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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Schiller’s Frau, Charlotte von Lengefeld.




Schiller’s zu beginnen, die von besonderen, vielfach besprochenen und fast immer falsch beurtheilten Umständen begleitet war. Meiner lieben Vaterstadt Weimar hat man den ungerechten Vorwurf gemacht, daß sie bei der Beerdigung ihres großen Bürgers eine unerklärliche Theilnahmlosigkeit gezeigt habe, weil Schiller bekanntlich in der Stille der Nacht, mit einem nur sehr kleinen Geleite, ohne Grabrede und sonstige Feierlichkeit zur Erde bestattet worden ist. Diese Thatsachen sind richtig, keineswegs aber der daraus gezogene Schluß. Die Kunde von dem so unerwartet eingetretenen Tode Schiller’s erregte in Weimar die allgemeinste, schmerzlichste Bestürzung, die sich sogar überall in den Straßen unter den sich Begegnenden so unverkennbar kund gab, daß diejenigen, zu welchen die Trauernachricht noch nicht gelangt war, sich ängstlich nach der Ursache dieser allgemeinen Bestürzung erkundigten.

Am tiefsten war natürlich die Trauer und der Schmerz in der Familie Schiller’s. Frau von Schiller war in Thränen aufgelöst. Außer ihren Kindern und ihrer damals auf Besuch bei ihr weilenden Schwester, der Frau von Wolzogen, ließ sie Niemanden zu sich in’s Zimmer. Die Sorge für die so peinlichen Vorbereitungen zur Beerdigung hatte sie in die Hände des befreundeten Consistorialrathes Günther gelegt, dabei aber ihren bestimmten Willen ausdrücklich ausgesprochen, daß die Beerdigung ganz in der Stille und ohne alles Gepränge vor sich gehen solle. Wohl wurde in Weimar der Wunsch laut, mit Schiller’s Leichenbegängniß eine der hohen Verehrung, deren der Verstorbene bei seinen Mitbürgern genoß, entsprechende Feier zu verbinden. Dieser Wunsch scheiterte jedoch an dem bestimmt ausgesprochenen Willen der Frau von Schiller. Der glaubwürdigste Zeuge hierfür, Frau von Wolzogen, sagt in ihrem Werke (Schiller’s Leben, II. 307): „Auf verschiedene Anträge zu einer andern Bestattung ging meine Schwester nicht ein.“

So wurden denn dem hierzu beauftragten Consistorialrath Günther die Vorbereitungen zur Beerdigung, dem Willen der Wittwe und den damals in Weimar bestehenden Gebräuchen gemäß, getroffen. Der letzteren möge hier noch kurze Erwähnung geschehen. Zu jener Zeit pflegte man in Weimar die eigentliche Beerdigung der Todten des Nachts in der Stille, ohne Geleite und ohne Grabrede, vorzunehmen und erst am Tage darauf die kirchliche Feier durch Absingen eines Liedes und durch eine priesterliche Trauerrede in der Gottesackerkirche zu begehen. Diese Feier nannte man die Collecte, und ihr wohnten diejenigen bei, welche ihre Theilnahme an dem Todesfall bezeigen wollten. Bei Sterbefällen in den höheren Ständen erboten sich gewöhnlich diejenigen Handwerksmeister, die für das Haus Arbeiten geliefert hatten, das Tragen des Sarges zur letzten Ruhestätte zu übernehmen, wofür sie in dem Sterbehause mit Wein und Kuchen bewirthet wurden. Die etwa noch fehlenden Träger wurden von den Zünften, die der Reihe nach abwechselten, gestellt und hierfür besonders bezahlt. Bei Schiller’s Beerdigung war die Zunft der Schneider an der Reihe.

Am 9. Mai 1805 war Schiller gestorben; in der Nacht vom 11. zum 12. Mai sollte er beerdigt werden.

Mein Vater, der wenige Jahre zuvor die Universität verlassen hatte und als Secretair bei der Landesregierung angestellt worden war, kehrte am Nachmittag des 11. Mai von einer mehrtägigen Geschäftsreise nach Weimar zurück. Hier empfing ihn die erschütternde Nachricht, daß Schiller gestorben sei und in der bevorstehenden Nacht um 12 Uhr ganz in der Stille von Handwerkern zu

Grabe getragen werden solle. Mein Vater war ein begeisterter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_669.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)