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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

den Kaiser fügte er hinzu: „Man liebt ihn nicht – weil man ihn nicht achtet; besonders wegen seines Wandels, dem auch der Anlaß seiner Wahl entspricht: er war verliebt in Doña Eugenia, weil sie schön ist, und ließ sich mit ihr trauen, weil er sie nicht als Geliebte erlangen konnte.“ – „Mon Todo, mein Todo kommt!“ ruft die Kaiserin Eugenie, wenn sie die Schritte ihres Gemahls erkennt, springt auf ihn zu, küßt und streichelt ihn. So erzählen die in ihrem Appartement beschäftigten Frauen. Aus guter Quelle glaube ich zu wissen, daß die bangen Eltern vor einigen Jahren einen berühmten deutschen Leibarzt über den kleinen Prinzen zu Rathe zogen. Die Pariser Doctoren scheinen wegen der Teilnahmlosigkeit des Blickes einen Mangel an Sehkraft, mit einem Worte Blindheit gefürchtet zu haben. Unserem genialen Landsmann gelang es, durch glückliches Experimentiren mit einem Stabe in der Luft die Aufmerksamkeit des Kindes zu wecken: er greift nach dem Stabe – der kaiserliche Knabe ist nicht blind! Man denke sich die Wonne von Vater und Mutter!

„Sie ist’s – sie ist’s!“ rufen die Damen, sich in die Straße stellend, wenn sie vorüber fährt in ihrem vierspännigen Glaswagen, anmuthig grüßend; und Alles zieht unwillkürlich die Hüte vor der schönen Frau. Wird sie nicht gähnen im Staatsrath? Wenigstens behauptete man, daß sie in der ersten Zeit, wo sie die Krone trug, sich oft ausgesprochen, daß, wenn sie gewußt hätte, wie viel Langeweile man auf dem Throne ausstehen müsse, sie niemals Kaiserin geworden wäre. Wir sehen zum Mindesten da einen von den vielen längst verheißenen und angedrohten Fortschritten in Wirkung treten: Emancipation des Weibes. Wenn man hört, daß Eugenie im Staatsrath präsidirt, die österreichische Botschafterin bei Hofe Auffahrt hält und ihr Beglaubigungsschreiben überreicht – muß man da nicht denken, daß eine moderne Amazonenzeit anbricht?

Was die Herrschaft der Kaiserin auf weiblichem Gebiete betrifft, wollen wir sie verantwortlich machen für den verschwenderischen Kleiderluxus, den sie begünstigt, vielleicht der Industrie zu Gefallen begünstigen muß. Der kolossale Aufwand unter diesem Regiment hat etwas, das an die Verfallsperioden römischen Cäsarenthums mahnt. Damit gründet man keine Dynastien, damit vernichtet man sie nur. Die Toilette zerrüttet heutigen Tages die Familie und durch sie den Staat. Es ist Thatsache, daß die Damen gegenwärtig in Paris sich nicht mehr träumen lassen, ihre Rechnungen in den Magazinen zu zahlen, sondern froh sind, nur die laufenden Zinsen dieser Rechnungen noch zahlen zu können. Somit wäre der immer in den Vorgrund geschobene Vortheil für Handel und Gewerbe auch nicht so glänzend.

Anfangs machte sich dieser Einfluß der jungen Kaiserin dadurch geltend, daß sich die ohnehin graziösen spanischen Moden mehr in der Hauptstadt verbreiteten, die sich ihnen eigentlich schon seit der Verlobung der Herzogin von Montpensier zuneigte. Man sah von jetzt an, neben einem viel ausgedehnteren Gebrauche des Fächers, auffallend viele schwarze Toiletten in den Straßen von Paris. Zudem sandten die Pyrenäen eine Menge Gäste. Die Theater bemächtigten sich einiger Helden der Familie Montijo. Der Faubourg von St. Germain spielte in das Andalusische hinüber. Ich selbst lernte in den Salons Damen kennen, welche durch die gemeinschaftliche Abstammung von Don Guzman mit der neuen Kaiserin verwandt sein wollten und eifrig die Sonntagsmesse in der Capelle der Tuilerien besuchten. Man lernte die Castagnetten schlagen und jenen unnachahmlichen Schwung des iberischen Fächers.

