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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

nicht bestätigt. Warum? Wer kann es durchschauen? Von Berlin aus sind mir folgende Bedingungen gestern zugekommen; wenn mein Mann diese erfüllt, so soll ihm Begnadigung werden. An mich ergeht die Aufforderung, ihn dazu zu bereden.
Ein lebenrettendes Mittel ist vorhanden; es besteht in einer eigenhändig an den König gerichteten und bestimmten Erklärung aus folgenden drei Sätzen:
1) Er bekennt feierlich und öffentlich sein Verbrechen, daß er seine geschworenen Eide, seine Unterthanentreue, seine Staatspflichten und seine Ehre gebrochen und nach menschlichen und göttlichen Gesetzen den Tod verdient!
2) Er bekennt feierlich und öffentlich, daß er dies Alles nicht blos erkenne, sondern daß er es wahrhaftig und aufrichtig bereue!
3) Er bittet seine Majestät den König, um dieses Bekenntnisses und um seiner Reue willen, ihm das Leben zu schenken.
Ein rasch nachgesandter Brief benachrichtigt mich, daß, wenn es meinem Manne zu hart fallen solle, selbst zu schreiben, daß er seine Ehre gebrochen, so habe der König selbst geschrieben, daß er ihm diesen Satz erlassen wolle. Von den andern dürfe er aber weder Etwas auslassen noch zusetzen. Diese Bedingungen sind vom 3. August datirt; am 4. folgte das kriegsrechtliche Urtheil. – Ohne nun meinerseits ein Urtheil über diese Bedingungen zu äußern, noch zu verrathen, ob ich an – –’s Stelle sie eingehen würde, mache ich Ihnen nur noch als Geheimniß kund, daß dieses Gnadenmittel existirt, aber mir jede Möglichkeit versperrt ist durchzudringen. Die Geistlichkeit hat freien Zutritt bei ihm, aber für seine Frau ist sein Kerker hermetisch verschlossen. Meine unermüdlichen Bittgesuche, ihn zu sprechen, haben nirgends Eingang gefunden. Einer schickte mich zum Andern. Alle meine Baarschaft habe ich auf Eisenbahnen kreuz und quer im Lande, in Gasthöfen etc. verbraucht und endlich werde ich mein Theuerstes auf Erden seinem Schicksale trostlos überlassen und heimreisen müssen. Daran ist zunächst schuld eine fälschliche Denunciation, ich hätte meinen Mann zu seinen Schritten angetrieben. Dies ist nicht wahr. Ich theile seine Gesinnungen, aber ich habe seinem Willen den meinen zum Opfer gebracht, weil er mich überzeugte, daß sonst seine Ehre auf dem Spiele stehe. Andere Verleumdungen haben die Würde unseres so schönen und heiligen ehelichen Verhältnisses angetastet. Urheberin dieser Verleumdungen – – – ; Folge derselben: der Commandant von Carlsruhe erklärte mir in Gegenwart mehrerer Zeugen, daß eine solche Mißstimmung gegen mich herrsche, daß, wenn man hier etwas gegen mich unternähme, so könne und wolle er mich nicht schützen. Zweck der ganzen Intrigue: Ich soll von meinem Manne entfernt werden, um einen Lieblingsplan meiner – – ausführbar zu machen. Pfarrer K – – hat expreß die Reise hierher gemacht und meinem Manne einreden zu wollen, unsere Ehe sei eine unrechtmäßige. Andere Präliminarien lassen mich das Entsetzliche fürchten, daß diese Clique einen Eingriff in meine mütterlichen Erziehungsrechte beabsichtigt.
Meinen Seelenzustand mögen Sie nach allem diesem begreifen. Ich halte mich jetzt nur an den Bibelspruch: „Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren.“
Ich habe mich auf Gnade und Ungnade meinem Gotte zu Füßen geworfen, dem Gotte, an den ich glaube und den Jene verleugnen: dem Gotte der Wahrheit und der Liebe.“

Es wäre überflüssig, heißt es in meinem Tagebuche weiter, hier viel anmerken zu wollen. Man scheint diese Frau und Bettina, mit der jene Correspondenz vermuthlich gepflogen ist, haben mystificiren zu wollen. Denn die Absicht, Kinkel selbst sich ehrlos erklären zu lassen, um hernach doch freies Spiel zu behalten, wahrlich ich kann sie nur der – Manteufel-Stahl-Gerlach’schen Partei zutrauen.

