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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Ja, wenn man das könnt’,“ erwiderte Rosel und verbarg die Thräne nicht, die sie sich aus dem Auge wischte. „Aber die Lieb’ ist nicht wie ein Gemüspflanzl, das allemal wieder anwurzelt, wenn man’s versetzt … wenn die einmal ausg’rissen ist, dann gehn die Wurzeln ein und verdorren für alle Zeit …“

„Und ist das Pflanzl ganz ausg’rissen in Dein’ Herz’? Und kann’s net wieder Wurzeln treiben?“

Rosel weinte, aber sie schüttelte heftig und bestimmt den Kopf.

Hans gerieth in immer heftigere Aufregung. „Rosel,“ rief er und seine Stimme zitterte fieberhaft, „sag’ nicht, daß es so ist! Sag’s nicht, und wenn’s Dir selber nit so um’s Herz wär’! Lug’ mich lieber an – es ist der einzige Strohhalm, an den ich mich noch halt’, ….. Rosel, ich geh’ zu Grund’ an Leib’ und Seel’, wenn Du Dich nicht um mich erbarmst ….“

„Sprich nit so,“ entgegnete sie weinend, „so arg wird Dich der liebe Gott nicht verlassen! Ich merk’ freilich wohl, daß bei Dir nit Alles ist, wie’s sein soll, aber wie soll ich Dir helfen können? …“

Sie wollte noch mehr hinzufügen, aber die Musik regte sich, die Tanzlustigen näherten sich wieder und scheuchten das Paar auseinander. Rosel drückte sich seitwärts in die Ecke, Hans verschwand nach der andern Seite. Beides aber konnte nicht so schnell geschehen, daß es nicht von dem zuerst eintretenden Tänzer-Paare bemerkt worden wäre.

Dieses Paar war ein ungewöhnliches und sehr ansehnliches, denn die Tänzerin war niemand anders als die schöne Huberin, der Tänzer aber der große kahlköpfige Gerichtsdiener. Die Bäuerin war eben ganz stattlich angefahren gekommen, und der galante Mann, seit Kurzem Wittwer, hatte ihr sogleich beim Aussteigen die Ehre angethan, sich ihre Hand auf einen Ländler zu erbitten. War es ihr auch nicht sehr angenehm, so mußte sie es doch als eine Auszeichnung ansehen, denn der Herr Kriegelsteiner war, was man gewöhnlich einen gemachten Mann nennt, reich, und als die rechte Hand des Landrichters von nicht geringem Ansehen. Er war in der Seele vergnügt, daß er der Erste war, der mit der schönen Frau zum Tanze ging; stolz schritt er mit ihr am Arme dahin, mit der andern Hand den Schnurrbart drehend oder über den kahlen Kopf streichend, als wenn es ihm dort zu heiß würde. Er sprach eifrig mit ihr und ließ dazwischen jenen grunzenden Ton hören, der ihm statt des Lachens diente. Nicht so gut gelaunt war die Bäuerin; sie war wortkarg und als sie vollends das gestörte Pärchen bemerkt hatte, ließ sie sich jedes Wort abnöthigen und klemmte unmuthig die Unterlippe zwischen die Zähne.

Als sie einen Ring umgetanzt hatten und wieder in der Reihe anstanden, begann sie gleichwohl selbst das Gespräch. „Ich muß immer lachen,“ sagte sie, „wenn ich daran denk’, wie vorhin die Zwei auseinander gefahren sind. Die haben wir in der besten Unterhaltung gestört!“

Herr Kriegelsteiner grunzte. „Ich weiß doch nicht,“ sagte er dann, „ob die Zwei sich gerade gut mit einander unterhalten haben. Kanntet Ihr sie denn nicht? Der Bursche war ja Euer Oberknecht Hans ....“

„So?“ sagte die Bäuerin mit erkünstelter Gleichgültigkeit. „Ich habe so genau gar nicht hingeschaut … Und wer war denn das Mädel? Hab’ ich doch nie davon gehört, daß der Hans eine Bekanntschaft hat …“

„Er hat auch keine mehr,“ erwiderte der Gerichtsdiener. „Das Mädel war die Blumhuber-Rosel, die beim Brandl als Unterdirn’ dient. Ihr kennt sie wohl, die Leut’ reden jetzt viel von ihr, denn sie hat ja heut’ Nacht beim Einbruch auf dem Brandlgut mit dem rothen Hannickel gerauft und hat ihn versprengt …“

Die Bäuerin bemeisterte nur mit Mühe die zornig wilde Bewegung, die in ihr aufloderte. „Die Blumhuber-Rosel?“ fragte sie dann mit kaum merklich bebender Stimme. „Ich hab’ sie früher gekannt, aber sie hat sich stark verändert. Wenn ich gewußt hätt’, was sie für eine merkwürdige Person ist, hätt’ ich sie schon besser angeschaut.“

„Die war’s,“ entgegnete der Gerichtsdiener, „sie hat den Hans zum Schatz gehabt, aber seit ein paar Jahren ist’s aus damit. Sie sind seitdem an einander vorbeigegangen, als wenn sie sich gar nicht kennten, und werden heut’ wohl noch eine übrig gebliebene Heimlichkeit von dazumal auszumachen gehabt haben.“

Die schöne Bäuerin biß sich fast die Lippe wund. „Wie Ihr nur das Alles so wißt!“ sagte sie mit gezwungenem Lachen.

