Seite:Die Gartenlaube (1859) 608.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Ich war überlistet und mußte gute Miene zum bösen Spiel machen. Wie er sich von den Fußeisen befreit hatte, ist mir noch heute nicht klar. Waren seine Füße ungewöhnlich klein, oder die Ringe zu groß – jedenfalls war es schon geschehen, als ich in die Kammer trat, und er hatte seine Beine nur pro forma wieder hineingesteckt, um mich zu täuschen, was ihm nur zu wohl gelungen war. Ich verschloß die Luke so wie auch die Fußschellen – nicht ohne über meine eigene Einfalt zu erröthen. Dann ging ich auf’s Verdeck zurück und berichtete Mr. Bentham vor den Ohren der ganzen Mannschaft sehr ernsthaft und der Wahrheit gemäß, Watson sei vor meinen Augen aus seinen Fesseln geschlüpft und durch die Luke in’s Wasser gesprungen, ohne daß ich ihn habe zurückhalten können.

Der Capitain gab sich gern und willig zufrieden. Es fiel ihm nicht ein, nachzuforschen, ob die Luke offen oder verschlossen gewesen war. Mr. Smith hingegen sah sehr ungläubig aus und blieb es, bis ich ihn einmal später in einem Londoner Kaffeehause traf und ihm die ganze Sache aufklärte.

Als wir in derselben Nacht vor Portsmouth Anker warfen, deutete Mr. Bentham, der neben mir am Backbord stand, nach einem dunklen Gegenstand, der vom Stern der Patience aus rasch dem Lande zutrieb, durch Nacht und Nebel kaum bemerkbar, und sagte:

„Da treibt was ab, Sir – aber es lohnt sich nicht, nachzuseh’n. Vermuthlich ’n Stück Spiere, ’ne leere Tonne oder so was.“

Ich wußte es besser.




Im Spreewalde,
Branitz und Muskau.
Ein illustrirter Ausflug von Ludwig Loeffler.
(Fortsetzung.)

Heut war es lebendiger im Walde; man mähte Gras, schlug Holz, und oft glitten beladene Kähne an uns vorüber und das „guten Morgen“ am Werkeltage klang mir frischer, als an dem Tage vorher. Nach manchen Kreuz- und Querfahrten kamen wir auf die Mutnitza, den Hauptstrom, der trotz seiner Breite dem Schiffer die meisten Schwierigkeiten macht. Er ist an vielen Stellen sandig und seicht, und oft mußten wir an das hier beinahe unwegsame Ufer, um eine Strecke zu Fuß zurückzulegen. Aber es war doch so schön in dem dickbelaubten, kühlen Urwalde, unter den mächtigen Eichen, Buchen und Erlen, unter denen schon, Gott weiß wer, vielleicht der Wendenfürst Jasko, sein Wesen getrieben haben mag, und die Vögel piepten so lustig über und um uns und Legionen von Sumpfthieren umraschelten uns, aufgeschreckt von dem ungewohnten Feinde. Gegen 10 Uhr gelangten wir endlich an einen Ruheplatz, zu den „drei Eichen“, bei welchen die „Eichschenke“ durch seine corpulente Wirthin ein großes Verdienst für verschmachtende Reisende entwickelt. Ich weiß von meinen medicinischen Freunden nicht, ob und in welcher Quantität genossen saure Milch schädlich auf die menschliche Natur einwirkt, so viel aber glaube ich jetzt nach dem Bottich voll in der Eichschenke zu wissen, daß das Resultat auch der allergrößten Portion mich nur am Fortbewegen meiner Person hindern, sonst aber durchaus keinen Nachtheil erzeugen würde. Etwas schwerfällig saß ich auf unserer Bank im Kahn allerdings, als wir weiter fuhren den Strom hinauf, und die Transpiration, als wir wieder in der vollen mittäglichen Sonne schwelgten, war auch wohl einer besonders großen Anhäufung von Flüssigkeit zuzuschreiben. Bekanntschaften hatten wir auch gemacht und uns Freunde erworben, denn die Hunde der Eichschenke begleiteten uns noch ein gut Stück durch das Wasser.

