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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

allerdings kein Geld, wohl aber ein ganz annehmbares Anerbieten. Das genuesische Haus, von früheren Jahrhunderten her mit den reichsten Handelsherren der einflußreichen italienischen Republiken eng verbunden, befindet sich von jener glänzenden Epoche her im Besitz bedeutender Kleinodien, die es theils durch Heirathen und Erbschaften erworben, theils an Zahlungsstatt angenommen hat. Um nun mit mir nicht zu brechen und sich mir doch auch für das ihm geschenkte Vertrauen erkenntlich zu erweisen, bot es mir einen Theil dieser todtliegenden Schätze, aus lauter alten Gold- und Silbergeräthschaften, altem Geschmeide von kunstvoller Arbeit und mancherlei Edelsteinen in veralteter Fassung bestehend, an, mit dem Bemerken, daß mir dasselbe, falls es nicht innerhalb Jahresfrist wieder eingelöst werde, für immer als rechtmäßiges Eigenthum gehören solle. Natürlich nahm ich,“ schloß Aurelio von Weckhausen seine kurze Erzählung, „diesen Vorschlag, der für mich jedenfalls der kürzeste und sicherste Ausweg war, mit Vergnügen an, und nach dem, was ich bisher von den übersendeten Schätzen, die indeß noch nicht alle in meine Hände gelangt sind, gesehen habe, dürfte ich keinen Schaden bei diesem wunderlichen Handel machen.“

Die versammelten Freunde des Hauses wurden durch diese Mittheilung noch mehr von dem prächtigen Goldbecher angezogen. Das Kleinod wanderte von Hand zu Hand, fand überall Bewunderung, und unter den anwesenden Freundinnen der glücklichen Verlobten gab es mehr als eine stille Neiderin.

Für Rosaura selbst erhielt der Becher nun erst höheren Werth. Sein Alter, sein unbekannter Ursprung, sein vielleicht berühmter Verfertiger machten ihn ihr fast eben so lieb, als den Geber. Sie dankte dem Geliebten mit Worten und Blicken für das schöne Geschenk, versprach, es solle in Zukunft nie beim stillen häuslichen Mahle, nie im frohen Verein heiterer Gesellschaft fehlen. Zugleich sprach sie aber auch die Bitte gegen den Grafen aus, er möge doch, wenn später die übrigen Kleinodien ihm eingehändigt würden, genau zusehen, ob sich unter dem erwähnten Geschmeide nicht doch ein oder das andere Stück fände, das allenfalls auch in der modernen Gesellschaft eine bescheidene Frau als Schmuck tragen könne.

Aurelio neigte gewährend sein Haupt, der Domcapitular befahl, die goldene Höhlung des kunstreichen Pokales mit edlem Wein zu füllen, und indem Rosaura den feurigen Trank, nachdem sie selbst die Lippen damit genetzt hatte, ihrem Bräutigam reichte, leerte dieser den Becher in langem Zuge, um gleichsam sein Versprechen feierlich damit zu besiegeln. Noch einmal ward hierauf der Pokal gefüllt, den nunmehr der Oheim Rosaura’s ergriff, einen Trinkspruch dem glücklichen Paare ausbringend, dem alle Anwesenden jubelnd beistimmten.

Tags darauf wurden Aurelio und Rosaura vermählt, und bei dem Mahle, welches der kirchlichen Feierlichkeit folgte, spielte das originelle Geschenk des galanten Grafen abermals eine Rolle, welche die Schaar der geladenen Gäste ohne Ausnahme in hohem Grade interessant fand.




2. Das Kästchen mit dem Schmuck.

Vier Wochen, jene glückliche Zeit, die man gern das Paradies der Liebe und Ehe nennt, waren dem jungen Paare ungetrübt verstrichen. Aurelio war der aufmerksamste, zärtlichste Gatte, Rosaura die liebenswürdigste und anmuthigste junge Frau, die man sehen konnte. Es gab entschieden kein schöneres, kein glücklicheres Paar in Stadt und Umgegend. Hunderte blickten mit Neid auf diese begünstigten Menschen, die schon in so frühen Jahren alle Wünsche, um welche tausend Andere ein halbes Menschenalter ringen müssen, in Erfüllung gehen sahen.

In der fünften Woche erhielt Aurelio von Weckhausen schnell hinter einander mehrere Briefe. Rosaura gewahrte, daß die Lectüre derselben ihn nachdenklich stimmte, ohne ihn jedoch in Unruhe zu versetzen, und diese Entdeckung veranlaßte sie zu einigen vertraulichen Fragen wie Liebe und Mitgefühl sie jedem treuen Herzen eingeben. Aurelio beantwortete diese Fragen seiner jungen Frau zuerst durch verdoppelte Beweise seiner Zärtlichkeit, dann aber theilte er ihr mit, daß die leidigen Geschäfte ihn abermals nöthigten, auf unbestimmte Zeit eine Reise anzutreten.

Rosaura erschrak nicht über diese Mittheilung. Sie nahm sie vielmehr lächelnd hin und wünschte nur zu erfahren, wohin den geliebten Gatten diesmal die so leidigen Geschäfte führen würden,

„Wie immer, zuvörderst in meine Gruben,“ erwiderte der Graf.

„Und dann?“ forschte Rosaura weiter.