„O,“ entgegnete er selbstzufrieden, indem er wieder zum Tanze mit ihr antrat, „ein Gerichtsdiener muß Alles wissen! Man weiß nie, ob man es nicht einmal brauchen kann!“

Der Tanz ging bald zu Ende, und Herr Kriegelsteiner führte seine Partnerin mit der Miene eines siegreichen Feldherrn an den Platz, wo sie von ihrem Manne erwartet wurde, der in der kurzen Zeit schon so viel und so schnell getrunken hatte, daß seine ausdruckslosen Augen noch starrer, und glanzloser geworden waren. Der galante Tänzer benutzte den Weg, um noch einige Schmeicheleien und halbverdeckte Liebeserklärungen anzubringen, die ihm längst auf der Zunge gebrannt hatten.

„Ihr solltet mir das nicht anthun,“ sagte die Bäuerin, deren steigender Unmuth nach einem Auswege suchte. „Solches Gered’ ist eine Beleidigung für eine ordentliche, ehrbare Frau!“

„Ach, warum seid Ihr eine Frau!“ jammerte der Gerichtsdiener. „Warum seid Ihr nicht auch frei und ungebunden, wie ich! Ich ließe nicht nach, bis wir ein Paar wären!“

„Mein Mann,“ sagte die Bäuerin in rückhaltslos spitzem Tone, „mein Mann ist ein guter Lapp, dem ich ein recht langes Leben wünsche. Und wenn ich auch Wittib wär, thät’s doch mit uns Zwei nichts werden, mein’ ich. Ihr taugt nicht zu einem Bauern, und in’s Amthaus zu den Schergen und Spitzbuben ging’ ich nicht – dazu steht der Huberin die Nase zu hoch!“

Damit wendete sie sich ab und ließ den Verblüfften stehen, der dann hastig davon eilte, wilde Flüche vor sich hinmurmelnd.

„Huber,“ sagte die Bäuerin zu ihrem Manne, „mir ist nicht recht wohlauf, ich will heim.“

Der halbtrunkene Bauer richtete sich ungeschlacht auf und wollte eine rauhe Ablehnung vorbringen. Wie er aber den Mund öffnete, begegnete sein Blick dem fest auf ihn gerichteten seines Weibes, und er verstummte. Wie gebannt von diesen unheimlich funkelnden Augen stund er vollends auf und wankte dem Wägelchen zu, das auf der Straße von einem Knechte mit den Pferden gehalten wurde. Er war willenlos, wie man von den kleinen Thierchen erzählt, welche eine große Schlange so lange mit den giftigen Augen anstiert, bis sie sich ihr selbst in den aufgesperrten Rachen stürzen. Die Umstehenden merkten es wohl, stießen einander auch mit den Ellbogen an und brummten, „die Huberin habe ihren Mann gut gezogen und führe ein strenges Commando –“ man gab ihr aber nicht Unrecht, denn bei dem Halbsimpel und Bruder Saufaus mochte das wohl nothwendig sein.

Die Bäuerin dagegen schritt mit freundlichem Grüßen an den Leuten vorüber und trat eben an den Wagen, als auch Rosel die Einfahrt herabkam, um ihre unterbrochene Wanderung fortzusetzen. Sie sah nicht links noch rechts und wollte unbeachtet vorüberschlüpfen, aber die Bäuerin rief sie schon auf dem Wagen sitzend an.

„Wie, Rosel!“ sagte sie, „ist das auch recht, daß man an den alten Bekannten so vorbeigeht, als wenn man sie sein Lebtag nicht gesehen hätt’?“

Rosel blieb stehen. „Ich hab’ nicht geglaubt, Huberbäuerin, daß Du noch an die Zeit denkst, wo wir nebeneinander Dienstboten g’wesen sind. Aber es freut mich, daß Du nicht hoffärtig bist, und so sag’ ich Dir von Herzen: grüß’ Gott!“

Sie reichte die Hand hin, in welche die Bäuerin hastig einschlug und sie derb schüttelte. „Warum sollt’ ich hoffärtig sein!“ lachte sie, „aber Du kannst leicht stolz werden, weil Du so ein Heldenstück aufgeführt hast mit dem rothen Hannickel. Du mußt mich einmal heimsuchen und mußt mir das Alles auf’s Haar erzählen, was er gethan und geredt hat und wie er ausschaut! Möchtest wohl nicht in Dienst zu mir? So resolute kräftige Leut’ kann ich brauchen!“

„Ich hab’ keine Klag beim Brandl,“ sagte Rosel, „die alten Leut sind an mich gewöhnt, ich möcht’s ihnen nit anthun, daß ich wegging’!“

„Dann mußt Du mich so einmal besuchen und in Heimgarten zu mir kommmen; ich mein’ wir hätten allerhand zu plaudern mit einander,“ erwiderte die Bäuerin, indem sie das Mädel mit einem eigenthümlich lauernden Blicke maß. „Du siehst nicht darnach aus, man sollt’s nicht meinen, daß Du so stark bist …“

„Es ist auch nicht so fürchterlich mit der Stärk’,“ lachte Rosel, „aber die Noth gibt halt Kräften. Ich will schon sehen, wann ich einmal frei hab’, daß ich Dich heimsuchen kann.“

Während des Gesprächs waren die muthigen Pferde immer unruhiger geworden, daß der Bauer sie kaum zu bändigen vermocht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_047.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)