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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Blätter aus einem diätetischen Recept-Taschenbuche.
Diätetisches Recept bei Magenleiden.

Der Magen verlangt, als das wichtigste Organ der Verdauung (s. Gartenlaube 1853, Nr. 22), durch welche unserm ganzen Körper neues Ernährungs-, also Lebens-Material zugeführt wird, eine sehr sorgsame Pflege (s. Gartenlaube 1855, Nr. 31). Störungen seines Wohlbefindens, – besonders durch unzweckmäßiges Verhalten (zumal bei schwachem Magen) in Bezug auf Speise, Trank und Medicin, sowie in Folge von Zusammendrücken desselben durch Kleidung und Krummsitzen, – wenn sie auch nicht immer sofort und bedeutende Beschwerden veranlassen, ziehen aber doch, sobald sie sich öfters wiederholen, ganz unheilbare, sehr beschwerliche und das Allgemeinbefinden bedeutend störende Magenübel nach sich. Die Folgen langdauernder Magenleiden zeigen sich dann auch am Aeußern des Körpers als Abzehrung, Mattigkeit, Bleich- oder Fahlsehen des Kranken.

Magenbeschwerden, die entweder beim vollen oder leeren Magen, gleich oder erst einige Zeit nach dem Essen, nach dieser oder jener Speise wahrgenommen werden können, sind: Gefühl von Vollsein oder Leere, von Drücken, Brennen, Stechen oder von heftigern, krampfenden Schmerzen (Magenkrampf) in der Herz- (oder richtiger: Magen-) Grube; Auftreibung und Gespanntsein, sowie Empfindlichsein beim Eindrücken der obern Bauchgegend; Störung der Eßlust, Appetitlosigkeit, Heißhunger, Neigung zum Ekel und Brechen, Aufstoßen, Schlucksen, Sodbrennen, Erbrechen. Durch letzteres kann das Genossene halb oder noch gar nicht verdaut, es kann Schleim, Galle oder Blut entleert werden. Ob dabei die Zunge belegt ist und wie, darauf kommt gar nichts an.

Diese Magenbeschwerden, die sehr verschiedenartigen Magenübeln zukommen und bei ein und demselben Uebel bei verschiedenen Personen von ganz verschiedener Beschaffenheit sein können, treten nun aber auch nicht selten ohne ein besonderes Magenleiden auf, wie z. B. bei Affectionen der Magennerven und des Gehirns (Migräne), bei Blutstauungen am Magen in Folge von Leber-, Herz- oder Lungenleiden, sogar bei bloßer Blutarmuth (Bleichsucht) und Gemüthsstörung. Kommen sie plötzlich und in sehr heftigem Grade zum Vorschein, dann muß stets sofort an eine Vergiftung und an einen Bruchschaden, in manchen Fällen auch an Schwangerschaft gedacht werden. Sind sie nun aber allmählich entstanden, langsam gewachsen und schon einige Zeit vorhanden, ist sonach ein Magenleiden (welcher Art, ist ganz egal) zu vermuthen, dann beobachte man Folgendes

Rec. Gehöriger Raum 1) für die Ausdehnung und Bewegung des Magens, zumal bei und nach dem Essen.
Warmhalten des Magens 2) von außen und innen.
Kleinere Portionen 3) von Speisen auf einmal.
Leichtverdauliche 4) flüssige oder breiige Kost.
Reizlose 5) Nahrungs-, Genuß- und Arzneimittel.
S. Diese Magendiät muß streng und längere Zeit consequent befolgt werden, zumal wenn der Magen schon länger krankt.

Ad 1) Beengung des Magens, wodurch seine Ausdehnung und Bewegung gestört wird, kommt am häufigsten durch enge Kleidungsstücke zu Stande. Beim weiblichen Geschlechte, was dafür aber auch weit häufiger als das männliche an Magenbeschwerden leidet, sind es hauptsächlich die Unterrocksbänder, sowie das Schnürleib, welche den Magen nebst der Leber maltraitiren. Sodann übt aber auch das Gebücktsitzen, zumal gleich nach dem Essen und wenn es anhaltend stattfindet, einen hindernden Druck auf den Magen aus. – Also sorge man für gehörig lockere Bekleidung der Magengegend und für möglichst aufrechtes Sitzen.

Ad 2) Wärme thut dem leidenden Magen fast immer gut; nur bei starkem Blutbrechen muß Kälte (sogar Eis) innerlich und äußerlich angewendet werden. Zur Erwärmung des Innern des Magens reicht einfaches warmes (nicht laues) Wasser aus, was in nicht zu großen Portionen, aber öfters getrunken werden muß. Aeußerlich dient zum Warmhalten der Magengegend eine Leibbinde oder ein Magenpflaster; bisweilen ist’s aber auch von Vortheil, höhere Wärmegrade auf die Magengrube mittels warmer Umschläge (von Hafergrütze oder Leinsamen) oder warmer Steine, Tücher und Flaschen anzuwenden.

Ad 3) Der leidende Magen darf durch größere Massen von Nahrungsmitteln nicht belästigt werden. Deshalb sind nur kleinere Portionen von Nahrungsstoffen auf einmal zu genießen, jedoch, um die Ernährung des Körpers aufrecht zu erhalten, zu öfteren Malen. Gänzliches Entziehen der Nahrung macht natürlich den Körper blutarm, matt und mager.

