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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

kann man jene Fährten nicht selten Viertelmeilen weit verfolgen. – An solchen Orten entdeckt man die Flußriesen sehr bald. In Zwischenräumen von drei, vier Minuten bemerkt man irgendwo einen dampfartigen Wasserstrahl, welcher sich etwa drei Fuß über die Wasserfläche erhebt, und vernimmt zugleich ein eigenthümliches Schnauben oder Brausen, vielleicht auch ein dumpfes, an das grollende Gebrüll eines Bullen erinnerndes Brummen. Dort ist soeben ein Nilpferd aufgetaucht, um Luft zu schöpfen; wenn man nah genug steht, kann man auch den ungeschlachten Kopf desselben wahrnehmen: eine formlose, rothe oder bräunlich rothe Masse, auf welcher man zwei Spitzen, die Ohren und vier Hügel, die Augen und Nasenlöcher, sieht. Mit einem größeren Schiffe darf man es dreist wagen, zu jenen Köpfen hinzufahren; denn das Thier scheut sich nicht vor der Barke, sondern glotzt sie, ungereizt, höchstens mit dummer Verwunderung an, ohne sich durch sie und die auf ihr befindlichen Menschen in seinem Auf- und Niedertauchen stören zu lassen.

Junge Nilpferde.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

Das Nilpferd ist, wie alle Dickhäuter (etwa mit Ausnahme des Nashorns) ein geselliges Thier und findet sich deshalb selten einzeln. Einmal sah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinsel sich ergehen, ein anderes Mal traf ich ihrer sechs in einem See, nahe am Ufer des blauen Flusses an. Größere Gesellschaften sah ich nicht; wohl aber berichten alle Reisende auf dem weißen Nil von Trupps, welche mindestens zehn Stück enthielten, und Richard fand im Niger, Livingstone im Zambese „zahlreiche Heerden“, ja sogar „eine unglaubliche Menge“ von Flußpferden. Der Wohnkreis einer Gesellschaft ist beschränkt, da er stets in der Nähe guter Futterplätze liegt: schon ein größerer Tümpel genügt einigen Flußpferden zu längerem Aufenthalte. In der Regenzeit scheinen sie jedoch größere Wanderungen zu unternehmen.

Bei Tage verläßt die Gesellschaft nur an ganz menschenleeren Orten das Wasser, um in der Nähe des Ufers, theils im seichten Wasser, theils auf dem Lande selbst, sich einem träumerischen Halbschlummer hinzugeben. Dabei grunzen die männlichen Thiere von Zeit zu Zeit, wie unsere Schweine es auch zu thun pflegen, wohl als Zeichen ihrer großen Behaglichkeit. Nur an Orten, an denen sie die ihnen von dem Menschen drohende Gefahr kennen lernten, achten sie auf das Treiben ihres Haupt-, ja alleinigen Feindes; in den West- und Ostländern Afrika’s kümmern sie sich aber nicht viel um ihn. Wenn der Ort zu solcher Mittagsruhe recht einladend ist, legen sie sich auch wohl geradezu auf die Seite, wiederum wie die Schweine es thun. Gegen Abend kommt Leben in die Gesellschaft. Das Grunzen der Männchen erstarkt zu einem Gebrüll, und die ganze Heerde taucht spielend auf und nieder im Strome; dann und wann beginnt sogar ein lustiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen scheinen sie sich dann gern zu zeigen; wenigstens bemerkte ich, daß sie unser Boot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken begleiteten. Sie schwimmen mit erstaunlicher Leichtigkeit in jeder Wassertiefe, tauchen auf und nieder, bewegen sich ruck- oder satzweise, wenden sich nach allen Seiten hin gewandt und schwimmen in gerader Richtung mit dem besten Ruderboot um die Wette. Die dicken Fettlagen, welche den Riesenleib des Thieres allseitig umgeben, müssen jedenfalls als Hauptursache angesehen werden, daß das specifische Gewicht des Nilpferdes dem des Wassers ganz oder ziemlich gleichkommt und dem ungefügen Vieh hierdurch die Leichtigkeit der Bewegungen im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 681. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_681.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)