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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Gleich darauf läßt er sich aber durch einen Schmuck bestimmen, die Unthat zu vollführen. Er bringt der Prinzessin einen vergifteten Schleier, den sie auf der Stelle um ihr Haupt schlingt und der sogleich – während sie einem ländlichen Tanze zuschaut – seine Schuldigkeit thut. Mit dem Ausruf:

„Ha, wehe! welche Qual!
Ein ungeheurer Schmerz, er tobt in mir –
O sterben! – Ha, hinweg mit dem Schleier!“

fährt Ginevra empor. Fortebraccio erzählt dem erschrockenen Herzoge, daß ein Schiff vom schwarzen Meer den Schleier soeben nach Livorno gebracht hat. Der Haushofmeister Lorenzo fügt hinzu:

„Schon hat viel Opfer sich grausam die Pest gesucht,
„Und wer noch lebt, entweicht in wilder Flucht.“

worauf denn auch sämmtliches Hofpersonal und alle Landleute, die noch eben so fröhlich tanzten, das Weite suchen, indeß die arme Ginevra an den Folgen des Giftes verscheidet.

„Da starb ich denn wirklich einmal wie eine Vergiftete,“ sagte Wilhelmine; „ich machte die Sache mit Zuckungen und Grausen so überzeugend, daß nach Schluß des Actes der Intendant mit dem Arzt herbei gestürzt kam und angstvoll fragte: „„Um des Himmels willen, was ist Ihnen – sind Sie krank? das war ja fürchterlich!““ „Nein,“ gab ich ruhig zur Antwort, „krank bin ich nicht, ich sterbe nur an Gift, das ist nicht meine Schuld.“

Im dritten Acte wird Ginevra beigesetzt in einer finstern Gruft, deren Zugang eine Steinplatte verschließt. Aber das Gift ist nicht zureichend gewesen – sie erwacht, erinnert sich der Trauergesänge, die sie wie im Halbschlaf gehört hat, und bald wird ihr klar, daß sie „lebendig hier im öden Grabe“ dem gräßlichsten Tode entgegen geht. Eine Scene haarsträubender Verzweiflung beginnt. „Mit den Worten:

„O Qual sonder Gleichen,
Mitten unter Leichen
Hier im ew’gen Schweigen
Begraben zu sein!“

begann ich wie rasend in Entsetzen und Todesangst umher zu jammern“, erzählte die Künstlerin. „Ich kratzte mit den Händen an der Wand umher, zerraufte mein Haar, zerschlug mir die Brust. Es war so entsetzlich, daß der Hof mitten im Acte aufbrach und das Publicum in die äußerste Bestürzung gerieth. Der Intendant bat und fluchte, – ich blieb unerschütterlich. Warum gebt Ihr mir solche Dinge zu singen? es ist Eure Schuld, sagte ich. Nun habt Ihr was Ihr verdient, da Ihr eine Künstlerin zwingt, das Häßliche darzustellen.“ Die Rolle der Ginevra mußte einer andern Sängerin übertragen werden, und bald darauf wurde die Oper ganz vom Repertoir gestrichen.

Daß Wilhelmine Schröder-Devrient auch Rollen, die ihr nicht zusagten, zur Geltung bringen konnte, hat sie oft bewiesen, auch noch in ihrer letzten dramatischen Schöpfung, der Venus in Richard Wagners Tannhäuser. Mit Widerstreben, nur aus Gefälligkeit für den Componisten, den sie schätzte, übernahm sie die Partie, die für eine 43jährige Frau nicht paßte. „Ich weiß nichts aus der Rolle zu machen“, sagte sie. Und doch ist sie bis jetzt die einzige Sängerin, welche die zauberreiche Frau Venus der Sage darzustellen vermochte.




Blätter und Blüthen.


