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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

scheckigen Pfeifente, den scharfen melancholischen Pfiff des Regenvogels, den schrillen, unheimlichen Schrei des Steinwälzers, das simple Kibit des Kibitzes und das majestätische Frank! – Frank! des hochbeinigen Reihers. – Das ist bekannt und keine ornithologische Philologie, keine Vogelsprachgelehrsamkeit. Aber die Vögel reden von Lust und Schmerz, von Sicherheit und Gefahr, von Hunger und Fülle und halten ihre Parlamente und stimmen ab, wenn es gilt, etwas Gemeinsames zu thun. Nur Wenige verstehen etwas Weniges von dieser Sprache und die Besten nicht mehr, als um eben zu merken, was für Art von Vögeln Töne der Warnung oder der Beruhigung ausstoßen. Doch wird man mit der Zeit auch in dieses Sprachgebiet näher eindringen. Jetzt kennt der gewöhnliche Punter nicht viel mehr, als die Warnungs- und Sicherheitsrufe, z. B. daß die Solan- oder schottische Rothgans nur von steifem „Grog! Grog!“ spricht, wenn sie sich sicher fühlt und auch ihren Colleginnen Vertrauen einflößen will. Der Vogler erfährt damit auch, daß er sicher ist und weiter fortschreiten darf. Aber ein „Birr! Birr!“ der Schildwache trifft ihn wie ein tödtender Blitz. So wie er die Wächterin „birren“ hört, steht oder liegt er wie todt, bis ein tröstendes „Grog! Grog!“ ihm wieder sagt, daß sie sich für sicher halten und wieder schlafen. Der Warnungsruf des Schildwachvogels (die wilden haben immer eine Wache, Nacht und Tag, die so regelmäßig abgelöst wird, wie der Posten an einem preußischen Schilderhaus) durchzuckt immer wie ein galvanischer Ruck in einem Augenblicke die ganze Gesellschaft auch im tiefsten Schlafe. Im Nu sind alle Köpfe in der Luft, alle Ohren horchend, alle Augen blitzschnell in allen Richtungen forschend und prüfend. Bestätigt sich der Warnungsruf nur in einem Auge oder Ohre der Hunderte durch die leiseste Entdeckung einer Gefahr, ist die ganze Gesellschaft sofort auf Flügeln der Flucht, und der Vogler hat das Nachsehen.

Der erfahrene Punter oder Lockteich-Mann versteht so viel von seinen Untergebenen, daß er weiß, wenn diese oder jene Art von Wasser- oder Sumpfvögeln vom Aufbruche, von Ruhe, von Gefahr, von Sicherheit, Liebe, Zorn etc. redet. Vor dem üblichen Aufbruche des Morgens (vor Tagesanbruch) nach dem Meere, nach Sümpfen und Wiesen findet in der Regel eine lebhafte Discussion statt, wobei die Damen von wilden Enten immer das große, lauteste Wort führen und auch immer, wie viele Schönen unter den Menschen, das letzte Wort haben zu müssen scheinen. Die Discussion dauert freilich nicht so lange, wie in unseren Kammern: nach 10–20 Minuten ist immer Alles abgemacht und geordnet, sodaß sofort gehandelt wird. In Häufchen von 10 bis 20 Stück, jedes mit einem Anführer, verlassen sie nach einander ruhig den Fluß oder Lockteich und kommen Abends ebenso ordentlich und vorsichtig wieder. Mr. Folkard, der Wild-Vogel-Schriftsteller Englands, meint sogar, daß die Menschen viel von diesen Wilden lernen könnten. Im Uebrigen bedauert er häufig in seiner wissenschaftlichen Genauigkeit, daß gewöhnliche Dilettanten die edle Waidsprache auf diesem Gebiete so barbarisch verhunzen und z. B. überhaupt von Heerden wilder Vögel sprechen, da doch für jede Art mindestens doppelte Bezeichnungen zum Unterschiede, ob sie auf Flügeln seien oder säßen, gebraucht werden müßten. Ein Heerde wilde Gänse auf dem Wasser ist ein „Gaggle“, auf den Flügeln ein „Skein“. Wilde Enteriche unter sich bilden ein „Gefolge“, Schnepfen einen „Gang“, Brausenhähne und Kragenhühner „Hügel“. Und so geht es fort. Doch das ist uns zu waidlich. Wir begnügen uns damit, kurz und vorübergehend gesehen zu haben, wie die Engländer in kalten Winternächten auf Sumpf und Wasser „punte Jagd“ machen.




Blätter und Blüthen.


