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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

es, welche die Luftschicht, die über dem bestrahlten und sich erwärmenden Boden lagert, sich ausdehnen und, weil sie leichter geworden ist, nach oben zu abströmen läßt! Deshalb herrscht in den heißen Gegenden stets eine aufwärts steigende Bewegung der erwärmten Luftschicht. In den leerwerdenden Raum dringt aus nördlichen Regionen die kalte Luft nach, es erfolgt ein Windstrom von den Polen nach dem Aequator, der sich auf dem Meere in den regelmäßig wehenden Passatwinden erkennen läßt, der auf dem Lande aber durch mancherlei Ursachen von seinem normalen Laufe abgelenkt wird. Der Wind entsteht also durch dieselben Ursachen, welche das Wasser an der Oberfläche des Meeres verdunsten lassen, die Dünste weit über die Länder führen und von den Häuptern der in die Wellen ragenden Berge als Nebel und Regen wieder absetzen. Von hier entspringen die Quellen der Flüsse. Das Wasser hat den Weg bis zum Meere wieder zu durchfallen, und die Arbeit, die es auf diesem Wege verrichten kann, ist nichts als umgesetzte Wärme. In den Dampfmaschinen haben wir ein drittes Beispiel, das sich selbst erklärt.

Allein ebenso wie in diesen drei Fällen Wärme in mechanische Kraft umgewandelt wurde, so können wir in der mechanischen Kraft uns wieder eine Wärmequelle schaffen.

Jeder Druck, jeder Stoß, jede Reibung erzeugt Wärme. Wir müssen die Achsen der Wagenräder schmieren, damit sich nicht die mechanische Kraft der Pferde in Wärme verwandle und das Holz entzünde; manche Mühle wurde ein Raub der Flammen lediglich in Folge der Wärme, welche durch erhöhte Geschwindigkeit und vermehrte Reibung erzeugt wurde; durch geschickt nach einander angebrachte Hammerschläge läßt sich ein Stück Eisen glühend machen, und Vielen ist wohl das Feuerzeug noch in Erinnerung, dessen sich die Fuhrleute früher bedienten. Es bestand aus weiter nichts, als aus einer metallnen Röhre, in der durch einen Druck Luft comprimirt wurde; die dadurch erzeugte Wärme reichte hin, den auf dem Boden der Röhre befindlichen Schwamm zu entzünden.

Elektrische und magnetische Kräfte lassen sich ebenso in Wärme oder gleichbedeutend in mechanische Kraft überführen, umgekehrt aber kann man wieder durch Bewegung Ströme von Elektrizität erzeugen. Es kam nun ein Amerikaner auf die Idee, durch diese Ströme Wasser in seine beiden Bestandtheile, Wasserstoff und Sauerstoff, zu zerlegen, den Wasserstoff im Sauerstoff zu verbrennen und durch die dabei entstehende große Hitze nicht nur das bekannte Drummondsche Licht zu erzeugen, sondern auch eine kleine Dampfmaschine damit in Bewegung zu setzen, welche ihm die Umdrehung des Magnetes, durch welche die elektrischen Ströme erzeugt werden, besorgen sollte. Dies wäre nun ein Perpetuum mobile gewesen. Aber leider war das mobile nicht perpetuum, und wir wollen ähnliche Beispiele nicht erst aufzählen, da es uns ja nur daran lag, durch dieses eine den Zusammenhang aller physikalischen, mechanischen und chemischen Kräfte unter einander und ihre Verwandlung in Wärme, den Maßstab, nach welchem man jede mechanische Arbeitsleistung bemessen kann, zu zeigen. Läßt sich denn aber nun nicht durch irgend eine Verknüpfung dieser Beziehungen ein positiver Gewinn an Arbeitskraft ermöglichen? Genau so wie sich die Frage bei den rein mechanischen Bewegungskräften verneinte, thut sie es auch für diese eben betrachteten Kräfte, und wir können mit Sicherheit sagen, sie verneint sich auch für alle etwa noch zu entdeckenden.

Es besteht nämlich in der ganzen Welt das Gesetz, daß von Allem, was darin ist, mag es Masse oder Bewegung sein, mag es Materie oder Kraft heißen, nicht das geringste Theilchen verloren gehen kann. Für jedes verloren gehende Fußpfund Kraft wird ein gewisses Aequivalent Wärme gewonnen, die sich, indem sie sich andern Körpern mittheilt und Ursache chemischer Processe oder elektrischer Erregungen wird, früher oder später wieder in Arbeitskraft umwandelt und zwar in ihrer Wirkung dann genau wieder ein Fußpfund repräsentirt.

