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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Strecke von Constantinopel bis zum Cap Hellas an den Dardanellen vollendet und dem Verkehr übergeben, während die weitere Leitung vom Cap Hellas bis Alexandrien in Angriff und Ausführung genommen ist.

Die Anknüpfung der australischen Linien an das europäische Telegraphennetz, und zwar vermittelst der ostindischen Linien, soll auf folgende Weise geschehen: Die Leitung würde von Rangoen, als dem östlichsten Punkte der ostindischen Linien, ausgehen und nach Malacca und Singapore, sowie zur Insel und Stadt Borneo laufen. Nachdem sie durch das Innere dieser Insel bis zu deren Ostküste fortgeführt würde, sollte dieselbe wieder unterseeisch werden und über Celebes und die Melville-Inseln an der Nordspitze von Australien münden, an welche sich dann eine weitere durch den Golf von Carpentaria gelegte unterseeische Leitung anschließen könnte, mit welch letzterer die von Melbourne und Sidney kommenden und bereits bestehenden Linien in Verbindung stehen würden.

Nachdem wir nun die Leser der Gartenlaube mit diesen Projecten bekannt gemacht, dürfte sich bei vielen die Frage und der Zweifel aufdrängen: ob dieselben auch ausgeführt und glücklich vollendet werden? Wir glauben ihnen mit Bestimmtheit antworten zu können, daß es nur eines kurzen Zeitraumes, vielleicht nur noch weniger Jahre bedürfen wird, bis dieselben, wenn auch nicht in der beschriebenen Art und Weise, doch mit weniger Abänderung und Verlegung ausgeführt sein werden. Der Unternehmungsgeist und Scharfsinn unserer Zeit kennt keine örtlichen Hindernisse und Schwierigkeiten mehr, die er nicht zu umgehen und zu beseitigen wüßte, noch dazu wo die Herstellung einer solchen telegraphischen Verbindung der einzelnen Welttheile so große und unberechenbare Vortheile sowohl der Verkehrs- und Geschäfts- wie auch der politischen Welt bietet. Off.     


Aërirtes Brod. Nach hergebrachter Meinung muß unser tägliches Brod „gesäuert“, mit Sauerteig, Hefen oder Wärme aufgetrieben und locker gemacht sein, um zu gerathen und schmackhaft zu werden. Allerdings verdankt das Brod dem Gährungsprocesse, der durch Sauerteig und Hefen erzeugt und dann durch das Backen unterbrochen wird, seine Porosität, Leichtigkeit, theilweise auch Verdaulichkeit, aber diese Gährung selbst ist weder nöthig, noch nützlich, im Gegentheil wohl öfter schädlich, wenn sie nicht zu rechter Zeit unterbrochen oder durch Temperatur-Einflüsse chemisch verändert ward. Man hat deshalb in England angefangen, aërirtes, d. h. durch Lufteinknetung aufgegangenes Brod zu backen. Dr. Dauglish, der sich diesen Proceß der „Aëration“ patentiren ließ, sagt: „Die Herstellung lockeren, porösen Brodes durch Gährung und begonnene Zersetzung ist mit vielen Nachtheilen verbunden. Diese ergeben sich besonders aus der überaus großen Schwierigkeit, den richtigen Grad der durch Gährung entstandenen Zersetzung zu bestimmen und diese zwischen einem Zuviel und Zuwenig zu treffen. Eine Form der Zersetzung geht während des Gährungsprocesses so leicht in die andere über, theils durch die Temperatur, theils durch Bestandtheile des Teiges, daß ein großer Theil des Mehls, das auf den Markt kömmt, besonders das, welches von nassem Wetter gelitten hat, unfähig ist, in lockeres Brod verbacken zu werden, wenn man nicht Alaun oder andere schädliche Artikel beimischt.“

