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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

des Bauches. Und sonach würde gegen Unterleibsbeschwerden folgendes diätetische Recept zu verschreiben sein:

Rec. Zweckmäßige Bewegung 1), zumal des Bauches und im Freien. –
Kräftiges Athmen 2), besonders tiefes Einathmen. –
Ordentliche Leibesöffnung 3), aber ohne Beihülfe von Abführmitteln. –
Mäßigkeit und Einfachheit im Essen und Trinken 4), besonders reizlose Kost. –
Reichliches Wassertrinken 5), doch lieber von warmem als kaltem. –
Gehöriger Raum 6) für die Ausdehnung und Bewegung des Magens und Darmcanales. –
S. Zu befolgen wo möglich in einer hübschen, zusagenden und unterhaltenden Gegend und Gesellschaft, bei behaglicher und heiterer Gemüthsstimmung, entfernt von den Berufsgeschäften.

Ad 1) Zweckmäßig wird nun aber die Bewegung für einen Unterleibs-Angeschoppten dann sein, wenn sie eine ebenso allgemeine, alle Theile des Körpers (und dadurch auch das Herz in Thätigkeit versetzende, wie eine örtliche (active und passive), vorzugsweise die Bauchwand und so mittelbar die Verdauungsorgane mit ihren Gefäßen betreffende, natürlich aber keine unmäßig anstrengende ist. Deshalb kann angerathen werden: Turnen, Kegeln, Holzsägen, Gartenarbeiten, Fußtouren, Bergsteigen, zeitweiliges Kneten, Drücken und Pochen des Bauches, Rumpfbewegen (Vor- und Seitwärtsbeugen, Strecken und Drehen, aus dem Liegen zum Sitzen Aufrichten) u. s. w.

Ad 2) Tiefes Einathmen (Ausdehnen des Brustkastens) übt insofern einen großen Einfluß auf den Unterleibsblutlauf aus, als dadurch das Blut (wie durch das Aufziehen einer Spritze) aus der Leber heraus und in die Brust gesogen wird, deshalb aber das ganze Pfortaderblut flotter vorwärts und in die Leber einströmen kann. Man athme deshalb des Tages öfters, und natürlich in guter Luft, langsam und tief ein. Es muß dieses Einathmen aber stets erst durch Uebung gelernt werden.

Ad 3) Eine ordentliche Leibesöffnung darf ja nicht durch Arzneimittel erzwungen werden; nur wenn die Verstopfung hartnäckig ist, sind Klystiere (von warmem Wasser mit etwas Oel) in Gebrauch zu ziehen. Gegen Früchte und Fruchtsäfte, welche den Stuhl erleichtern, wie Pflaumen, Weinbeeren (aber ohne Schale und Kerne), Aepfelwein u. dgl., ist nichts zu sagen. Uebrigens wird beim richtigen Beobachten der hier angegebenen Regeln der Stuhl nach und nach auch ohne andere Hülfsmittel schon regulirt werden.

Ad 4) Die Kost sei nicht zu reichlich und fettreich, nicht zu stark nährend und schwerverdaulich, nicht blähend, erhitzend und erregend, sondern einfach, leicht verdaulich und reizlos, kurz eine gut zubereitete Hausmannskost. Von Getränken sind die spiritusreichen zu meiden; ein leichtes Bier schadet nicht. Mäßigkeit, Einfachheit und Regelmäßigkeit im Essen und Trinken ist die halbe Cur.

Ad 5) Reichliches Wassertrinken unterstützt durch Verdünnen und Flüssigermachen des dicklichen Pfortaderblutes das Strömen desselben durch die Leber nicht unbedeutend. Hierbei heißt’s wirklich: „Viel hilft viel“. Um aber dem Magen durch die Kälte des kalten Wassers nicht zu schaden (einen Katarrh zuzuziehen), ist es rathsam, das Wasser als warmes wie in Karlsbad zu trinken (so warm etwa, wie man den Kaffee und Thee genießt).

Ad 6) Die unbehinderte Ausdehnung des Bauches ist dem Unterleibsblutlaufe sehr förderlich. Deshalb ist jede den Bauch beengende Kleidung (besonders beim weiblichen Geschlechte), sowie anhaltenden Gebückt- und Krummsitzen (zumal bald nach dem Essen) von Nachtheil. Also sorge man für gehörig lockere Bekleidung und für möglichst aufrechtes Sitzen.