Es gibt z. B. ein Pfund Kohle, wenn es verbrennt (also, indem es sich mit Sauerstoff verbindet, einen chemischen Proceß durchmacht), so viel Wärme, daß 8086 Pfund Wasser um einen Grad C. erwärmt werden; daraus läßt sich berechnen, daß die Summe der Anziehungskräfte, welche zwischen den kleinsten Theilchen eines Pfundes Kohlenstoff und denen des zu seiner Verbrennung nöthigen Sauerstoffs herrschen, im Stande ist, 100 Pfund auf 4½ Meilen Höhe zu heben. Verwenden wir dasselbe Quantum Kohle zur Heizung einer Dampfmaschine, so werden wir einen solchen Effect nimmermehr zu erzielen im Stande sein, denn ein großer Theil dieser Kräfte geht durch Reibung als Wärme an andere Körper über, ein andrer noch größerer verfliegt wegen mangelhafter Einrichtung unserer Oefen durch die Esse, – was uns als verwendbare Kraft bleibt, sind bei den besten Expansions-Dampfmaschinen höchstens 18 Procent.

Die Kohle hat sich nun bei dieser Verbrennung in Kohlensäure umgewandelt, welche der Atmosphäre sich mittheilt und aus dieser durch die Pflanze wieder aufgesaugt wird. Unter Zutritt der Sonnenstrahlen verwandelt die Pflanze die Kohlensäure wieder in Verbindungen, welche weniger Sauerstoff enthalten; den freiwerdenden Sauerstoff hauchen die Blätter aus. Licht und Wärme sind aber, damit dies geschehen kann, unumgänglich nothwendig, sie werden von der Pflanze verschluckt, und wenn man die Mengen dieser beiden Kräfte, so wie die chemischen Kräfte, welche von der seit der Aufnahme der Kohlensäure in den Organismus der Pflanze, durch alle ihre Umwandlungsphasen in Stärkemehl, Zucker, Holzfaser und endlich bei der schließlichen Verwandlung des Holzes in Kohlenstoff verbraucht worden sind, wenn man alle diese, in Wärme ausgedrückt, messen könnte: so würden wir finden, daß ihre Summe genau der Kraftmenge entspricht, welche wir beim Verbrennen eines Pfundes Kohle als Wärme erhielten.

Ebenso wenig, wie ein Theilchen Kraft verloren ging, eben so wenig ist ein Theilchen Stoff untergegangen. Die Kohlensäuremenge, welche aus einem Pfunde Kohlenstoff sich entwickelt, gibt uns, nachdem sie den Kreislauf durch das Reich des organischen Lebens gemacht hat, ein Pfund Kohlenstoff wieder zurück.

Elektrische und magnetische Kräfte rufen wir durch chemische Processe hervor. Aber die Schwefelsäuremenge, welche wir in den galvanischen Batterien verbrauchen, und die Quantität Zink, welche verzehrt wird, hat zur Herstellung eben so viel Kraft und Wärme erfordert, als durch die elektro-magnetische Maschine, in der diese beiden arbeiten, geleistet wird.

Das Thier, welches uns seine Kräfte leihen soll, müssen wir eben wie eine Dampfmaschine mit Kohlenstoff versehen. Es athmet denselben als Kohlensäure wieder aus. Alle Nahrung ist bei Thier und Menschen nichts weiter, als eine Heizung der Maschine, welche die Wärme in Kraft umsetzten soll. Ein Arbeiter, der viel schwere Last getragen, hat mehr Hunger, als der, welcher während dieser Zeit geschlafen. Im nördlichen Klima, wo die Luft und Sonne dem Körper nicht so viel Wärme gibt, als im südlichen, muß durch eine fettere, kohlenstoffreichere Nahrung die nöthige Wärme und Kraftmenge erzielt werden. Auch der Mensch also schafft aus sich heraus keine Kraft. Er ist nichts als eine Maschine, die man, wenn man alle jene unzähligen Vorgänge der Kraftaufnahme und des Kraftverbrauchs genau zu bestimmen vermöchte, eben so genau in ihrer Wirkung berechnen könnte, als ein mathematisch construirtes physikalisches Instrument.

Nirgends wird also Kraft gewonnen. Wohl aber wird bei jeder Maschine, die zur Kraftumsetzung dient, mag sie aus dem Atelier eines Mechanikers oder als Thier oder Mensch aus der nie ruhenden Werkstätte der Natur direct hervorgegangen sein, Kraft als Wärme verloren, die durch Ausstrahlung an andere Körper übergeht und sich der Benutzung als mechanische Kraft entzieht. Daran scheitert jeder Versuch, ein Perpetuum mobile herzustellen.

Was an Kraft in der Natur vorhanden ist, das kann der Stoff benutzen, er nimmt es aber nur leihweise, wechselt es in der mannichfachsten Weise um und gestaltet sich dadurch zum vielbewegten Leben.

Schaffen kann der Stoff keine Kraft, ebensowenig der Mensch. Deshalb suche man nicht nach dem Perpetuum mobile, sondern sinne und denke nach, den gegebenen Reichthum an Kraft, der in der Natur enthalten ist, möglichst zu nutzen, das heißt, ihn rasch zu verwerthen und rasch zu verbrauchen.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_622.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)