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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

vorstand, gelangte er zur Mitregentschaft, dann nach dem Tode seines Bruders Rudolph August zur Regierung des Herzogthums und damit zu der Gelegenheit, sein einnehmendes, galantes Wesen, seinen ungewöhnlichen Scharfsinn, sowie seinen unbegrenzten Ehrgeiz und seine Prachtliebe als Reichsfürst zur Geltung zu bringen.

Braunschweig verdankt der Kunstliebe dieses für seine Zeit fein gebildeten Herrn, neben dem nachherigen Herzog Karl I., dem Gründer des Carolinums und Beförderer der Landes-Universität Helmstedt, alles Schöne, was es an Kunstschätzen besitzt, sein Salzdahlum ward nicht nur der Ort, wo Lustbarkeiten der Art, wie sie jene Zeit gebar, den Hof ergötzten, es ward auch der Platz, der durch seine mit feinem Geschmack zusammengetragenen Kunst-Sammlungen einen großen Ruf erlangte. Diese Wiege der Kunstschätze Braunschweigs, das Lustschloß Salzdahlum, ward neben dem noch vorhandenen gleichnamigen Dorfe, welches einem erst unlängst eingegangenen Salzwerke seinen Namen verdankt und in einer fruchtbaren Niederung, 11/2 Stunde etwa von Braunschweig, etwas näher der damaligen Residenz Wolfenbüttel gelegen ist, errichtet.

Unter des Herzogs persönlicher Leitung führte Herrmann Korb den Bau aus. Dieser geniale Mann hatte sich vom einfachen Tischler in seines Herrn Umgebung zum Landesbaumeister empor gearbeitet, obgleich er nicht einmal eine Zeichnung anzufertigen, sondern seine Ideen und Entwürfe nur in rohen Umrissen mit Kreide anzudeuten verstand. Mit dem Hofmaler und spätern ersten Gallerie-Inspector Tobias Querfurt sandte ihn der Herzog nach Frankreich, dort wurde das elegante „Marly“ zum Muster genommen. Der Bau begann 1694, leider nur, wie auch Herrenhausen, von Holz, denn die sparsamen Braunschweiger begnügten sich, wie der Frankfurter Tourist von Uffenbach sagt – „allein vor sich zu bauen“ – und nicht wie der große Ludwig für die Nachwelt; dennoch war Salzdahlum ein imposanter, schöner Bau.

Durch zwei geräumige Vorhöfe gelangte man zu dem Hauptgebäude, welches in der Mitte und an den Ecken drei, dazwischen aber zwei Stockwerke hoch war, in den Frontispizen befand sich das braunschweigische Wappen, das Dach war reich mit Statuen geziert. Mittels der großen Haupttreppe, deren Wände al fresco gemalt waren, gelangte man in einen Pracht-Saal, der eine auf korinthischen Säulen ruhende Gallerie hatte; zwischen den Säulen standen Statuen von weißem Marmor, die Decke zierten Fresco-Gemälde. Zu jeder Seite dieses Saals lagen sechs große Gemächer, auf das Prächtigste ausgestattet, die Meubel-Ueberzüge, ja selbst die Tapeten, nach damaliger Mode, zumeist von den fürstlichen Damen mit kunstreicher Hand gestickt. Eins dieser Zimmer war dem bewunderten Ludwig besonders gewidmet, es hieß das französische Zimmer, seine Wände waren mit den Portraits des Königs, Mazarins, Richelieus und Anderer geschmückt. Das „Audienz-Gemach“ hatte sogar eine Gobelintapete, dazu der berühmte Lebrun die Zeichnung gemacht hatte. Den Glanzpunkt des Baues bildete die Gallerie. Sie befand sich in einem rechter Hand an die Colonnaden des zweiten Hofes stoßenden Gebäude, und stand durch einen Pavillon und ein Vorgemach, in welchem sich die Relief-Büsten des Herzogs und seiner Gemahlin über dem Kamin befanden, mit dem Schlosse in Verbindung. Die große Gallerie war 200 Fuß lang, 50 breit und 40 hoch; aus dieser gelangte man in eine zweite, 160 Fuß lange, an deren Ende sich das durch ein vergoldetes Gitter abgesperrte Cabinet befand, worin die jetzt auf dem Braunschweiger Museum befindliche berühmte Majolicen-Sammlung aufgestellt war. Damals schon zierte der größte Theil der die Kunstfreunde jetzt auf dem Museum anziehenden Bilder die Wände dieser Gallerien. Der Katalog führt vortreffliche Bilder von L. Cranach, Alb. Dürer, v. Dyck, Correggio, J. Jordaens, Rubens, Rembrandt, H. Holbein, Steen, v. d. Werff, Veronese, Corravagio, Ravenstein, G. Reni etc. etc. an.

In gleicher Linie mit dem Gallerie-Gebäude, linker Hand an der Colonnade, lag die Orangerie. Sie hatte ein schönes Deckengemälde, in Nieschen, der Fensterreihe gegenüber, standen die kolossalen Bildsäulen der zwölf ersten Kaiser, an beiden Enden des Saales befanden sich elegante Balcone, von denen ab man die Aufstellung der 400 Orangenbäume im Winter übersehen konnte.