Unsere spaßige Feindin, die Homöopathie, die doch sogar gegen unglückliche Liebe mit Weinerlichkeit und Selbstentleibungssucht im Aurum (Gold! vielleicht gemünztes?) ein vorzüglichen Heilmittel besitzt, hat zur Zeit leider kein Hauptmittel, das dem trägen Pfortaderblutlauf auf die Beine helfen könnte, und man ist deshalb gezwungen, gegen die einzelnen beschwerlichen Folgen dieser Trägheit mit verschiedenen Mitteln anzukämpfen. Nux vomica und Sulphur leisten gegen die meisten dieser Beschwerden gute Dienste, doch sollte sich die Hypochondrie bis zum wahren Lebensüberdruß und zu wirklicher Schwermuth steigern, dann geht’s nach Herrn Dr. Clotar Müller ohne Arsen und Aurum nicht, während bei geruchlosen Blähungen Belladonna und Lycopodium, bei lästigem Jucken am Mastdarme außer Schwefel und Nux noch Aconit und Sepia, und bei mehr brennendem oder schründendem Schmerze am After Arsen und Capsicum von ausgezeichnetem Erfolge sind.

Bei Melancholie mit Weinerlichkeit und der Sucht zu beten empfiehlt Herr Dr. Hirschel die Pulsatilla; den Schwefel dagegen bei Melancholie mit großer Gleichgültigkeit, religiöser Stimmung und Verzweiflung; Kupfer bei Mangel an moralischer Kraft und Murrsinn. Und das wäre nicht spaßig?

Bock.




Die deutsch-englische Mendelssohnfeier im Krystall-Palaste.

Es war schon öfter Grund vorhanden, darauf hinzuweisen, daß die Deutschen das eroberndste Volk der Erde sind. Ihre Waffen sind Wissenschaft, Kunst, Industrie und persönliches Schaffen und Wirken in aller Herren Ländern. Sie erobern mit ihren Puppenköpfen und Spielsachen gründlicher und mehr, als Engländer, Russen und Amerikaner. Die Griechen eroberten Troja durch die List des großen hölzernen Pferdes, in welchem Krieger verborgen waren. Die Deutschen schicken ähnliche Eroberungs-Truppen in Holzkisten verpackt in fast alle Städte und Gegenden der Erde: Schachteln voll Bleisoldaten und Nußknacker, Wiegenpferde und Holzsäbel. Die deutschen Spielwaaren – einer der wichtigsten Welthandelsartikel – sind zugleich die universalste Weltzeichensprache. Im Bereich der Künste ist es die deutsche Musik, vor der sich alle gebildeten Völker und Menschen der Erde freudig und andachtsvoll beugen.

Wir beschränken uns hier auf England, wo der deutsche Musik-Cultus durch die Compositionen unserer größten Tondichter, durch deutsche Musiker, Virtuosen, Musiklehrer, durch musikalische Feste und Feierlichkeiten vielleicht am weitesten und großartigsten ausgebildet ist. Das größte Musikfest der Welt galt dem Deutschen Händel im Krystall-Palaste. Am 4. Mai d. J. huldigten sie durch eine ähnliche Feierlichkeit dem jüngeren, in ewiger Jugend früh verstorbenen Mendelssohn-Bartholdy, einst dem Genius der Leipziger Gewandhaus-Concerte, dem Dichter des „Sommernachtstraums“, des „Paulus“, der „Antigone“, der „Walpurgisnacht“, des „Elias“, der ewig Schönes schuf und mit Immermann noch Höheres erstrebte, die Erhebung deutscher Theater zu wahren Kunsttempeln.

Seine Popularität und Berühmtheit in England verdankte er zunächst seiner Wirksamkeit daselbst während einer mehrjährigen Kunstreise, die er hauptsächlich in England zubrachte, dann aber besonders seinem Oratorium „Elias“, das er für das große Musikfest in Birmingham (1846) componirt hatte. Er verbesserte und vervollkommnete es für eine Aufführung in London (April 1847), die so mächtig wirkte, daß ihn Kritik und Publicum zum alleinigen, würdigen Nachfolger Mozart’s und Beethoven’s erhob. Mendelssohn war sofort der gefeiertste Tondichter Englands. Die Nachricht von seinem plötzlichen Tode wirkte wie eine nationale Trauerkunde. Man beschloß, ihn durch ein großartiges Denkmal, eine große Bronze-Statue zu verherrlichen, eine Ehre, die außer Händel noch keinem Componisten zuerkannt worden war. Das Geld dazu war bald von Kennern und Verehrern, mit der Königin und Prinz Albert an der Spitze, gezeichnet. Nur bei der Ausführung stieß man auf Schwierigkeiten, die erst durch die Feier vom 4. Mai schließlich erledigt wurden. Man konnte sich erst nicht über den Ort der Statue, hernach nicht über die Portrait-Aehnlichkeit des zu Verherrlichenden einigen, da viele ganz verschiedene Portraits vorlagen, über welche sich persönliche Freunde und Freundinnen desselben oft im entgegengesetzten Sinne aussprachen. Endlich gelang es dem Bildhauer Charles Bacon, mit dem Rathe Jenny Lind’s, Benedict’s etc. zu einem Abschlusse zu kommen. Für die von Robinson und Cottam gegossene Statue Bacon’s fand sich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_329.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)