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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

großer Zahl und in mehreren Reihen um den baquet oder die Wanne sitzenden Kranken empfangen den Magnetismus nicht blos durch die aus dem baquet hervorragenden eisernen Stäbe, sondern auch durch die um ihren Körper gewundenen Schnuren, durch die Berührung des Daumens, der ihnen den Magnetismus ihres Nachbars übermittelt, und durch den Klang eines Pianoforte oder einer angenehmen Stimme, welche die Luft mit Magnetismus erfüllt. Die Patienten werden jedoch auch direct dadurch magnetisirt, daß der Magnetiseur seinen Zeigefinger oder Stab langsam vor ihren Gesichtern, über oder hinter ihren Köpfen und auf den krankhaften Theilen bewegt. Der Magnetiseur wirkt auch dadurch, daß er seine Augen auf sie heftet. Vor allen Dingen aber werden die Kranken durch Auflegen der Hände und den Druck der Finger auf die weichen Theile unter den Rippen magnetisirt – eine Manipulation, die oft sehr lange, zuweilen mehrere Stunden, dauert. Mitterweile bieten die Patienten in ihren verschiedenen Zuständen ein sehr mannichfaltiges Schauspiel dar. Manche verhalten sich ganz still und ruhig und verspüren gar keine Wirkung. Andere husten, spucken, fühlen leichte Schmerzen, örtliche oder allgemeine Hitze und brechen in Schweiß aus. Andere dagegen werden durch heftige Convulsionen gequält. Diese Convulsionen sind in Bezug auf die Menge der davon befallenen Patienten, so wie hinsichtlich ihrer Dauer und Kraft sehr merkwürdig. Sobald als einer der Patienten in Zuckungen zu fallen beginnt, werden auch mehrere Andere davon angesteckt. Die Commissare haben einige dieser Convulsionen beobachtet, die über drei Stunden dauerten. Gewöhnlich sind sie von Auswerfung eines schmutzigen, klebrigen Wassers begleitet, welches durch heftige Anstrengungen zu Tage gefördert wird. Zuweilen hat man Streifen Blut in dieser Flüssigkeit bemerkt. Diese Convulsionen charakterisiren sich durch die plötzliche unwillkürliche Bewegung aller Glieder und des ganzen Körpers, durch das Zusammenziehen der Kehle, durch die hüpfenden Bewegungen des Unterleibes, durch Umschleierung und Rollen der Augen, durch gellendes Geschrei, Thränen, Schluchzen und unmäßiges Gelächter. Vorher sowohl, als nachher, tritt ein Zustand von Ermattung oder Träumerei, eine Art Niedergeschlagenheit und zuweilen Schläfrigkeit ein. Das geringste plötzliche Geräusch verursacht ein Schaudern, und man bemerkte, daß ein Wechsel des Taktes in den auf dem Pianoforte gespielten Melodien einen großen Einfluß auf die Patienten hatte. Ein rascheres Tempo, eine munterere Melodie regte sie mehr auf und erneuete die Lebhaftigkeit ihrer Convulsionen.

Nichts ist erstaunlicher als der Anblick dieser Zuckungen. Wer sie nicht gesehen hat, kann sich keinen Begriff davon machen. Der Zuschauer erstaunt ebenso sehr über die tiefe Ruhe eines Theils der Patienten als über die Aufregung der andern – über die verschiedenen sich wiederholenden Zufälle und die dabei zu Tage tretenden Sympathien. Einige der Patienten widmen sich wechselseitig die größte Aufmerksamkeit, indem sie mit offenen Armen auf einander zustürzen, lächeln und ihre Zuneigung und Anhänglichkeit auf alle nur mögliche Weise zu erkennen geben. Alle aber stehen unter der Macht des Magnetiseurs. Es kommt nichts darauf an, in welchem Zustand von Schlafsucht sie sich befinden. Der Klang seiner Stimme, ein Blick, eine Bewegung seiner Hand erweckt sie. Unter den Patienten, welche von Zuckungen befallen werden, bemerkt man stets sehr viele Frauen, aber nur sehr wenig Männer.“

Diese Experimente dauerten ungefähr fünf Monate. Kaum hatten sie begonnen, so beschloß Mesmer, erschrocken über den drohenden Verlust sowohl an Ruhm als an Gewinn, nach Paris zurückzukehren. Einige Patienten von Rang und Vermögen und enthusiastische Anhänger seiner Theorie waren ihm nach Spaa gefolgt. Einer von ihnen, Namens Bergasse, schlug vor, für ihn eine Subscription von hundert Antheilen, jede zu hundert Louisd’or, unter der Bedingung zu eröffnen, daß er sein Geheimniß den Subscribenten enthüllte, welchen es dann freistehen sollte, beliebigen Gebrauch davon zu machen. Mesmer ging auf diesen Vorschlag bereitwillig ein, und die Verblendung seiner Anhänger war so groß, daß die bestimmte Summe nicht blos in wenigen Tagen gezeichnet, sondern auch um nicht weniger als einhunderundvierzig tausend Francs überschritten ward.

