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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Schnitzler zu den Ihrigen, unter denen Joh. Huggler und Rud. Trauffer für Figuren, Jakob und Peter Thomann und Peter Fischer für Ornamente zu nennen sind. Hier geht die persönliche Kunstfertigkeit, das freie selbstbildende Schaffen Hand in Hand mit dem Dienst der Maschine, mit der mechanischen Vervielfältigung eines Modells. Die Theilung der Arbeit ist hier, so viel möglich, Grundgesetz des Geschäftsbetriebes geworden. In einem der Säle arbeiten die Schreiner, welche mit Hülfe der Circular-Säge und anderer durch Wasserkraft in Bewegung gesetzter Instrumente aus großen Nußbaumbohlen die platten Wände zu den reizenden Cassetten zuschneiden, die für zarte Frauenhände der cultivirten Welt beider Hemisphären bestimmt sind. Daneben ist ein Saal, in welchem minutiöse strohhalmbreite Vertical-Sägen, durch Wasserkraft und Brangen in Bewegung gesetzt (ähnlich wie die breiten Blätter einer Sägemühle), senkrecht sich hebend und fallend in ungemein rapidem Tempo arbeiten. An diesen feinen Schneide-Mechanismus bringt der Arbeiter einen handhohen, glatt vorgerichteten Nußbaumklotz, auf dessen oberer Fläche in scharfen, zarten Linien eine Arabeske, ein gothisches Ornament oder irgend ein Dessin gezeichnet ist. Mit großer Fertigkeit dreht und schiebt der Arbeiter den Klotz, daß der Sägenschnitt den Zeichnungen in den feinsten Wendungen folgt, und binnen wenig Minuten (wenn die Figur nicht sehr complicirt ist) zeigt sich der Block als ausgesägtes Stirnprofil irgend einer eleganten Verzierung. Er wandert nun in eine zweite Hand. Diese bringt ihn abermals an eine Vertical-Säge, welche im Querschnitt bleistiftdicke oder noch dünnere Scheibchen davon absägt, reizend gestaltete, durchbrochene Täfelchen nunmehr darstellend. Noch immer aber sind es rohe Formen. Jetzt erst kommen diese Täfelchen in die Werkstätten der Schnitzler, welche mit Hohlmeißeln und feinen Grabsticheln die Kreuzrippen und Quergurte aushöhlen, die sich durchschlingenden und umrankenden Ornamentzweige abrunden, hohlkehlen und gleichsam ciseliren. Diese in ihren Größen genau berechneten, „niedlinetten“ Verzierungsplättchen werden nun auf die platten Wände der Cassetten, auf die Flächen der vorgerichteten Rahmen, Lesepultchen, Meubles und was sie überhaupt schmücken sollen, so fein befestiget, daß sie wie aus einem Stück geschnitzt erscheinen. Mit dem Braunbeizen ist die eigentliche Holz-Arbeit beendet. In diesem halbfertigen Zustande sendet die Fabrik ihre Producte nach Paris. Dort erst werden sie völlig garnirt, die Cassetten mit Scharnieren und Schlössern versehen, mit Sammet ausgeschlagen, überhaupt für den Verkauf und Export erst vollendet. Dies ist aus dem fabrikativen Betriebe beispielsweise nur ein Bild; die Vielseitigkeit des Geschäftes in seinen andern Branchen zu schildern, mangelt hier der Raum. Der Katalog dieser Fabrik enthält allein 900 Nummern verschiedener hier verfertigter Gegenstände. Unser Bild stellt einen Schnitzlersaal dar, wo Uhrengestelle und Spiegelrahmen, Weihwasserkessel und Reliquienschreine, Kartenhalter und Lichtschirmträger, Zündholzkästli und Damen-Necessaires, Consolen mit heidnischen Karyatiden und Schreibzeuge mit alpinen Thiergruppen, kurzum Artikel des Luxus, wie sie das gesteigertste Bedürfniß der noblen Welt, die größte Eleganz nur verlangen mag, gefertigt werden. Man lasse sich von Herrn Flury-Urfer zum Kreuz in die Fabrik der Herren Wirth führen, um dort Modellkammern zu sehen, die sicherlich das Schönste wie ein Museum in sich vereinen, was die moderne Holzschnitzlerkunst producirt hat. Mit gleicher Anerkennung muß indeß auch anderer derartiger sehr tüchtiger Werkstätten gedacht werden, die leichtere, courante Waare, namentlich viel in Ahorn- und Legföhren-Holz liefern. Zu diesen gehören namentlich die der Herren Joh. Flück, Michel und Abplanalp, J. M. Roetter und Comp. und Jacob Wyder in Brienz. Als geschicktester Blumenschnitzler unserer Tage gilt Andreas Baumann daselbst, und die Gebrüder Bury in Ringgenberg (unweit Interlaken) haben großen Ruf als Gemsen-Sculpteurs.