Endlich haben wir die Seeschlange doch? Wieder die alte Ente, die schon tausend Mal durch die Zeitungen geschwommen ist! So wird der Leser ausrufen, und wir können es ihm nicht verdenken. Bisher hatte man aber das räthselhafte Ungeheuer des Oceans immer nur gesehen, jetzt, so sagt man, ist es gefangen worden, und das würde einen Unterschied machen. Wir wollen die Sache erzählen: Vor der Küste von Nord-Carolina, etwa hundert und sechszig Meilen vom nordamerikanischen Festland entfernt, liegt im stürmischen Meer die Inselflur der Bermudas. Sie besteht zum großen Theil aus Korallenriffen; die Zahl der Inseln beträgt, genau gezählt, so viel als das Jahr Tage hat; aber nur fünf sind bewohnt, und unter ihnen ist Bermuda die größte; dort hat der englische Gouverneur seinen Sitz. In der Hafenstadt Hamilton erscheint ein Wochenblatt, „the Bermudian“, und dieses berichtet in seiner Nummer vom 25. Januar 1860 Folgendes: „Am Sonntag, 22. d. Monats, zwischen zehn und elf Uhr Morgens trieb in der Hungarybay ein merkwürdiges Seethier auf den Strand. Zwei Männer, die am Wasser hingingen, vernahmen ein Geräusch, wie von einem großen Fische, der die Fluth peitscht, und eilten nach der Gegend bin, wo sie etwas sich bewegen sahen. Sie fanden ein ihnen unbekanntes Thier noch lebend, aber es war erschöpft, obwohl es noch zuckend um sich schlug. Es war hellfarbig, hatte einen wie Silber glänzenden Ueberzug, von dem in Folge der Zuckungen Vieles abgescheuert war und in Menge umherlag. Sie zogen das Thier völlig auf’s Land. Die Haut fühlte sich rauh und warzig an, war aber ohne Schuppen. Fast über die ganze Länge den Thiers lief eine Rückenflosse; sie bestand aus kurzen, dünnen Stacheln, welche durch eine transparente Haut mit einander verbunden waren und keinen Zoll weit auseinanderstanden, mit andern Worten, diese Rückenfinne war gleichsam unterbrochen durch regelmäßige Zwischenräume. Der Kopf hatte etwas Hundsartiges und eine vorstehende Schnauze, die Augen lagen flach, die Brustflossen waren klein, die Flossen am Bauche noch kleiner, die Kiemen groß, aber ohne Zähne. Auf dem Kopfe hat das Thier einen Kamm. der aus acht röthlichen Stacheln besteht, von denen die drei ersten bis zur halben Höhe durch eine dünne, durchsichtige Haut mit einander in Verbindung stehen. Diese feinen Kammstacheln können nach Belieben aufgerichtet oder niedergelegt werden und sind von unregelmäßiger Länge. Von der Spitze der Schnauze bis zur Spitze des Schwanzes mißt das Seethier sechszehn Fuß sieben Zoll: es hält elf Zoll im Durchmesser vom Rücken bis zum Bauche, an der Stelle, welche etwa fünf Fuß vom Kopf entfernt ist, von da ab läuft der Leib nach unten hin verjüngt zu und in einen spitzigen Schwanz aus, der keine Flosse hat. Man schnitt diese „Seeschlange“ auf und fand in ihr einen Rogen von etwa drei Fuß Länge; das Thier war also ein Weibchen und ein Fisch. Die drei Doctoren Hinson, P. B. Tucker und Cullen zerlegten es. Herr Matthew Jones, Verfasser des Werkes: „Der Naturforscher auf Bermuda“, ist im Besitze des Kopfes und anderer Theile des Skeletts; er will das Thier wissenschaftlich beschreiben. Ist nun dasselbe vorhanden, so fragt sich, wohin dasselbe zu classificiren sei.“ – So steht, wie gesagt, im Bermudian vom 25. Januar 1860. Die Zoologen werden wissen, ob ein Seethier, wie das obige, überhaupt möglich sei, und ihnen überlassen wir die Entscheidung, da wir selbst kein Urtheil haben. Daß viele Schiffscapitaine und Gelehrte steif und fest an eine Seeschlange glauben, ist bekannt; manche wollen sich sogar den norwegischen Kraken nicht nehmen lassen. Daß wir überhaupt schon alle Seethiere kennen, wird im Ernst Niemand behaupten wollen; kann nun Matthew Jones mit dem Geripp jenes bermudischen Schlangenfisches hervortreten, so wäre ein bisher nicht beobachteter Bewohner der Tiefe bekannt. Ob und in wie weit der Bermudian „gehumbugt“ hat, wird sich gelegentlich herausstellen.