Mit diesem Vermögen kehrte er nach Paris zurück und begann wieder seine Experimente, während die königliche Commission die ihren fortsetzte. Seine bewundernden Schüler, dir ihn für seinen Unterricht so freigebig bezahlt hatten, breiteten seinen Ruf im ganzen Lande aus und gründeten in allen größern Städten Frankreichs „Harmoniegesellschaften“ zur Anstellung von Experimenten und Heilung aller Krankheiten vermittelst des Magnetismus. Einige dieser Gesellschaften waren ein Scandal für die Moralität, denn es schlossen sich ihnen Lüstlinge an, die ein unnatürliches widerliches Vergnügen daran fanden, junge Mädchen in Convulsionen zu sehen. Viele der angeblichen Magnetiseure waren notorische Wollüstlinge, welche diese Gelegenheit benutzten, um ihre Leidenschaften zu befriedigen.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Zur Erwiderung.[1] Was Herr Frommann mit den „Insinuationen“, die er mir insinuirt, will, ist mir nicht recht klar. In meinem Aufsatz habe ich ja selbst alles das, was er mir in scheinbar berichtigender Weise entgegenhält, hinreichend deutlich ausgesprochen. Daß Günther bei den Anordnungen zu Schiller’s Beerdigung „Standesrücksichten“ genommen hat, ist gar keine Frage, denn er ließ Schillern „mit der ganzen Schule erster Classe“ in dem für vernehme Leichen bestimmten Cassengewölbe beisetzen. Ich sehe jedoch darin durchaus keinen Vorwurf gegen G., der ja unter den vorliegenden, von mir ausführlich dargestellten Verhältnissen nicht mehr thun konnte. Günther’s sehr ehrenwerther Charakter ist mir aus den Mittheilungen meiner Eltern, die viele Jahre in freundlichem Verhältniß zu G. standen, recht wohl bekannt. Doch muß ich wiederholen, daß mein Vater nur mit sehr großer Mühe von G. die Erlaubniß auswirkte, an Stelle der Handwerke, mit seinen Freunden die Leiche Schiller’s zu Grabe tragen zu dürfen.

Wenn Herr F. sagt: das ganze „Gerede“ (über die Beisetzung Schiller’s in das Cassengewölbe?) taucht nicht zum ersten Male auf, so mache ich ihm bemerklich, daß der Ausdruck „Gerede“ sich wohl eignet, wenn man damit ein vermuthungsweises Hin- und Hersprechen über nicht gehörig festgestellte Thatsachen bezeichnen will. Meine Darstellung der Vorgänge bei Schiller’s Beerdigung etc. ist aber eine historisch durchaus getreue, von deren Richtigkeit ich mir kein Jota abstreiten lasse, Herr F. müßte mir denn eine mit gehörigen Beweisen unterstützte Widerlegung bringen, was ihm wohl nicht möglich sein durfte. Das Compliment „Gerede“ gebe ich daher höflichst zurück.

Zur Ausführung der Idee, Schiller’s Ueberreste in dem zu schaffenden „Schillershain“ in einer Familiengruft dereinst beizusetzen, ist nie, sei es auch aus den triftigsten Gründen, das Mindeste geschehen. Fest steht aber die Thatsache, daß die „heiligen Reste“, wie sie Goethe voll Pietät nennt, einundzwanzig Jahre lang in dem wilden Durcheinander verwesender Sargtrümmer und menschlicher Gebeine lagen, und der spurlosen Vernichtung entgegen gingen, ohne daß sich (bis zum März 1826) ein Mensch um sie bekümmert hätte.

Schließlich bitte ich Herrn F., zu berücksichtigen, daß bei der Darstellung von Vorgängen, welche der Geschichte angehören, die Wahrheit, und zwar die volle, ungeschminkte Wahrheit, allen andern Rücksichten voransteht.

Dr. Schwabe.




Auch eine Propaganda. Nach einer Mittheilung, die uns aus authentischer Quelle zugeht, hat die Brittische Bibelgesellschaft im Laufe dieses Jahres an 60,000, sage sechszigtausend protestantische Bibeln mehr als gewöhnlich in Böhmen, Mähren, Ungarn und den übrigen österreichisch-katholischen Ländern zu vertreiben gewußt. Wie hoch mag sich da die Summe der sämmtlichen Versendungen belaufen? Wie wir hören, benutzte sie besonders die Zeit des italienischen Krieges, um diese fabelhafte Massen nach den verschiedenen Provinzen zu werfen.




Friedrich Gerstäcker hat sein von uns bereits beim vorigen Weihnachtsfest angezeigtes Bildungswerk: „Die Welt im Kleinen für die kleine Welt“ fortgesetzt und vor einigen Wochen wieder zwei Bändchen erscheinen lassen, wovon das eine „Südamerika“, das andere „Polynesien und Australien“ umfaßt. Die Vorzüge Gerstäckers, das Instructive mit dem Angenehmen und Unterhaltenden zu vereinen, finden wir auch in diesen beiden Bändchen wieder.




Gleich den früheren Jahren sind auch für den Jahrgang 1859 höchst

geschmackvolle Decken mit Golddruck

nach eigens dazu angefertigter Zeichnung zum Einbinden durch uns zu beziehen. Alle Buchhandlungen sind in den Stand gesetzt, dieselben zu dem billigen Preise von à 13 Rgr. zu liefern. Zu den Jahrgängen 1854 bis 1858 stehen ebenfalls Decken zu den gleichen Bedingungen zu Diensten.

Die Verlagshandlung.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_756.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)