Er hat deshalb drei Patente darauf genommen, aërirtes statt gesäuertes Brod zu backen, und die nöthigen Anstalten zur Ausführung seiner Patente getroffen. Diese sind, wie wohl alle Patente, ein Unsinn, da Jeder auf seine Weise Brod aëriren kann und die größte Dampfmaschinen-Bäckerei Englands, die von Peak und Frean in Rotherhithe, weit draußen im Südosten Londons, längst täglich viele Tausende von aërirten Broden oder Biscuits aus ihren Oefen förmlich purzeln lassen. Es ist eine Bäckerei ohne Bäcker, blos mit einer Armee von Jungen und Arbeitern, welche der Alles selbst machenden Maschinerie dienen. Sie schütten an einem Ende der Maschine einen Sack Mehl nach dem andern in eine große Oeffnung und bekommen ihn kurz darauf am andern Ende wieder als einen Hagelregen von braunen, hübsch geformten, leicht und gut gebacknen Abernethy-, Brighton-, Macaroon-, Picnic-, Preßburg-, Schiffs- und zwanzig anderen Sorten von Biscuits. Das Mehl fällt hinunter in ein eisernes Gefäß, wo es sich selbst mit zuströmendem Wasser mischt, dann mit wüthend und wild aussehenden Messern und Quirlen sich selbst furchtbar zerfleischt und zerwühlt und unter schweren metallenen Walzen knetet. Hernach breitet sich der wohlgeknetete und mit Luft durchpeitschte Teig selbst zu flachen, großen Kuchen aus und zerschneidet sich selbst in regelmäßige, runde oder viereckige etc. Biscuits, wobei die unbrauchbar gewordenen unregelmäßigen Teigstückchen von einem unsichtbaren Maschinengeiste rein und richtig weg- und in ein besonderes Gefäß geschafft werden. Die Biscuitschnitte legen sich hierauf auf flache, metallene Platten, die nun von selbst langsam in den Ofen wandern und gerade so lange drin bleiben, bis sie eben just durchgebacken sind. Die Biscuits scheinen selbst den rechten Augenblick zu fühlen, denn sie fallen immer just im rechten Momente, nicht zu blaß und nicht zu braun, von selbst heraus in bereit stehende große Körbe. Alles dies thut die Maschine selbst und allein, sodaß Menschenhände blos als Maschinisten und Träger des Mehls und der Gebäcke dabei thätig sind.

Dies ist kein Wunder mehr. Die neuen Hoe’schen Dampfmaschinen-Pressen, die in der Stunde bis 25,000 Foliozeitungen fix und fertig drucken, die amerikanischen Wasch-, Trocken-, Stärke- und Plättmaschinen, die auf der einen Seite die schmutzigen Hemden in Empfang nehmen und auf der andern fein weiß, geplättet wieder hinlegen (Alles in einer Stunde, sodaß der Gentleman mit einem Hemde im Gasthofe jeden Morgen ein reines anziehen kann – er wirft es früh 7 Uhr vor die Thür, kriecht wieder in’s Bett und holt es sich um 8 Uhr schneeweiß und spiegelblank wieder), und andere mechanische Zauberer beweisen schon, wie viel Plack und Qual Kolben, Räder und Dampf den Menschen abnehmen können. Spätere Geschlechter werden sich wundern, wie es die Frauen unserer Zeit mit ihrem verwaschenen, verkochten und verflickten Leben nur aushalten konnten, wundern über die Erbärmlichkeit dieser Tage, die so lange zögerten, sich der unendlichen Wohlthaten dieser längst vorhandenen Wasch-, Back- und Nähmaschinen zu bedienen und dafür etwas Schöneres, Edleres, Nützlicheres mit intelligenter Hand zu schaffen.

D[o]ch zurück zu unserm „aërirten Brod“. Dr. Dauglish leichtet und lockert den Teig durch mechanische Einmengung kohlensaurer Luft ohne Gährung und Zersetzung. In einem Gefäße den Backapparats wird Kohlensäure durch Schwefelsäure und kohlensauren Kalk erzeugt, chemisch gereinigt und in einen Gasbehälter geleitet. In ein Gefäß daneben wird nun Wasser aus einer Cisterne und Gas aus dem Behälter getrieben und durch bedeutenden Druck in einander gezwängt. In das Mischgefäß daneben von Kugelform, reichlich mit Messern und Kräueln versehen, die von außen durch Dampfkraft in rasche Drehungen versetzt werden können, wird nun ein Sack Mehl geschüttet und die atmosphärische Luft durch einen energischen Strom von Kohlensäure ausgetrieben. Das Mehl, mit condensirter Kohlensäure und eingepreßtem Wasser in dem Mischgefäße fest verschlossen, wird nun durch die rasend arbeitenden Knetemesser rasch in Teig verwandelt, der dann durch eine untere Oeffnung aus dem Mischgefäße in solche Formen eingelassen wird, in welchen man das Brod eben haben will. Der ganze Proceß dauert eine halbe Stunde. Backöfen nehmen dann die Teigformen durch mechanische Hebelkräfte ebenso leicht auf, wie sie durch Maschinerie wieder herauskommen. Noch vollkommener sind freilich die Einrichtungen in der Riesenanstalt von Peak und Frean. Die Hauptsache in den Apparaten des Dr. Dauglish ist reines Brod, das keiner Gährung und Zersetzung ausgesetzt war, reines, blos mit etwas Salz gemischtes Brod mit Kohlensäure, die im Magen so wohlthut, wie Weißbier- und Champagnertrinker beschwören können.

