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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Der Tandelmarkt in Wien.

oder mit grünlicher Hautfarbe, wie im Vollmondschein; Oelgemälde, schauerliche Carricaturen auf harmlose Bäume und Wolken darstellend; Schlachten von zwölf Mann Infanterie und drei Cavalleristen, nebst einigen unsichtbaren Reserven im Pulverdampf, geschlagen, und wieder antike heilige Männer, meist etwas kahlköpfig, aber mit starkem Bartwuchs, ganz im Gegensatz zu unsern jetzigen Heiligen, die stets glatt rasirt erscheinen – dann Pelze und Damenmüffe, zerknüllte Damenhüte und steife Reisekoffer, welche ihren Pappendeckelcharakter unter einer dünnen Decke von Schafleder zu verbergen suchen und sich so für „Rindslederne“ ausgeben. Kurz von Allem, was der Mensch an und um sich braucht, kann er hier finden, nur Lebensmittel nicht. Zwei Sachen gibt es noch, die man noch nie auf dem Tandelmarkt sah: dies sind Pianofortes und feuerfeste Geldschränke.

Wer nun die düsteren Straßen dieser Stadt in der Absicht durchwandelt, einen billigen Einkauf zu machen, der wird sich sehr getäuscht finden. Das Princip der Wiener Tandler ist, spottwohlfeil einzukaufen und so theuer als möglich wieder zu verkaufen. Um dies durchführen zu können, haben sie unter sich Genossenschaften gebildet, die in dominirender Anzahl bei allen Auctionen erscheinen und es dem Privatmann geradezu unmöglich machen, dort etwas zu kaufen. So wie es ein Fremder sich beifallen läßt, einen Gegenstand ersteigern zu wollen, wird er von den Tandlern über den Werth hinaufgetrieben, während von der Genossenschaft zu Spottpreisen erstanden wird.

Nach einer solchen Auction versammeln sich die Verschwornen in einem Wirthshaus, wo die Theilung der Sachen vor sich geht, und wo von der beim Einkauf vorhandenen Einigkeit keine Spur mehr zu finden ist.

Ein anderes Manöver der Wiener Tandler ist folgendes.

Da, besonders zur Wintersaison, viele Fremde nach Wien kommen, und sich dort ein halbes Jahr einrichten, so haben die Tandler ihre Agenten, welche große Wohnungen ausspüren, die, von ihren Bewohnern verlassen, noch fünf bis sechs Tage leer stehen. Solche Quartiere werden dann auf die paar Tage gemiethet, von den verschiedenen Tandlern vollkommen ausmöblirt, mit Spiegeln, Bildern, Teppichen, Vorhängen, Eß- und Trinkgeschirr versehen, und dann überall eine Auction wegen schleuniger Abreise angekündigt. Hier treten die Tandler niemals als Käufer auf, sondern bilden blos „Publicum“ und helfen ein wenig die Preise in die Höhe bringen. Die mit diesem Treiben unbekannten Fremden werden natürlich schrecklich angeführt, denn sie glauben, die Möbeln einer soliden Haushaltung zu erstehen, und können sehr froh sein, wenn sich die Roßhaarpolster noch mit Kalbshaar gestopft ausweisen, und nicht Heu und Stroh zu Tage kommt, wenn nach einigen Monaten die Stühle und Sophas das Zeitliche segnen, und „alle Viere“ von sich strecken. Der Tandlerunfug hatte übrigens in der letzten Zeit so überhand genommen, daß eine Polizeiverordnung dagegen erschien, welche bei strenger Ahndung die Genossenschaften verbot. Ob mit Erfolg, ist unbekannt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 769. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_769.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2023)