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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

weit eher und näher, als jedes andere Wild, dem Menschen anschließt. In kleineren Parks, wo das Schwarzwild geschont wird, legt es seine Wildheit oft mehr ab, als dem Eigenthümer lieb ist.

Ein drolliges Beispiel dieser Art verdient hier in Kürze erwähnt zu werden. Der Gutsbesitzer X…, welcher ein Dutzend Bachen und einen Keiler in einem Park ausgesetzt hat, tritt bald darauf eine Reise in’s Ausland an, von welcher er erst nach achtzehn Monaten zurückkehrt. – Der Parkwärter meldet dem Herrn, daß die Sauen sich inzwischen über alles Erwarten vermehrt haben, und einige Tage später fährt der Gutsbesitzer mit einer zahlreichen Jagdgesellschaft, mit Doppelbüchsen, Hirschfängern und großen Fangspießen bewaffnet, hinaus, um den Sauen recht häßlich mitzuspielen. Der Parkwärter ist zufällig abwesend, man beginnt daher auf eigene Hand die Suche; indessen wird eine Dickung nach der andern abgetrieben und durchkrochen, ohne daß eine einzige Sau vorkommt. – Der Boden ist mit Fährten wie besäet und die Jäger wundern sich billig, wo in aller Welt die Sauen heute stecken mögen. Endlich kommt der Parkwärter und meint, so viel Mühe hätte man nicht nöthig gehabt, denn die Sauen hätten sich ganz in der Nähe seiner Wohnung „eingekesselt“. Daselbst angelangt, läßt der Wärter den bekannten Ruf: „Komm Suh, Suh!“ ertönen, und gleich darauf trollt das ganze Rudel – unter einem alten Holzschuppen hervor und gruppirt sich ganz zutraulich um die erstaunte Jagdgesellschaft. Eine alte Bache war sogar so ungenirt, sich den Buckel an dem Schaft des Fangeisens zu reiben, auf welchen sich der Jagdherr kopfschüttelnd stützte!

Alles brach natürlich in homerisches Gelächter aus, und es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß Niemand Lust hatte, auf die harmlosen Sauen zu schießen.

(Schluß folgt.)




Die deutschen Erwerbs-Genossenschaften und Schulze-Delitzsch.

Der neuerlich in diesen Blättern befürwortete, schon seit längerer Zeit von den deutschen Erwerbsgenossenschaften (Associationen) gehegte Wunsch, sich die Wirksamkeit ihres Gründers, des preußischen Kreisrichter a. D. Schulze-Delitzsch, für immer zu erhalten, um in ihm einen stets bereiten Helfer und Rather, einen Vertreter ihrer Interessen in der Presse wie sonst im öffentlichen Leben, endlich einen Führer in der weitern Ausbildung der genossenschaftlichen Formen zu haben, ist um ein Bedeutendes seiner Erfüllung näher gerückt. Hatte schon der im Juni 1859 in Weimar abgehaltene erste Vereinstag deutscher Vorschuß- und Credit-Vereine in richtiger Auffassung des Werthes einer solchen Anwaltschaft oder Agentur, dem Herrn Schulze das Central-Correspondenz-Bureau für sämmtliche Vereine zu obigem Zwecke übertragen und ihm zur Deckung der Kosten 1/2 Procent vom Reingewinn der einzelnen Vereine, welche sich desselben bedienen, bewilligt, so hat man nun den fernern Schritt gethan, und an eine mindestens theilweise Remuneration der Arbeiten und Bemühungen gedacht, denen sich Herr Schulze zur Förderung des Genossenschaftswesens unterzieht. Durch den Vorschußverein zu Luckenwalde und dessen energischen Leiter, Herrn Gerlach, ist an die deutschen Erwerbsgenossenschaften, insbesondere die Vorschuß- und Creditvereine und die Rohstoff-Associationen in den einzelnen Handwerken (Schuhmacher, Tischler, Schneider, Buchbinder etc. etc.), die Aufforderung ergangen, etwa 3–4 Procent vom Netto-Gewinn ihrer Geschäfte zu einem Honorar zu bewilligen, durch welches Schulze in den Stand gesetzt werden soll, seine Zeit und Kraft ausschließlicher, als bisher, der immer größere Dimensionen annehmenden, für die Hebung unseres kleinen und mittleren Gewerb- und Arbeiter-Standes so unendlich wichtigen Bewegung zu widmen. Auch war es die höchste Zeit, wenn man sich die bisher ohne jede Entschädigung geübte und obenein mit nicht unerheblichen Kosten verbundene Thätigkeit des Mannes ferner erhalten wollte, da ihn die Rücksicht auf seine und seiner Familie Existenz, welche hauptsächlich vom Ertrage seiner Feder abhängt, an eine feste und lohnende Stellung zu denken nöthigt, wozu sich ihm neuerlich mehrfache Gelegenheiten darboten.