Im Eckpavillon des linken Flügels lag die Schloßkirche. Zwölf auf einem römischen Hauptgesims stehende Engel trugen die perspektivisch wie eine Kuppel gemalte Decke, deren Gemälde die Ausgießung des heiligen Geistes darstellte. Die Sitze waren von Nußbaumholz, das Pflaster der Kirche von weißem und schwarzem Marmor. Der Kanzel gegenüber befand sich der fürstliche Stuhl, daneben Anton Ulrichs Betcabinet, die ganz vergoldeten Wände mit Schildereien behangen, welche die sieben Worte Christi am Kreuze veranschaulichten; die Inschriften hatte der Gründer aller dieser Herrlichkeiten selbst verfaßt. Ueber dem Betpulte hing das Bild, welches den oft gemalten schönen alten Herrn gar als Petrus glorificirte. Nach der in der Apostelgeschichte enthaltenen Erweckung der Tabea componirt, steht der Herzog am Sterbebette seiner als Tabea dargestellten Gemahlin, um ihn her seine Kinder und Enkel, darunter aber der Vers:

Tabea schlaft, – der Will’ ist da sie aufzuwecken,
Die Zeugen treten auf die Thaten zu entdecken,
Der nimmer müden Hand nur fehlet Petri Macht,
Sonst wäre was hier schläft schon wieder aufgewacht.

In dieser Kirche ward am 12. Juni 1733 der große König von Preußen mit der Braunschweig-Bevernschen Prinzessin Elisabeth Christine copulirt.

Hinter diesen Gebäuden, an die sich noch Wohnungen für Cavaliere, der Marstall, Küchen, auch ein Oekonomiehof schlossen, dehnte sich dann der große, im französischen Geschmack angelegte Garten aus, mit seinen hohen Hecken, schnurgeraden, sonnigen Alleen, Fontainen, Wasserfällen, Grotten etc. Die Haupt-Allee war 800 Fuß lang und zu beiden Seiten mit Statuen der Götter und Helden Roms und Griechenlands besetzt. Bei der spätern Demolirung dieser Anlagen ward die bedeutende Anzahl dieser Figuren der Art verschleudert, daß der größte Theil der Privatgärten um Wolfenbiittel und Braunschweig heute noch, oft in der abenteuerlichsten Zusammenstellung, damit ausgestaltet erscheint. Wenn der Hof in diesem Prachtwege bis zu der den Wasserstrahl fünfzig Fuß hoch werfenden Fontaine seine Staatspromenade hielt, bot derselbe einen imposanten Anblick dar. Zu beiden Seiten befanden sich kleine Seen mit eleganten Gondeln darauf, auch ein aus grünen Hecken gebildetes Theater. Die als Höhepunkte guten Geschmacks und sinnreicher Erfindung von der damaligen Welt angestaunten und gepriesenen Theile des Gartens aber waren „der Parnaß“ und „die Eremitage.“

Ersterer lag, den point de vue vom Schlosse ab bildend, am Ende der großen Allee; anscheinend ein rauher Felsen, barg er aber in seinem Innern elegante, kühle Zimmer, vom Hof in der heißen Jahreszeit besonders gesucht, Wasserfälle stürzten aus dem Felsen hervor und sammelten sich in einem Bassin, in welchem „Latona“ mit ihren Kindern saß, die sie umgebenden Frösche spieen das Wasser abermals als kleine Fontainen in die Höhe. Als Bewohner dieses Berges zeigten sich ferner Apollo, die neun Musen und Minerva, unter ihnen weilte auch die Brunonia, und auf dem Gipfel sprang der vergoldete Pegasus.

Die „Eremitage“ diente einem hölzernen Hieronymus zur Wohnung, der, mit dem Steine in der Hand, um sich wach zu erhalten, in der Kapelle betete, während sein Gesellschafter, der Löwe, aus dem nahen Quell trank. Außer der Kapelle enthielt dieselbe indeß noch einen Saal, dessen Wände mit Scenen aus dem Leben dieses Heiligen al fresco bemalt waren, ein Studirzimmer, Schlafkammer, Küche und einen sorgsam gepflanzten Gemüsegarten, Alles mit einem Comfort ausgestattet, in dessen Genuß der Bewohner hätte sehr angenehm leben können, wenn er nicht von Holz gewesen wäre.

Zu der Aufstellung der schönen Orangerie im Sommer diente der besonders eingehegte, sogenannte „kleine Orangerie-Garten“, mit einem Treibhause, worin man seltene ausländische Gewächse zog. Unter der Regierung Herzog August Wilhelms, Sohnes und Nachfolgers Anton Ulrichs, blühete hier 1720 zum ersten Male eine riesige amerikanische Aloe; die bei dieser Gelegenheit geschlagene Medaille trägt die wohl auf die Kinderlosigkeit August Wilhelms nicht ganz unbezügliche Inschrift:

„Wenn’s auch an Frucht gebricht,
Fehlt’s doch an Blüthen nicht.“

Vielleicht um dem dort herrschenden üppigen Freudenleben ein Gegengewicht zu geben, stiftete Anton Ulrichs fromme Gemahlin, Elisabeth Juliane von Holstein, das Kloster „zur Ehre Gottes“ zu Salzdahlum für zwölf protestantische Jungfrauen, deren Domina eine Adelige sein muß. Seil 1791 ist dies Stift nach Wolfenbüttel verlegt.

Dieses mit so vielem Geschmack ausgestattete Schloß blieb

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_199.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)