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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Ein arabisches Kaffeehaus ist freilich ein ander Ding, als ein europäisches. Ihm fehlt der äußere Glanz, der unnütze Schmuck, welcher die unsrigen kennzeichnet. Sein Werth liegt tiefer. Selbst in den größten Städten darf man sich unter einem Kaffeehause nur einen höchst einfachen Raum denken, mit dessen Ausschmuck keineswegs Luxus getrieben worden ist. In den besuchtesten Straßen Kairos sieht man es einem Kaffeehanse nur durch die vor demselben stehenden, höchst einfachen, aus Palmenblattstielen zusammengebauten Sitzbänke an, daß es ein Kaffeehaus ist, und das Innere desselben ist nichts mehr und nichts weniger als eine einfache Halle, in deren Ecke der Heerd sich befindet und um welche rings herum breite, selten mit Polstern belegte Steinbänke laufen. Ein Springbrunnen in der Mitte des Hauptraumes, geweißte Wände, geschnitzte Fenster oder gar jene tropfsteinähnlichen Gypsgehänge, die sich zu wunderlichen Kuppeln an der Decke wölben, sind sehr seltne Ausnahmen. Sehr häufig ist das Kaffeehaus eine Hütte, so erbärmlich, so zerfallen, daß man kaum wagt, sie zu betreten; nicht selten ist es weiter nichts, als ein Heerd, um welchen Bänke stehen, unbegrenzt von Wänden oder Mauern und überdacht vom blauen Himmel allein. Aber Dem mag sein, wie ihm wolle: sein Werth beruht nicht auf äußerem Schein, sondern liegt tiefer. Der Morgenländer findet Das im Kaffeehause, was er sucht, nämlich Erholung und Erquickung für Leib und Seele; vor Allem aber findet er wirklichen, unverfälschten Kaffee, der mit dem Schandgebräu, welches uns unter demselben Namen in deutschen Kaffeehäusern vorgesetzt wird, auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit hat. Ich glaube, daß es mancher Leserin, selbst einer solchen, die die Bohnen zu den Tassen gewissenhaft abzählt, lieb sein dürfte, wenn ich hier mit ein paar Worten zu beschreiben versuche, wie wirklicher Kaffee bereitet wird; denn – zu meiner großen Schande sei es gesagt – ich bin durch meine Reisen im Morgenlande ein so großer Barbar geworden, daß ich das deutsche Gebräu noch immer nicht als Kaffee anerkennen kann. Kaffee wird bereitet aus den besten Bohnen, in den vornehmeren Kaffeehäusern aus denen, welche in der Gegend von Mocha gewachsen sind. Niemals werden mehr Bohnen gebrannt, als den Tag über verbraucht werden sollen. Die gebrannten Bohnen werden nicht gemahlen, sondern zu dem feinsten Pulver gestoßen, welches durch die engsten Maschen eines Haarsiebes hindurch gehen kann. Von diesem Pulver rechnet man auf eine unserer Tassen fünf gehäufte Theelöffel! Wenn man nun zu kochen versteht wie ein arabischer Kaffeebereiter, erhält man sicherlich ein gutes Getränk.

Wie aber bereitet der Araber diesen Kaffee? Treten wir ein in ein Kaffeehaus, um Dies zu erfahren. Am Heerde steht der Wirth, jedes Winkes seiner Gäste gewärtig. Große, blankgeputzte Kupferkannen stehen vor ihm über dem Feuer. In ihnen siedet das Wasser, welches der Mann verwenden will. Auf Bänken und Matten, die über dem Boden gebreitet sind, sitzen und kauern die Gäste, die einen spielen Schach, die andern schwatzen vertraulich; wieder andere vergnügen sich einzig und allein mit dem langen Tschibuk oder schlürfen den geläuterten Rauch der Tschische oder Wasserpfeife, welche oft nur aus einer ausgehöhlten Kokusnuß mit Mundstück und Kopfaufsatz besteht.

„Friede sei mit Euch!“

„Mit Dir sei der Friede des Allbarmherzigen; sei willkommen, Fremder, nimm vorlieb!“

Der Ehrenplatz wird leer, und wir säumen nicht, auch dieses Zeichen der Gastfreundschaft dankbarlichst anzuerkennen.

„Eine Tafle Kaffee!“

„Bei meinem Kopf und bei meinen Augen, Herr, sogleich.“

Und augenblicklich nimmt der Mann von den vielen langgestielten, Kupferkännchen, welche von 1/5 bis zu 2 Tassen unseres Maßes fassen dürften, dasjenige, welches genau so viel Wasser aufnehmen kann, als er zu dem Kaffee nöthig hat, den wir bedürfen, füllt es mit dem bereits kochenden Wasser an und schiebt es in die glühenden Kohlen, ohne den langen Stiel aus seiner Hand zu lassen. Einen Augenblick später siedet das in ihm enthaltene Wasser, und der „Khahwedji“ thut nun die nöthige Anzahl gehäufter Löffel des Pulvers in das Kännchen, rührt das Pulver gehörig um, bringt es wieder auf das Feuer, läßt es noch einmal aufkochen, nimmt die nöthige Anzahl jener kleinen Täßchen, geht auf uns zu, reicht Jedem von uns ein Täßchen und füllt es mit dem schäumenden duftigen Getränke, in welchem das feine Pulver sich gleichsam aufgelöst hat. Der Trank ist bitter, aber so köstlich, wie er nur immer fein kann, und wer einmal in seinem Leben solchen Kaffee getrunken hat, dem widersteht der unsrige für immer. Das kann ich versichern, obgleich ich nicht umhin gekonnt habe, mit saurer Miene schon manche Tasse schlechten Kaffee zu loben.