Gewalt der Mutterliebe. Von F. wird uns Folgendes berichtet: Eine Schwalbe hatte ihr Nest an dem Balken eines Schuppens angebracht, welcher durch das Oeffnen und Schließen der Thüre oft heftig erschüttert wurde. So kam es, daß das Nest schließlich allen Halt verlor und trotz der Nachbesserungen seitens der Schwalben mehr und mehr sich loslöste. Die Eltern wagten zuletzt beim Füttern gar nicht mehr den Rand des Nestes zu betreten, sondern erhielten sich durch rasche Flügelschläge fliegend vor demselben. Allein der Verfall des Nestes nahm überhand, und endlich stürzte es mit sammt den Jungen zu Boden, glücklicher Weise jedoch nur bis auf einen sich fast bis zu dem Balken erhebenden Holzstoß. Allein hier wartete der armen Thiere neue Gefahr. Eine Katze, welche eben in den Schuppen gekommen war, schickte sich an, die leicht zu erlangende Beute wegzunehmen. Ohne Besinnen stürzte sich die geängstigte Mutter auf das Raubthier, stieß es, so kräftig sie konnte, auf den Kopf, verwirrte es durch Flügelschläge und hielt es wirklich von ihrer Brut entfernt. In diesem wichtigen Augenblicke erschien auch das Schwalbenmännchen, sah und erkannte die Gefahr, flog eilend zurück, stieg rasch hoch empor und stieß das Gefahr verkündende „Bihwist, Bihwist, Dewihlik, Dewihlik“ aus, um andere ihrer Art herbei zu locken, kehrte mit einer ganzen Schaar Hülfsgenossen zurück und brachte die Katze jetzt so in Verwirrung, daß sie trotz alles Pfauchens, Brummens und Hauens mit den Tatzen ihren Zweck doch nicht erreichen konnte. Mitleidige Menschen kamen den muthigen Schwalben rechtzeitig zu Hülfe, um den Erfolg des ersten Zurückschlagens des Feindes zu sichern, und trugen die jungen Schwälbchen in ein leerstehendes, sicheres Nest, in welchem sie von den treuen Eltern auch glücklich großgezogen wurden.

Dr. A. E. Brehm.


Freiligrath und Marx. Von London aus werden wir um Aufnahme der nachfolgenden Zeilen ersucht:
 „Verehrter Herr Redacteur!
„Die Biographie F. Freiligrath’s in Ihrem geschätzten Blatte ist hier mit großem Interesse von zahlreichen Freunden desselben gelesen worden. Wir alle wissen Ihnen und Ihrem geehrten Herrn Mitarbeiter Dank für die zeitgemäße Besprechung. Schmerzlich fiel jedoch ein Mißton auf. Ich meine die Art und Weise, wie der Beziehungen zu Marx erwähnt wurde. Ich will das Urtheil, das der Biograph über Marx selbst fällt, keineswegs anfechten. Jedoch die Aeußerung, Freiligrath habe unter dem Einfluß von Marx seine Stimmung, seine Freiheit, seine Charakterstärke verloren, muß ich als eine ungerechte bezeichnen. Wenn Freiligrath’s Muse Jahrelang schwieg, so liegt doch die Erklärung aus den Londoner Verhältnissen, in die er, des nöthigen Lebenserwerbes wegen, gebannt ist, nahe genug. Seine Freiheit und Charakterstärke hat er sich stets gewahrt. Die Feindseligkeiten von Marx sind nicht die seinigen. Er isolirt sich nicht in kleinliche Sectirerei, absolute Negation und trauriges Coteriewesen. Den besten Beweis dafür liefert sein Verhalten zu Kinkel, auf dessen heroische Frau er den schönen Todtengesang gesungen, während Marx zu Kinkel die feindseligste Stellung einnimmt. Andererseits verhält sich Freiligrath zu Kinkel ganz ebenso frei; er steht mit einem Worte unabhängig da. Doch genug davon. Diese Bemerkungen sollten Ihren geehrten Mitarbeiter nicht verletzen, sondern nur eine Steuer der Wahrheit sein. Ich bin überzeugt, daß Sie zahlreiche Deutsche hier verbinden werden, wenn Sie in einer Ihrer nächsten Nummern einen „Nachtrag zur Biographie“ geben, worin diese Andeutungen in der Ihnen passend scheinenden Form eingeflochten werden könnten.“




Französische Gewissenhaftigkeit. Daß die Franzosen schlechte Geographen und Geschichtsforscher sind und den heitersten Blödsinn zu Tage fördern, ist genugsam nachgewiesen worden, daß sie aber ihre eigene Geschichte nicht einmal kennen und in „kaiserlichen Almanachen“ die gröbsten Verstöße gegen die Wahrheit drucken lassen, dürfte doch neu sein. In dem „Petit-Almanach-Imperial pour 1860. Paris. H. Plon. Impr. Editeur de S. M. L’Empereur. pag. 131“ steht wörtlich: „Polen schloß sich von Herzen dem Kaiser Napoleon I. an und hielt beständig bei ihm aus, in der Hoffnung, sich als selbstständiges Reich wieder hergestellt zu sehen. Die Ergebenheit des Fürsten Poniatowski gegen Napoleon inmitten der feigen Abtrünnigkeit derjenigen, die ihm Alles verdankten, und wie dieser tapfere polnische Fürst beim Uebergange über die Beresina verunglückte, als er den glorreichen und schmerzlichen Rückzug aus Rußland deckte, ist bekannt.“




Für „Vater Arndt“

gingen weiter bei dem Unterzeichneten ein: 1 Thlr. Seifarth, Obergerichtsrath in Gera – 5 Thlr. Albert Heinrich Müller in Leipzig – 2 Thlr. Ferber und Seybel in Leipzig – 4 Thlr. Lusatia in Zittau, erste Sendung – 1 Thlr. Thomas, Lehrer in Leipzig – 1 Thlr. Claire von Glümer in Dresden – 1 Thlr. Auguste Scheibe in Dresden. – 3 Thlr. S. in Schrimm. – 1 Thlr. Nicolaus von Urbanstadt in Eger (der erste Beitrag aus Oesterreich).

Ernst Keil.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_224.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)