Außerdem arbeiten aber noch Hunderte von Familien daheim in ihrem Stübli mit den Kindern und verkaufen die Producte ihrer Kunstfertigkeit an die Händler, unter denen die Firma Wald in Thun eine der ersten Stellen einnimmt. Auch dieses Geschäft hat große Verdienste um die Hebung der Schnitzlerkunst und stellte seiner Zeit in Bern bei der dritten schweizerischen Industrie-Ausstellung die reichste Sammlung künstlerisch gearbeiteter Stücke aus. Sein bester Ornamenten-Schnitzler ist Joh. v. Almen.

Zu den feinen und gut ausgeführten Schnitzereien wird, wie schon bemerkt, Nußbaumholz verwendet, für die minder kostbaren das des Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus); doch ziehen die Schnitzler das Holz der „Lenne“ (Acer platanoïdes) jenem noch vor, weil es von feinerem Gewebe und noch weißer und zäher sein soll. Für Löffel, Salatscheeren, Serviettenbänder, Nußknacker und ähnliche Producte der geringsten Sorte benutzt man meist das sehr feste, theils okerröthlich, theils gelbweiß aussehende Holz der Legföhre (Pinus pumilo). Arme Leute machen es sich zur Aufgabe, geeignete Stämme des letzteren, oft mit Lebensgefahr, vom Gebirge zu holen, namentlich von Wänden, deren Föhren-Gestrüpp nicht unter dem Schutz und der Wacht der Forstbehörden steht. – Als Seitenzweige sind die mit Schweizerlandschaften bemalten Holzschnitzereien zu betrachten, die, seit 1833 besonders von den Gebrüdern Wirtz in Bern, für alle Gegenstände unserer Kunst, sogar für Meubles in Anwendung gebracht werden.




Eine Vorlesung über und für Kinderwärterinnen und Erzieherinnen.

Was immer der Mann für einen Beruf erwählt, er muß erst jahrelang darauf losstudiren und dazu lernen. Dagegen lernt das Weib für die wichtigste ihrer Lebensaufgaben, für die Erhaltung und Erziehung des Kindes in seinen ersten Lebensjahren, geradezu nichts oder höchstens Dummes und Schädliches von Groß- und Schwiegermüttern, von Tanten und Muhmen. Als ob der liebe Gott dem Weibe im Schlafe den Verstand für seinen Beruf gegeben hätte, und als ob Mädchen und Frauen bei ihrem kleinern Verstandesorgane (Gehirn) und bei ihrer zur Zeit noch äußerst mangelhaften Schulbildung nicht einer längeren und gründlichern Vorbereitung für ihren so äußerst wichtigen Beruf als der Mann bedürften!

Soll die Menschheit anders und besser werden, so muß man auf die Erziehung der Menschen in ihren ersten Lebensjahren sein Hauptaugenmerk richten, denn in diesen Jahren wird der Grund für das ganze übrige Leben gelegt, und alles Gute und Schlechte, was der Erwachsene thut, verdankt er seiner ersten Jugend. Die Unmasse der verschiedensten Aberglauben und Glauben, die Unzahl der Unarten und Laster stammt aus der frühesten Kindheit; Nichts davon ist angeboren, Alles anerzogen.

Man trenne sich doch ja endlich einmal von dem Gedanken, daß der Verstand beim Kinde später schon noch kommt und mit dem Verstande auch der Sinn für das Gute, die Tugend. Damit ist’s nichts. Vom ersten Augenblicke des Lebens an beginnt schon mit Hülfe der Eindrücke durch die Sinne und das Gefühl innerhalb des Gehirns die Entwickelung des Selbstbewußtseins, des Verstandes, des Gemüthes und Willens, und ganz allmählich schreiten bei richtiger Uebung und Gewöhnung diese sogen. geistigen Thätigkeiten und die damit innig verbundenen moralischen Eigenschaften ihrer Vervollkommnung zu, während sie bei falscher Anregung in Folge unpassender Eindrücke zum Bösen ausarten.

Das Hauptgesetz bei der geistigen und moralischen Erziehung des Menschen läßt sich mit wenigen Worten ausdrücken und lautet: man halte Alles vom Kinde ab, an was es sich nicht gewöhnen soll, und wiederhole dagegen beharrlich das, was ihm zur andern Natur werden soll. Man bedenke dabei stets, daß das Kind zunächst vorzugsweise durch Nachahmung lernt, ebenso Schlechtes wie Gutes, und deshalb sorge man für gute Vorbilder. Erziehen Eltern von mehreren Kindern das erste Kind nur recht gut, dann wird dieses den andern als gutes Vorbild dienen und den Eltern das so schwierige Geschäft der Erziehung sehr erleichtern.

Was die körperliche Behandlung des kleinen Kindes betrifft, so ist vor Allem auf die richtige Ernährung durch passende Nahrungsmittel, auf ordentliches Athmen in guter (reiner, warmer) Luft und auf naturgemäße Pflege der Haut und Sinne zu achten.

Nach diesen wenigen, aber die Hauptregeln der Erziehung enthaltenden Vorbemerkungen wenden wir uns nun zu den Kinderwärterinnen (Ammen, Muhmen und Kindermädchen). Sie sind es leider, die in den meisten Familien dem Kinde als Vorbilder und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_263.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)