Auf den Kaffee folgt die Pfeife. Den Tschibuk führt der Morgenländer, oder vielmehr sein Diener, bei sich, die Tschische besitzt der Wirth in hinreichender Anzahl. Er versteht sich auch meisterhaft darauf, den in ihr zu verwendenden Tabak zu reinigen, einzuweichen und die feucht Masse dann in Brand zu setzen, und bringt das Geräth uns eigenhändig, das Mundstück, welches eben an seinen Lippen hing, mit der harmlosesten Miene von der Welt an seiner Hand oder seinem Rockärmel abwischend, um es uns appetitlich zu machen. Das Knattern und „Quallern“ unserer Tschische verstärkt nur die gemüthliche Rauchmusik, welche in dem Kaffeehause herrscht; niemals entwickelt sich ein so unerträglicher Qualm, wie wir ihn in unseren Kaffeehäusern zu ertragen gewöhnt sind: der wohlduftige Rauch, welcher aus dem Kopfe des Tschibuk’s oder der Tschische aufsteigt, schwimmt vielmehr in leichten Wölkchen durch die offenen Fenster in die Straße hinein und würde auch, wenn er das Zimmer erfüllte, nimmermehr zugleich jenen unerträglichen Gestank unserer Cigarren mit sich bringen. Da lernt man sich wohlfühlen in kurzer Zeit und empfindet bald eine Behaglichkeit, welche mit Nichts verglichen werden kann.

Gewöhnlich geht es ziemlich still her im Kaffeehause. Es bilden sich bestimmte Gruppen, und Jeder spricht in der ruhigernsten Weise der Morgenländer, ohne viel Geräusch und Lärm zu verursachen. Zudringliche Hausirer oder arme Bettler treten selten in das Innere ein, um die Gäste zu behelligen, und selbst diese sind ziemlich schweigsam. Allein es gibt schon Zeiten, wo das Kaffeehaus ein anderen Leben gewinnt. Das ist vorzüglich im Fastenmonate Ramadtahn, in welchem der Gläubige die Nacht zum Tage macht, ohne doch den Tag in Nacht umwandeln zu können, wie er es gern thun möchte. Sein Gesetz gebietet ihm, zu fasten, von dem Augenblicke an, wo der erste Rand der Sonnenscheibe über den Gesichtskreis sich erhob, bis zu dem, an welchem der letzte im Sande der westlichen Wüsten versunken ist. Das ist ein schweres Stück Arbeit, und es gehört ein recht gläubiges Gemüth dazu, um die Kasteiung des sterblichen Leichnams nicht allzuschwer zu empfinden! Nun gibt es unter den Mahammedanern, wie unter uns, Strenggläubige, die das starre Wort eben so festhalten, wie unsere Rechtgläubigen: sie versagen sich während des Tages nicht nur das Essen und Trinken, sondern sogar den Genuß des Rauchens; sie halten es für eine Sünde, die Zahnbürste anzuwenden, welche sie sonst immer bei sich führen, oder an einem Halme zu kauen, um hierdurch die Speicheldrüsen zu nöthigen, den vertrockneten Gaumen zu befeuchten.

Wenn sie nun nach der durchschwelgten Nacht, da sie keine geistigen Getränke zu sich nehmen, auch nicht gerade von einem so echt zünftigen, abendländischen Katzenjammer befallen werden, leiden sie doch in ihrer Weise noch mehr als Einer, welcher von jener Plage heimgesucht wird, und sehen auch wirklich so katzenjämmerlich-elend aus, daß den mitfühlenden Menschen – zu welchen ich mich rechne – das Herz in der Brust weh thut. Wenn dann der Abend herannaht, welcher Erlösung bringen soll von der Qual des Tages, da sammelt sich in und vor dem Kaffeehause eine bunte Schaar. Langsam kommen die ehrwürdigen, ihre Gläubigkeit im Gesicht tragenden Gestalten angeschlichen; schwankenden Schrittes bewegen sie sich so schwach und erbärmlich, daß man fürchtet, sie hinfallen zu sehen; mit einem Seufzer lassen sie sich auf eine der Bänke fallen, mit einem Seufzer blicken sie nach oben; seufzend antwortet der Khahwedji, welcher das Feuer zur hellen Gluth anfacht und nur in dem Singen der Kanne über demselben einigen Trost zu schöpfen scheint. Er bereitet Alles vor, für den rechten Augenblick; denn jede Minute ist jetzt kostbar, jede qualvoller, als früher eine Stunde. Aller Augen sind nach dem Minaret gerichtet oder, wenn man dieses nicht sehen kann, nach dem Gesicht Dessen, welcher eine Taschenuhr besitzt.

Lissa ja achui?“ – „noch nicht, mein Bruder?“ – ist die schüchterne Frage eines nicht so Glücklichen, – „lissa!“ – „noch nicht!“ – die bedauernde Antwort. Endlich scheint ein Freudenstrahl über die Gesichter zu gleiten. „Fatal tekitein ja achuana!“ – „es fehlen noch zwei Minuten!“ „El hamdu lallahi!“ „Gott

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_182.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)