Ad 4) Die Nahrung muß eine sehr leicht verdauliche sein, zumal diejenige Nahrung, welche vorzugsweise vom Magen verdaut wird, nämlich die eiweißstoffige, wie: Fleisch, Eiweiß, Käse, die kleberhaltigen Getreidesamen und Hülsenfrüchte. Am leichtesten zu verdauen ist diese Nahrung aber, wenn sie in flüssiger oder dünnbreiiger Form und nicht mit zu viel Fett gemischt, genossen wird; deshalb ist kräftige, niäßig fette Fleischbrühe (schleimige Suppen, Saucen), sowie weiches Ei am allermeisten zu empfehlen. Milch, weil der Käsestoff derselben im Magen gerinnt, wird schon weniger gut vertragen und darf niemals in größerer Quantität auf einmal, am besten etwas verdünnt, getrunken werden. Fleisch (aller Art, aber recht gut und weich gekocht oder gebraten, ja nicht gepökelt und geräuchert) ist nur dann unschädlich, wenn es sehr klein zerschnitten und sehr lange, bis zur Breiform zerkaut wird. Ueberhaupt muß alles Feste, was genossen wird, durch tüchtiges Zerkauen im Munde schon butterweich gemacht werden. Fern vom kranken Magen bleibe: Schwarzbrod, hartes Ei, Kartoffeln, Salat und jedes Gemüse, Käse, Schinken und Gepökeltes, Wurst, fetter und harter Fisch, fettes Backwerk, Eingemachtes und Obst.

Ad 5) Mit reizenden Stoffen ist der Magen ängstlich zu verschonen. Es ist deshalb vorzugsweise zu warnen: vor kaltem Trunke (verschlagenes Bier und Wasser ist erlaubt), scharfem Gewürze (besonders Pfeffer und Senf), starken spirituösen Getränken und Säuren. Da beim Cigarrenrauchen sich der Speichel mit scharfer Cigarrensauce mischen und verschluckt werden kann, so ist das Rauchen auszusetzen oder vermag der Patient dies nicht, so muß es mittels einer Pfeife oder Cigarrenspitze geschehen. Arzneistoffe sollten eigentlich aus dem kranken Magen ganz und gar verbannt sein.


Die homöopathische Heilkünstelei besitzt natürlich, wie bei jedem Uebel, auch gegen die Magenübel eine Menge der ausgezeichnetsten Heilmittel d. h. nichtsnutzige Nichtse. So empfiehlt z. B. Herr Dr. Clotar Müller in seinem homöopathischen Haus- und Familienarzte bei Magenschwäche (Katarrh): Nux vomica (bei Wein- und Kaffeetrinkern, Stubensitzern, mürrischer, zänkischer Laune), Phosphor (bei leerem, versagenden Aufstoßen, Aufschwulken), Pulsatilla (besonders nach Magenverderbniß mit fetten und blähenden Speisen), Bryonia (bei gelblich belegter Zunge oder Bläschen an derselben), Schwefelleber (bei Verlangen nach Saurem und Pikantem und bei häufiger Magenverderbniß trotz regelmäßiger Diät), Calcarea (bei Widerwillen gegen Fleisch und gekochte Speisen, Heißhunger), Brechweinstein (bei Aufschwulken saurer oder scharfer Flüssigkeit, bei leerem oder garstigem Aufstoßen), China (bei fortwährendem Gefühl von Sattsein, Verlangen auf Saures und Herzhaftes, Verlangen zu Liegen nach jedem Essen, Verdrießlichkeit), Ipecacuanha (bei Ekel gegen alle Speisen und gegen Tabakrauchen, bei reiner Zunge trotz Uebelkeit), Chamomilla (bei fortwährend bitterm Mundgeschmack). – Bei Magenverderbniß kommt’s bei der Wahl des Heilmittels darauf an, was den Magen verdorben hat. Bei Verderbniß durch Ueberladung mit Speisen ist das Hauptmittel Ipecacuanha; durch übermäßiges Trinken (Katzenjammer): Nux und später Kohle; durch fette Speisen: Pulsatilla und Arsen; durch Süßigkeiten: Aconit; durch Salziges: Kohle; durch Saures: Aconit oder Arsen; durch Blähendes (Kohl, Kraut): Bryonia; durch Obst: Pulsatilla, China; durch Gegohrnes und Fauliges: China; durch Kaltes und Eis: Arsen oder Pulsatilla; durch Wasser: Cocculus, China, Eisen; durch Milch: Nux, Bryonia oder Calcarea; durch Bier: Bellad., Arsen oder Eisen; durch Branntwein: Nux, Bellad., Opium; durch Wein: Nux, Kohle; durch Kaffee: Nux, Chamomilla; durch Thee: Coflea oder China; durch Tabak: Nux, Cocculus, Veratrum. –

Eine eben so nette Auswahl von Mitteln hat man beim Aufstoßen, wo es sich darum handelt, ob dieses bitter, sauer, faulig, gewaltsam, laut u. s. w. Ferner beim Erbrechen: von Speisen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_103.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)