Im Laufe der Zeit haben wir erfahren, wie sehr entgegengesetzte Ansichten über die Begnadigung oder Erschießung Gottfried Kinkel’s sich in den höchsten Kreisen geltend gemacht haben. Sogar ihre Entlassung sollen hohe Beamte einzureichen gewillt gewesen sein, falls man mit dem frühern Bonner Professor eine Ausnahme mache und ihn nicht auch kurzweg füsilire. –

Ach, dies Füsiliren! –

Allen, denen die genaueren Umstände bekannt geworden sind, unter denen Kinkel in Naugardt in Haft gehalten worden ist, wird das nachfolgende Antwortschreiben von besonderem Interesse sein, das ich auf meinen Brief an den König vom Grafen von Brandenburg, als Präsidenten des Staatsministeriums, erhielt.

„Ew. Wohlgeboren benachrichtige ich mit Bezug auf Ihre Immediat-Eingabe vom 25. v. Mts., welche dem Staatsministerium zur Bescheidung zugefertigt worden ist, daß des Königs Majestät die Bestätigung des gegen den bisherigen Professor Kinkel aus Bonn ergangenen kriegsrechtlichen Erkenntnisses, durch welches derselbe zu lebenslänglicher Festungsstrafe verurtheilt worden ist, obwohl das königliche General-Auditoriat es in seiner rechtlichen Begründung angefochten hat, indem nach den Gesetzen hätte auf Tod erkannt werden müssen, zu genehmigen geruht haben.
Berlin, 14. September 1849.
Gez. Graf von Brandenburg.“ 

Ich übergebe dieses Document ohne irgend welche erläuternde Betrachtung, zu der hier außerdem nicht der Ort wäre, der Öffentlichkeit.


Oeffentliche Blätter haben uns in letzter Zeit die Nachricht gebracht, daß Gottfried Kinkel in Fräulein Minna Werner eine neue Lebensgefährtin, eine zweite Mutter für Johanna’s Kinder gefunden habe. Wir hören außerdem, daß „er jetzt mit ruhigerer Erwägung der Umstände des äußeren Lebens sein inneres in befriedigender Weise zu gestalten anfange.“ Ueber solche Tagesgespräche will und mag ich in keine Erörterungen eingehen, sondern schließe meine Mittheilungen mit dem herzlichen Wunsche, daß aus den schweren Kämpfen und Bedrängnissen, die Kinkel in tiefaufgewühlter Zeit durchlebt hat, für ihn das Bewußtsein erwachsen sei, daß, wie sehr er sich auch oft in den Mitteln vergriffen, er doch stets das Rechte und Edle gewollt und daß ihm in Johanna ein Wesen zur Seite gestanden, die mit ihm die riesige Aufgabe wohl erkannte, der sie gewachsen zu sein glaubten, und die, wo sie geirrt, schwer dafür gebüßt, aber mit der Freudigkeit eines Märtyrers jede Buße über sich genommen. Nicht am Strande des schönen Rheines, den sie so sehr geliebt, in fremder Erde ruht ihr Leib. Er ruhe in Frieden, und Ehre und Liebe mögen ihr Gedächtniß durch die Jahrhunderte begleiten, in welchen man die Namen des edlen Paares noch nennen wird.

E.


Zooplastik.

Angeregt durch die Beschauung einer Abtheilung des zooplastischen Cabinets des Herrn Leven in Frankfurt a. M., die zur Zeit in Dresden aufgestellt ist, kann ich mir nicht versagen, eine der gelungensten Gruppen im Bilde wiederzugeben, und von meinem Standpunkte aus einige Bemerkungen über diese interessante Ausstellung beizufügen. Gleich beim Eintritte glaubt man sich in Wald und Gebirge versetzt. Felsen, Schluchten, düstere Tannen, Büsche, Schilf, Moos und Gräser umgeben uns, und dieser aus natürlichen Stoffen künstlich geschaffenen örtlichen und vegetabilischen Verschiedenheit entsprechen die mannichfachsten Gruppen von Thieren, welche mit so anatomisch wie künstlerisch feinem Verständniß ausgestopft sind, daß sie zu leben scheinen. Hier balzt der liebebrünstige Auerhahn im dürren Wipfel, dort schleicht der Biederschurke Reinecke an Schilf oder Busch umher, einmal mit Erfolg, eine Ente erwischend, ein andermal mit giftig lüsternem Blicke einem aufstehenden Fasan nachsehend, von dem er in zu kurzem Sprunge nur ein paar Schwanzfedern erobert hat. Aus düsterem Waldesdunkel äugt das alte Reh hervor, von seinen zwei Kälbchen vertraulich umspielt. Wieder anderswo ist „Lampe“ von Wiesel und Raubvögeln oder sonstigem Jagdgesindel, welches Geschmack an ihm findet, angegriffen, und habsüchtig schlägt sich das Raubzeug um das unglückliche Opfer.

Ferner gibt es vorstehende Hühnerhunde, bei denen man nicht einmal die fehlende wirkliche Bewegung vermißt, weil in solchen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_315.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)