Hauptsache für uns ist, daß hier wieder eine Anregung für leichte, mühelose, schnelle Zubereitung gesunden Nahrungsstoffes gegeben ward, was gewiß in einer Zeit der Fälschung und Vergiftung fast aller Lebensmittel und Industrieartikel nicht unerfreulich gefunden werden wird. Es wird in Deutschland mit etwas Chemie, Mechanik, gutem Willen und Capital nicht schwer sein, auch aërirtes Brod zu backen.




Aus dem Tagebuche eines Thürstehers. Vor kurzem starb in Paris ein alter, fast achtzigjähriger Greis, der seit dem Anfang dieses Jahrhunderts Portier im Tuilerienschloß war und dieses Amt bis kurz vor seinem Tode versah. Seine Hinterlassenen fanden unter seinem Nachlaß auch ein kleinen, in Leder gebundenes altes Buch, das nur drei bis vier Blätter Schreibpapier enthielt. Auf der ersten Seite stand der Titel des Buches: „Verzeichniß der Bewohner des Tuilerienschlosses während meiner Dienstzeit“. Aus der zweiten Seite aber stand folgendes Verzeichniß:

1) Napoleon Bonaparte, erster Consul der Republik, sodann Kaiser der Franzosen, eingezogen den 29. Februar 1800 aus dem Luxembourg- Palais, ausgezogen den 30. März 1814 nach der Insel Elba.

2) Ludwig XVIII, König von Frankreich und Navarra, eingezogen den 3. Mai 1814 aus England, ausgezogen den 19. März 1815 nach Gent.

3) Napoleon, Kaiser der Franzosen, eingezogen den 20. März 1815 aus Elba, ausgezogen den 3. Juli 1815 nach der Insel St. Helena.

4) Ludwig XVIII., eingezogen den 18. Juli 1815 aus Gent, gestorben im Schloß den 16. September 1824.

5) Karl X., König von Frankreich und Navarra, eingezogen den 17. September 1824 aus dem Pavillon Marsan, ausgezogen den 29. Juli 1830 nach Schottland.

6) Das Pariser Volk, Insurrectionsgesellschaft, eingezogen den 29. Juli 1830 von der Straße, ausgezogen den 29. August d. J. zu seinen Geschäften.

7) Ludwig Philipp I., König der Franzosen, eingezogen den 29. August aus dem Palais Royal, ausgezogen den 24. Februar 1848 nach England.

8) Das Volk von Paris, Barrikadenkämpfer, eingezogen den 24. Februar 1848, ausgezogen den 20. März 1848 zu seinem Berufe.

9) Napoleon III., Kaiser der Franzosen durch die Gnade Gottes und den Willen des französischen Volks, eingezogen am 2. December 1852 aus dem Palais Elysee, ausgezogen ....? – Der Tod überraschte den braven Portier, um den Auszug des jüngsten Bewohners der Tuilerien in seinem sicher nicht uninteressanten Verzeichniß einzutragen.




Louis Böhner, der „wandernde Spielmann“, wie ihn L. Storch so liebenswürdig in Nr. 1 und 2 dieses Blattes geschildert hat, ist vor einigen Tagen in Gotha hinübergeschlummert in eine bessere Welt. Seine letzten Tage waren fast freudige zu nennen, denn von allen Seiten kamen ihm Beweise der innigsten Theilnahme zu, die ihn oft zu Thränen rührten, viele in Folge des obenerwähnten Artikels, z. E. ein sehr zart und warm empfundenes Gedicht: „Der wandernde Spielmann“. Am Palmsonntag ward er in das enge Bett eingesenkt. Der einfache Sarg war überdeckt mit Blumen, ein Lorbeerkranz krönte das alte Haupt, und unter dem Gesang der Chorschüler und der Militairmusik schloß sich das kleine stille Haus, in dem nun der Spielmann für immer ausruhen darf von seines Lebens Mühen. Mit ihm ist ein „echter Musikante“ schlafen gegangen.




Für „Vater Arndt“

gingen weiter bei dem Unterzeichneten ein: 2 Thlr. 15 Ngr. Einige Schüler der ersten Classe der Leipziger Handelsschule – 3 Thlr. 10 Ngr. Ertrag der Sammlung bei Herrn Dr. B. in Lößnitz den 25. März – 2 Thlr. Albert Träger, Assessor in Naumburg – 18 Thlr. 161/2 Ngr. Ertrag einer Sammlung durch Herrn C. F. Schmidt in Frankenberg – 1 Thlr. W. S. D. aus Karlsruhe – 1 Thlr. Zwei Verehrer des Vater Arndt im Fürstenthum Göttingen. – 20 Ngr. R. F. in Leipzig. Ernst Keil 



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_256.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2021)