Von der Grasmaht.

Die Waldung hört auf – größere bebaute Felder schließen die Spree ein, und uralte, mächtige Baumstämme unter denselben deuten noch auf die einstige, vor Jahrhunderten bestandene Verbindung mit ersterer. Unweit der Straubitzer Buschmühle endete unsere Fahrt. Ein Bauerngehöft war der Ort, wo wir unsern treuen Polenz entließen und gastliche Aufnahme für einige Stunde fanden. Wie überall im Spreewalde ein sehr wohlgebildeter Menschenschlag zu finden, dem eine außerordentliche Reinlichkeit als Folie dient, so fanden wir auch heut ein paar sehr hübsche Mädchen in einer höchst bescheidenen, aber sauber gehaltenen Wohnung. Mir kommen diese einzelnen Besitzer wie die amerikanischen Colonisten vor, wo jedes Mitglied angewiesen ist, für das Ganze seine Kräfte aufzubieten, denn ein Theil der Kinder kehrte soeben vom Grasmähen zurück und trug dasselbe ein; eine der Töchter war in den Ställen beschäftigt, eine andere fanden wir in der Küche, die hier das Entrée des Hauptgebäudes bildet, während der Vater Einkäufe in der Stadt Cotbus besorgte und sich erst später einfand. Der bringt denn von solchen Ausflügen so manches Neue mit nach Hause, da sonst ziemlich selten ein Geräusch der Welt zu diesen Amphibien dringt. Als wir den 15–16jährigen Sohn dieser Familie fragten, ob er denn in seinen Mußestunden Bücher lese, antworte er ebenso gut „nein“ wie auf die Fortsetzung der Frage „auch keine Zeitung?“

Es saß sich aber vortrefflich vor dem niedrigen Hause mit der runden Steinstufe vor dem niedrigen Eingänge, und Weinranken, Georginen und Malven waren ein so schöner Schmuck des kleinen sonnigen Gärtchens daneben, wie ihn nur eine Prachtvilla haben kann. Hammel, Katze, Hund und Cochinchinahahn beneideten sich nicht den dürftigen Rasenfleck, sondern genossen ihn zusammen und machten sich die südliche Mittagshitze zu Nutze.

Pferde hatten wir seit unserem Postbedarf nicht mehr gesehen, daher erschien uns die Frage unseres Wirthes fast wunderbar, ob wir nicht nach Cotbus, wohin uns die Wanderlust trieb, fahren wollten. Wir zogen es aber vor, obigen 16jährigen Sohn als Begleiter anzunehmen, und machten uns mit ihm gegen drei Uhr auf den Weg, den wir auch trotz gemietheten Wagens in drei Viertelstunden zu Fuß hätten zurücklegen müssen. Das Terrain vor Burg, zu dem unser soeben erreichter Rastort schon gehörte, umfaßt fünf Meilen, und nach dem Kern desselben, gleichsam der Hauptstadt (dem Einäugigen unter den Blinden), richteten wir unsere Schritte.

Der Fußpfad führte durch grüne Wiesen und Stoppelfelder, in welchen letzteren die fleißigen Leutchen hackten und die Stoppeln einzeln mit den Händen herauszogen. Unser junger Führer berichtete uns über die, wenigstens für uns, neue Erscheinung, daß mit dem Korn zugleich der Rübensamen gesäet würde, daß die Rübe im Wachsthum zurückbleibe und ihr nun, nach beendigter Ernte des ersteren, durch das Entstoppeln Platz gemacht würde; die großen Haufen solchen kurzen, ausgerodeten Strohes werden als Streu in den Ställen verwendet. Ueberall erblickt das Auge die patriarchalischen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_608.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)