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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Was ist Farbe?

Unzähliges gibt es, was Jeder zu wissen glaubt, ohne doch auf Befragen Rechenschaft davon geben zu können. Man baut seine Sätze aus Worten, wie der Maurer sein Haus aus Steinen, ohne viel darnach zu fragen, was man eigentlich für Steine hat, wenn sie nur in die Mauer passen. Da wird denn oft ein Wort in schiefem Sinne angewandt. Ist es nun auch nicht zu verlangen, daß Jeder alle Worte von Grund aus kennen soll, so ist es doch von großer Wichtigkeit, die Wörter eingehender zu betrachten, welche Verschiedenes zugleich bedeuten. Man geräth in die schlimmsten Irrthümer, wenn man ein vieldeutiges Wort überall in demselben Sinne verstehen will. Das Wort Farbe ist ein solches und die Untersuchung seiner verschiedenen Bedeutungen um so wichtiger, als sich daran Betrachtungen aus der Natur- und Seelenlehre knüpfen, die für jeden einigermaßen Gebildeten von höchstem Interesse sein müssen. Denn sie werfen ein helles Licht auf eine große Classe von Naturerscheinungen, die wir für gewöhnlich gedankenlos hinnehmen, ohne über ihr Wesen weiter nachzudenken. Die Wissenschaft aber hat die Aufgabe, diejenigen, deren Denken und Forschen im praktischen Leben zu sehr in Anspruch genommen ist, um sich eingehender mit den Natur- und Seelenerscheinungen beschäftigen zu können, wenigstens auf das Wichtigere in klaren Umrissen aufmerksam zu machen, damit sie im Stande sind, mit der allgemeinen Bildung fortzuschreiten und den geistigen Anforderungen ihrer Zeit zu genügen.

Blau, roth, gelb etc. sind Farben, aber wir sehen diese Farben unter sehr verschiedenen Verhältnissen. Wenn die Wolken im Abendrothe glühen, so wissen wir wohl, daß dabei das Roth auf ganz andere Weise entsteht, als wenn sich unsere Wange bei der Erhitzung roth färbt oder das Eisen im Feuer rothglühend wird. Die Wolken sind nicht eigentlich roth, doch haben sie das Vermögen, das Licht der Sonne, wenn es sie unter bestimmten Verhältnissen trifft, in rother Färbung zurückzustrahlen; unsere Wangen röthen sich, indem die Aederchen, welche dicht unter der Haut liegen, sich reicher mit dem roth durchscheinenden Blute füllen; das Eisen hat die Eigenschaft, durch starkes Erhitzen rothleuchtend zu werden. So ließen sich viele Beispiele anführen, um zu zeigen, auf wie verschiedene Weise dieselbe Farbe zu Stande kommen kann. Aber Farbe ist nur wo Licht ist, ja das Licht selbst erscheint uns fast immer in einer gewissen Farbe, wenn man nicht etwa ohne Grund sagen will, Weiß sei keine Farbe, Selten haben wir Lichtempfindungen, die uns nicht zugleich einen farbigen Eindruck machen. Die Sonne, wenn wir ihren Anblick ertragen können, erscheint uns zuerst als ein reinweißer Körper, der dann in Folge der Ermüdung unseres Auges und durch die ergossenen Thränen hindurch eine gelbe oder röthliche Färbung annimmt; die Blitze haben meist eine blaue oder grüne Färbung; das Feuer der Flamme erscheint bald gelblich, bald röthlich, bald bläulich, bald weiß; und es bleiben als farblose Lichterscheinungen eigentlich nur diejenigen übrig, welche zu flüchtig oder zu schwach sind, um uns eine bestimmte Farbe zur Empfindung zu bringen. Farben sind also farbiges Licht, Was roth, blau etc. ist, muß Jeder wissen, es läßt sich eben nicht weiter beschreiben, wohl aber kann man nach den Gründen fragen, welche das ursprünglich weiße Tageslicht ändern, sodaß es uns von verschiedenen Körpern mit verschiedener Farbe zurückgestrahlt wird.