Aus Nordamerika. Die deutschen Blätter in Nordamerika haben sich schon oft darüber lustig gemacht, daß die dortige Thran- und Stockfischaristokratie, das heißt die reich gewordenen Kaufleute, während ihrer Reisen in Europa sich gern an die Höfe drängen, für vornehme Leute gelten wollen und nach der Heimkehr sich dann der hohen Bekanntschaften rühmen. Dieses „Knack- und Protzenthum“ drängt sich seit einigen Jahren auch in die napoleonischen Tuilerien, wird aber dafür in folgender Art gegeißelt. „Diese amerikanischen Faullenzer (so ruft einer unserer Landsleute aus), welche sich Europa aus dem Eisenbahnwagen betrachten und sich in Paris vierzehn Tage in einem Hotel garni aufhalten! Ihr erster Gang ist zum amerikanischen Gesandten, um durch ihn Einlaß in die Tuilerien zu erhalten. Diese stoischen Republikaner, diese Käsekrämer, Landschwindler, Seifenfabrikanten, Schweins- und Walfischthranhändler, oder was sie sonst sein mögen, stürzen sich mit einer Servilität zu den Füßen des Menschen, welcher jetzt zeitweilig in den Tuilerien wohnt, daß die Franzosen und ihr dermaliger Despot sich über solche Republikaner mit Recht moquiren. Welcher grimmige Hohn, wenn wir an den alten Franklin denken, wie er bescheiden und doch stolz am Hofe Ludwigs den Sechzehnten erschien, und wenn wir dagegen die Laffen betrachten, welche sich haufenweise in Napoleons Zimmer treiben lassen. Es ist hübsch von ihm, daß er mit diesen den Maul aufreißenden Käsehändlern seinen Spuk treibt und mit einem Lächeln an ihnen vorübergeht, ohne sie eines Wortes zu würdigen. Darin zeigt er mehr Charakter, als diese republikanischen Lumpen, die vor seiner Hofclique sich entwürdigen. Auch hier zu Lande machen sie sich lächerlich. Der erste beste Schwindler, der sich für einen deutschen Baron, ungarischen Grafen oder polnischen Edelmann ausgibt, kann die pfiffigen Yankees und ihre Frauenzimmer über’s Ohr hauen. Und weshalb sollten nicht lebenslustige Industrieritter diese Lächerlichkeit der Amerikaner ausbeuten? Sie erwerben sich überdies ein Verdienst um die republikanischen Principien, indem sie ihre einfältigen Opfer vor der ganzen Welt blamiren und beweisen, daß andere Leute eben so gut den Baron spielen können, als ein Baron selber. Wie lächerlich ist es, daß der Hüter des Grabes auf St. Helena, Rougemont, dem Amerikaner Kimball einen Stein von dem leeren Grabe des Tyrannen Napoleon geschenkt hat, um diesen Stein in die Säule Washingtons setzen zu lassen! Die Amerikaner finden das erhaben! Welche Zärtlichkeit: ein Napoleonsstein im Washington-Obelisk! Welche feine Anspielung auf das Schicksal Amerika’s, da ja Napoleon der französischen Republik einen großen Leichenstein auf das Grab gesetzt hat!“




Für „Vater Arndt“

gingen weiter bei dem Unterzeichneten ein: 1 Thlr. G. Bley in Bernburg – 1 Thlr. Hiritz, Amtsgerichtsarzt in Salem – 1 Thlr. Richter in Lübben – 2 fl. E. St–n. in Wien, der zweite Beitrag aus Oesterreich – 10 Ngr. Gesington in Sch. – 9 fl. K. in Reichenberg (dritter Beitrag aus Oesterreich).

Ernst Keil.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_272.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2023)