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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Der projectirte zoologische Garten in Dresden.

17½ Procent): – ein Resultat, welches man schon vermuthen konnte, in Betracht, daß die bisherigen herumziehenden Menagerien, trotz der ungeheuren Kosten des Herumreisens, des Thierbuden-Aufbaues etc., immer ihren Mann ernährt und oft kostbare Thiere angekauft haben. Aber es ist kaum glaublich, daß dieses Motiv, Geld zu gewinnen, bei den Begründern der zoologischen Gärten irgend vorgewaltet habe.

Also „was wollen denn die Leute damit?“ Ich glaube, der Grund liegt in einer tiefgehenden Geistesströmung unserer Zeit, über welche mancher Einzelne sich vielleicht selbst nicht klar ist. Dieselbe offenbart sich in dem Zudrang, welchen jetzt auch die naturwissenschaftlichen Vorträge, die Museen, die Kunstgärten und Pflanzenausstellungen allenthalben und unter den verschiedensten Classen finden. Dieselbe offenbart sich in der zunehmenden Bevorzugung des realistischen und naturwissenschaftlichen Lesestoffs in der Volksliteratur (die „Gartenlaube“ nicht ausgeschlossen). Dies ist nicht ein bloßer Drang der Neugierde oder eine (etwa durch Humboldt’s „Kosmos“ angeregte) Zeitmode. Es ist ein Gemüthsdrang, ein Ruf des Herzens, der die Leute heutzutage zur Naturanschauung treibt. Sie fühlen das Bedürfniß, mit eigenen Sinnen so viel als möglich von der Schöpfung zu erkennen und aus eigener Wahrnehmung die Naturgesetze zu begreifen. Man studirt heutzutage die Herrlichkeit des Schöpfers unmittelbar an der unendlichen Zahl und vielfältigen Pracht seiner Geschöpfe, an der wunderbaren Einfachheit seiner Naturgesetze (z. B. Gravitation, Wellengesetze, Unzerstörbarkeit von Stoff und Kraft), an der kolossalen Unermeßlichkeit des Weltgebäudes selbst. Damit fällt allerdings der alte Himmel, welcher zeltförmig die als eine Scheibe gedachte Erdfläche überwölbte, sammt seinen Bewohnern und ihren (oft sehr orientalischen) Hofsitten hinweg. Oder vielmehr, er ist schon vernichtet, und die Mehrzahl der Leute tappt nach einem neuen Glaubensfundament umher, das mit den unumstößlichen Thatsachen der neuern Naturwissenschaft besser in Uebereinstimmung gebracht werden könne und welches doch gleichzeitig das jeder Menschenbrust eingeborene und von der Vernunft dringend geforderte Sittengesetz erhalten, veredeln, befestigen soll.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_380.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)