Alles Licht, das wir bei Tage sehen, kommt von der Sonne, ihre Strahlen beleuchten die Dinge theils unmittelbar, theils beleuchtet wieder eines das andere, da das Licht die Eigenschaft hat, von Körpern, welche nicht ganz durchsichtig sind, zurückgestrahlt zu werden. Der ganze Himmel z. B. würde uns schwarz erscheinen, wenn nicht die zahllosen sonst unsichtbar kleinen Wasserbläschen, welche die Luft erfüllen, vom Sonnenlicht erleuchtet würden, sodaß sie gleich einem dünnen leuchtenden Wolkenschleier sich vor das lichtlose Dunkel des Himmels legen. Häufen sich diese Wasserbläschen in größerer Menge an, so erscheinen sie uns als Wolken, welche, von der Sonne beschienen, das reinste und hellste weiße Licht geben können. Verschwänden eines Tages alle Wasserbläschen aus unserm Luftkreise, so würde der Himmel schwarz sein und nur die glühende Sonnenscheibe leuchten. In südlichen Gegenden, wo die Luft reiner ist, erscheint auch der Himmel dunkler, und auf hohen Gebirgen nähert sich das Blau desselben mehr und mehr dem Schwarz, weil die Wasserbläschen an Zahl abnehmen, je höher wir hinaufsteigen. Man sagt gewöhnlich, die Luft selbst sei blau, und meint z. B., die fernen Berge erschienen uns nur darum blau, weil eine sehr große Luftschicht zwischen ihnen und unserm Auge liege, wie ja auch das Meerwasser in Menge farbig erscheint, während ein Glas voll farblos ist. Die Luft ist durchsichtig, d. h. die Sonnenstrahlen gehen durch dieselbe hindurch, ohne ihren Weg sehr abzuändern, sie werden nicht zurückgeworfen, wie von den Wasserbläschen, welche wie Millionen winzige Monde im erborgten Sonnenlicht leuchten und dadurch den ganzen Himmel hell machen. Nun könnte man meinen, wie der weiße Meeresgrund durch das blaue Wasser hindurch blau erscheint, so könnte auch die weißliche Dunstschicht der Wasserbläschen nur darum blau erscheinen, weil wir sie durch die blaue Luft hindurch sehen. Dann aber müßte auch die Sonne einen bläulichen Schein haben, was nie der Fall ist, vielmehr erscheint sie blendend weiß, wenn man den Muth hat, genau hineinzusehen. Die Luft ist so wenig blau, wie sie roth ist, wenn sich Abends der Himmel im Westen roth färbt; alle Farben des Himmels entstehen durch das verschiedene Zurückstrahlen des Sonnenlichts von den Wasserbläschen des Dunstkreises. Ganz ähnlich wie das Blau des Himmels entsteht das Blau des Auges. So wenig sich in unserm Luftkreise etwas eigentlich Blaues findet, so wenig enthält das blaue Auge irgend welchen blauen Farbestoff; die Farbe entsteht vielmehr dadurch, daß sich ein dünnes, weißliches Häutchen, die sogenannte Regenbogenhaut, vor die dunkle, mit schwarzbraunem Farbestoff ausgelegte Augenkammer spannt. Dies dünne Häutchen erscheint vor der schwarzen Augenkammer blau, wie der feine Dunstschleier des Luftkreises blau erscheint vor dem lichtlosen Weltenraum; oder wie der zarte Nebel, der Abends über der Erde liegt, die dunklen Berge oder einen fernen Wald blau färbt. Schon der Wasserkunst, der aus einer brennenden Cigarre aufsteigt, erscheint bläulich auf einem schwarzen Hintergründe; doch ist mit dem Dunste nicht der Rauch zu verwechseln, welcher durch feine Aschetheilchen eine schmutziggraue oder selbst bräunliche Färbung hat und sich zu dem Versuche wenig eignet.

Wir haben also gesehen, daß uns Vieles blau erscheint, ohne blau zu sein. Der Grund liegt, wie erwähnt, darin, daß das weiße Sonnenlicht unter bestimmten Umständen seine Farbe ändert. Jede Wasserflasche, welche in der Sonne steht, vermag diese Aenderung zu zeigen; ein dahinter gehaltenes Papier zeigt farbige Streifen gleich einem kleinen Regenbogen. Zur genauem Untersuchung dieser Lichtänderungen benutzt man ein sogenanntes Prisma, d. h. ein dreikantig geschliffenes Stäbchen aus Glas oder einem andern durchsichtigen Körper. Läßt man einen Sonnenstrahl durch eine kleine Oeffnung in ein sonst dunkles Zimmer fallen und durch eine Kante des dreikantigen Stäbchens gehen, so gibt er, wenn man ihn mit einem weißen Papier auffängt, eine buntstreifige länglichrunde Lichterscheinung; die Farben folgen ganz wie im Regenbogen aufeinander: roth, orange, gelb, grün, blau, violett. Die Naturforscher erklären diese Aenderungen des Lichtes auf folgende Weise:

Schon längst wußte man, daß die Töne, die wir vernehmen, durch Schwingungen der uns umgebenden Luft vermittelt werden. Eine Claviersaite, welche durch Anschlagen der Taste erzittert, setzt durch die regelmäßigen Stöße, die sie auf die Luft ausübt, diese in Schwingung, welche sich bis in unser Ohr fortpflanzt und daselbst die Hörnerven trifft. Ganz ähnlich verhält es sich nach Angabe der Naturforscher mit dem Lichte. Wie die Töne durch Schwingungen der Luft erzeugt werden, so das Licht durch Schwingungen eines noch weit feineren Stoffes, des sogenannten Licht-Aethers, der die Lichtwellen auf ähnliche Weise fortpflanzt, wie die Luft die Schallwellen. Es ist dies freilich nur eine Annahme; da sich indeß die meisten Lichterscheinungen daraus erklären und ableiten lassen, so hat man alle Ursache zu glauben, daß die Annahme der Wahrheit nahe kommt.

Man nimmt nun weiter an, daß jeder Farbe eine besondere Art der Aetherbewegung entspreche, wie ja auch jedem Tone eine andere Art der Luftbewegung entspricht. So hängt z. B. die Höhe eines Tones von der Schnelligkeit ab, mit welcher die Schwingungen der Luft aufeinander folgen. Ein Ton, welcher um eine Octave höher ist als der andere, zählt doppelt soviel Schwingungen in derselben Zeit. In ähnlicher Weise zählt ein violetter Lichtstrahl in einer Secunde mehr Aetherschwingungen, als ein rother Strahl.

Das Sonnenlicht soll aus verschiedenen farbigen Strahlen zusammengesetzt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_627.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)