„Vielleicht nach den Küsten Italiens.“

„Etwa nach Genua?“

„In Genua würde ich wahrscheinlich an’s Land steigen.“

Rosaura legte ihren Arm um Aurelio’s Nacken und flüsterte ihm mit den süßesten Lauten eines liebevollen Herzens zu: „Ich werde Dich begleiten, damit Dir die Pflege, an welche Dich die letzten glücklichen Wochen gewöhnt haben, nirgends fehlt und Du überall, wenn Du nach glücklich verlebter Nacht die Augen aufschlägst, in Deinem eigenen Hause zu sein glaubst.“

„Diesem Vorhaben, meine theure Rosaura, muß ich mich widersetzen,“ entgegnete der Graf von Weckhausen. „Ich pflege stets sehr rasch zu reisen und weder auf Zeit noch Witterungsverhältnisse Rücksicht zu nehmen. Du würdest, an häusliche Bequemlichkeiten aller Art gewöhnt, Deine Gesundheit gefährden, und die Sorgen, welche ich fortwährend um Dich hätte, könnten nachteilig auf die Geschäfte wirken, weil ich immer zerstreut sein würde. Ohnehin, fürcht’ ich, stehen mir diesmal allerhand unangenehme Dinge bevor. Die Mittheilungen und Andeutungen meiner Geschäftsführer gefallen mir nicht. Dafür aber gebe ich Dir das feierliche Versprechen, meine Abwesenheit möglichst abzukürzen, und wenn ich zurückkomme, sollst Du mit mir zufrieden sein.“

Rosaura hätte es lieber gesehen, wenn Aurelio ihrem Wunsche auf halbem Wege entgegengekommen wäre. Sie hatte dies fast erwartet; dennoch konnte sie dem zartfühlenden Manne doch auch nicht zürnen, denn hielt sie Alles zusammen, was ihm zu erledigen oblag, so hatte Aurelio Recht. Die Begleitung einer an die Strapazen weiter Reisen nicht gewöhnten Frau mußte ihm nicht blos hinderlich sein, sondern ihm auch noch einmal so viel Zeit rauben, als wenn er allein die nothwendig gewordene Reise antrat. Rosaura fügte sich daher der bessern Einsicht ihres Gatten und nahm voll Hoffnung auf ein baldiges frohes Wiedersehen von ihm Abschied.

Graf von Weckhausen blieb während seiner Abwesenheit in fortwährendem Briefwechsel sowohl mit Rosaura wie mit dem Domcapitular, und was er schrieb, war nur geeignet. Beide zu erheitern. Erst der letzte aus Genua datirte Brief lautete nicht ganz befriedigend. Man sah es den Buchstaben an, daß die Hand des Schreibenden gezittert haben oder krank gewesen sein mußte, denn die sonst festen Schriftzüge Aurelio’s waren unsicher und von sehr ungleicher Größe. Auch machte der Graf kein Hehl daraus, daß ihn unerwartet ein Unfall getroffen habe. Auf einer Reise des Nachts durch gebirgige Gegenden und auf schlechten Wegen waren die Pferde vor den ungemein hellen Blitzen eines heftigen Gewitters scheu geworden, der Wagen war umgestürzt und sämmtliche darin befindliche Passagiere hatten, der Eine mehr, der Andere weniger Verletzungen bei dem gewaltigen Fall erhalten. Aurelio verstauchte sich den rechten Arm bei diesem fatalen Vorfall, wodurch er genöthigt ward, mehrere Tage ruhig liegen zu bleiben. Jetzt, fügte er hinzu, seien die schlimmen Folgen schon ziemlich beseitigt, nur eine Schwäche in der Hand wolle sich nicht ganz verlieren. Am Schlusse des Briefes fügte er noch mit einigen Scherzworten eine Bemerkung hinzu, welche ein Lob der eigenen Weisheit und Vorsicht enthielt; denn wie leicht hätte Rosaura, wäre er schwach genug gewesen, ihren Bitten nachzugeben, bei diesem Unfälle gefahrvolle Verletzungen davon tragen können!

Dieser Brief des Grafen war von einem Kästchen begleitet, dessen Aeußeres schon verrieth, daß es aus längst vergangenen Tagen stamme. Es war von schwarzem Ebenholz, mit Silber reich verziert, und auf dem Deckel befand sich in erhabener Arbeit eine Herzogskrone, deren stumpfe Spitzen aus Diamanten bestanden. Ein goldener Schlüssel, an grüner Seidenschnur hängend, die unter der Krone befestigt war, öffnete das sehr kleine Schloß dieses Kästchens und enthüllte den überraschten Blicken Rosaura’s einen Schmuck von unberechenbarem Werthe. Keine Königin hätte sich zu schämen gebraucht, diesen Schmuck anzulegen, obwohl die Fassung sehr alt zu sein schien und der Schmuck selbst auch allem Anschein nach über ein Menschenalter nicht mehr getragen sein mochte. Ein feiner Staub von eigenthümlich penetrantem, wenn auch nicht gerade unangenehmem Geruche löste sich unter der Berührung der staunenden Gräfin von dem vielgliedrigen Kleinode ab und bedeckte das blausammtene Bette, in dem es ruhte. Es schien, als habe Aurelio dies prachtvolle Werthstück kaum eines Blickes gewürdigt, sondern es sofort seiner Gattin unverweilt übersandt, damit sie sich daran ergötze und erfahre, wie treu und innig seine Gedanken bei ihr verweilten.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1859, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_695.jpg&oldid=- (Version vom 1.12.2023)