Wenn nun auch gegen die ihm eröffneten Aussichten dasjenige, was ihm Seitens der Associationen geboten wird, sehr zurücksteht, so ist doch Schulze, wie sich erwarten ließ, dem an ihn gerichteten Verlangen entgegengekommen und hat, um eine möglichst allgemeine Betheiligung der Vereine ohne irgend nennenswerthe Opfer ihrerseits zu erzielen, die ihm zugedachten Antheile am Reingewinn derselben selbst auf zwei Procent herabzusetzen und dabei, zu Gunsten der größern Vereine, noch ein Maximum innezuhalten gedrungen, wodurch die Beiträge selbst bei sehr ausgebreiteten und gewinnreichen Geschäften innerhalb sehr mäßiger Grenzen gehalten werden. Bereits haben denn auch 40–50 Vereine sich zur Gewährung einer solchen Remuneration bereit erklärt, und bei einer Anzahl anderer ist dasselbe in nächste Aussicht gestellt, indem an vielen Orten schon die Generalversammlungen behufs der desfallsigen Beschlußfassung anberaumt sind. Hiermit darf man die Ausführung des Plans für gesichert annehmen, und wenn die Remuneration Schulze’s zu Anfang die Summe von 200–300 Thaler kaum übersteigen wird, so steht doch für die Zukunft ein besseres Resultat mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, da die in immer wachsender Menge alljährlich neu auftretenden Vereine, welche gerade am meisten der Förderung und Auskunft bedürfen, durch ihr eigenstes Interesse zu einer solchen bewährten Anwaltschaft hingedrängt werden.

Zum Schlüsse mag die von Schulze in dieser Angelegenheit abgegebene Erklärung wörtlich angefügt werden, theils um zu zeigen, in welcher Weise derselbe seine Stellung zu den Vereinen auffaßt, theils um die große Bedeutung für unser öffentliches Leben hervorzuheben, welche einem solchen Vorgehn der Vereine beizumessen ist. Möchten seine Worte, zum eignen Besten aller Betheiligten, überall den warmen Anklang finden, den die Sache verdient.


Erklärung.

Von den deutschen Erwerbs-Genossenschaften, welche sich seit den letzten zehn Jahren nach den von mir vertretenen Grundsätzen gebildet haben, sind mehrere zusammengetreten, um eine Einigung, besonders unter den Vorschuß- und Credit-Vereinen und den Rohstoff-Associationen zu Stande zu bringen, welche bezweckt, mir durch ein gemeinschaftlich auszusetzendes Gehalt es zu ermöglichen, meine Thätigkeit ausschließlich der Förderung der Genossenschaftssache zu widmen, und die mehrfachen Anerbietungen und Aussichten, welche mir neuerlich auf eine lohnende Stellung anderweit eröffnet sind, auszuschlagen. Es ist an mir, mich über dieses Vorhaben zu erklären.

Bei dem Umfange, den die Genossenschaftsbewegung bei uns erreicht hat, und der sich mit jedem Jahre erweitert, sehe ich mich schon jetzt außer Stande, den von allen Seiten an mich gestellten Anforderungen um Rath und Auskunft zu genügen, will ich nicht meine ganze Arbeitszeit opfern. Kommt es nun gar noch darauf an, die Bewegung weiter fortzuführen, das bisher Geleistete weiter auszubilden, so wird es unerläßlich, daß Jemand seine ganze Zeit und Kraft dieser wichtigen Angelegenheit widme. Was mich anlangt, so müßte ich namentlich allen juristischen Arbeiten entsagen, auf welche ich meiner Subsistenz halber großentheils angewiesen bin, weshalb es mir ohne eine mindestens theilweise Remuneration allerdings nicht möglich sein würde, mich der Aufgabe in ihrem ganzen Umfange zu unterziehen. Bei Regelung der mir zugedachten, ganz außergewöhnlichen Stellung dürften daher etwa folgende Hauptgesichtspunkte in das Auge zu fassen sein:

1) Vor Allem muß dieselbe eine durchaus würdige sein, da ich bei meiner Wirksamkeit des moralischen Einflusses, eines auf freies Vertrauen gegründeten Ansehens nicht entbehren kann. Die Hebung der Erwerbszustände der am meisten betheiligten Classen greift überall in das sittliche und intellectuelle Gebiet rurück, und die hier anklingenden Saiten können von mir nur dann mit Erfolg angeschlagen werden, wenn ich selbst unantastbar in dieser Beziehung dastehe. Dazu gehört namentlich die vollste Selbstständigkeit meinerseits, sowohl in Beziehung auf das, was man mir bietet, als auf das, was man von mir dafür verlangt. Das ganze Verhältniß muß daher rein geschäftlich auf der allein gesunden Grundlage von Leistung und Gegenleistung begründet werden, indem nur so jeder Theil dadurch, daß er sich selbst, wie dem Andern vollkommen gerecht wird, sein Selbstgefühl, seine innere Freiheit und Charakter-Würde wahrt. Aber wie ich jede Remuneration, die ich nicht durch meine Arbeiten verdiene, ablehnen müßte, so würde ich es auch in Beziehung auf alle und jede Anmuthungen, in der mir zugedachten Stellung irgend Etwas gegen meine Ueberzeugung zu thun und zu vertreten. Niemals werde ich mich zum bloßen Lohndiener von Ansichten und Bestrebungen hergeben, die etwa unter den Mitgliedern der Genossenschaften sich geltend machen könnten, im Fall ich von deren Verderblichkeit und Verkehrtheit überzeugt wäre. Das, was ich den Genossenschaften biete, ist der redliche Wille, ihren und ihrer Mitglieder wahren Interessen mit meiner
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_366.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)