befinden. Der schon erwähnte Kalkofen, der darin sein soll, ist 11/2 Fuß hoch und hat 2 Fuß im Gevierte. Mr. Lowe ist von den Nutzbarkeit desselben so überzeugt, daß er es für möglich hält in Regionen hinaufzusteigen wo das Wasser gefriert, und dennoch meint er nichts von der Kälte für sich selbst und die Passagiere befürchten zu dürfen.

Unter dem Korbe befindet sich ein metallenes Rettungsboot mit einer Ericson’schen Maschine. Ihr hauptsächlichster Zweck besteht in der Controle wodurch die Leitung des Ganzen ermöglicht werden soll. Der Propeller befindet sich im Bug des Rettungsbootes in einem Winkel von 45 Graden. Von einem Rade am Ende laufen 20 Fächer aus, von denen jeder 5 Fuß lang ist und die bis zum Ende allmählich an Weite zunehmen, wo dieselbe 11/2 Fuß beträgt. Mr. Lowe glaubt durch Anwendung dieser Mechanik sein Schiff beliebig steigen und sinken lassen zu können; er meint, mit Hülfe derselben im Stande zu sein, zu steuern und die Rotationsbewegung der Maschine zu verhindern. Die Steige- und Fallkraft der Maschinerie soll ein Gewicht von 300 Pfund erreichen, und die Fächer sind so angebracht, daß sie eine rasche Bewegung auf- und niederwärts gestatten.

Mr. Lowe beabsichtigt, anfänglich bis zu einer Höhe von 3 oder 4 englischen Meilen empor zu steigen; indessen will er nicht immer in dieser Höhe bleiben, sondern er denkt sich in einer Entfernung von der Erde zu halten, die ihm gestattet, zu sehen, was man mit ihr thut und treibt. Er will nach Nordosten steuern und will in England oder auch Frankreich landen. Die Entfernung von New-York bis London glaubt er in 48 Stunden durchmessen zu können. Ist es ihm möglich, das auszuführen, was er verspricht, so wird er mehr geleistet haben, als irgend ein Luftschiffer vor ihm. Mißlingt der Versuch, so handelt es sich um den Verlust von 20,000 Dollars. Die Zeit, wo die Fahrt geschehen soll, ist noch nicht bestimmt. Das Schiff wird indessen in 3 bis 4 Wochen fertig, und Mr. Lowe wird wohl dann nicht mit seinem kühnen Plane auf sich warten lassen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_596.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)