Zu den wirklichen und nächsten Angehörigen der Kaiserin zählt der jetzige Herzog von Alba, welcher mit ihrer Schwester vermählt ist. Die alte Gräfin Montijo wußte derselben die beste Partie zu geben, die man in Spanien machen konnte. Ihre andere Tochter machte dann – die beste Partie in Frankreich, oder die erste doch wenigstens. Die Familie des Herzogs findet sich öfters zum Besuch in den Tuilerien ein oder begleitet die Kaiserin in die Bäder. Louis Napoleon pflegt dann eine Dame du Palais der Letzteren – die Palastdame erzählte es mir gelegentlich selbst – in sein Cabinet rufen zu lassen, um ihr den Auftrag zu ertheilen: „d’acheter des joujous pour les enfants du duc d’Albe.“ – Zuerst fiel der Herzog von Alba durch sein kleines schwächliches Aussehen in Paris auf. Daher muß er zweifelsohne derselbe sein, von dem man von verschiedenen glaubwürdigen Seiten, darunter Damen und Herren aus Madrid selbst, uns den merkwürdigen Fact verbürgt, daß dieser noch lebende Herzog Alba – schon vor seiner Geburt begraben war. Als seine Mutter ihn unter dem Herzen trug, erkrankte sie schwer. Bald blieb keine Hoffnung mehr, die Herzogin zu retten. Sie starb auf einem ihrer Schlösser, entfernt von Madrid. Als Leiche ließ man ihr, wie dies in Spanien Sitte bei Vornehmen ist, alle Kostbarkeiten, welche sie zu tragen pflegte, und deren waren nicht wenige. So ward sie in der Familiengruft beigesetzt. In einer Nacht drangen Männer aus der Umgegend oder aus dem herzoglichen Hause selbst in die Todtengenwölbe ein, den Sarg zu berauben. Am kleinen Finger der Herzogin steckte ein Diamant. Der Ring wollte nicht heruntergehen. Da sägten die Räuber den Finger ab. Von dem Schmerz geweckt, kommt die nur Scheintodte wieder in das Leben zurück. Sie richtet sich in ihren Grabtüchern auf im Sarge. Die Räuber fliehen vor dem Anblicke erschrocken, lassen aber das Grabgitter auf. Die Herzogin kehrt in ihr Schloß heim, wo man sie gleich einem Geiste empfängt. Als ihre Stunde nahte, genas sie eines Sohnes. Er soll von Kindheit an bis auf den heutigen Tag immer leichenblaß gewesen sein. Die Alabasterfarbe des gegenwärtigen Herzogs von Alba stimmt mit der Schilderung überein. Auch der Herzog von Medina Sidonia ist einmal in Paris erschienen, der vornehmste und mächtigste Grande Spaniens. Er ist ebenfalls sehr klein von Figur. Bei einem Hoffeste in den Tuilerien hörte er, wie sie spottend hinter ihm flüsterten: „Der Kleine!“ – Da wendet er sich und sagt: „In meinem Hause nennt man mich groß“ (Grand).

Wenn ich mich etwas von Doña Eugenia entfernt habe, so geschah es mit der Absicht, noch einmal zu ihr zurückzukehren, um hinzuzufügen, daß sie mir am unüberwindlichsten scheint, nicht im Staatsrathe, sondern in einem andern Reiche, in ihrem eigentlichen Reiche, das sie sich selbst erobert und gegründet hat: in dem der Blumen. Sie liebt, sie beschützt die Blüthen, ist deren Patronin im ganzen weiten Frankreich. Sie steht an der Spitze aller Blumenvereine und Blumenausstellungen. Als Huldigung für sie zaubert man die vollste Feenpracht der Flora hin. So ist die holde Frau mitten in ihrem blumenliebenden, blumenduftenden Paris, wie auf einem Blüthenthrone, die echte Blumenkaiserin.

Dieser Vorstellung entspricht die Miniature der Kaiserin, die mir Passot gezeigt, und zu der sie ihm selbst gesessen hat. Er dürfte wohl für den ersten jetzt lebenden Miniaturemaler gelten, sowie man auch das Portrait von ihr für das beste hält, das noch gemacht worden ist. Ich will es gern glauben, weil ich so nun eine ganz andere Auffassung von ihr gewann. Was mir in der Wirklichkeit einigermaßen matt erschien, ist nur die spanische Langueur. Wenn Doña Eugenia redet, dann kommt das „épanouissement“, wie sie sagen, das alle spanischen Physiognomien haben sollen, „la fleur“, wie meine Freundin Gräfin Iñes (Agnes) mich belehrt. „Im Vorbeifahren,“ behauptet Graf R., „sieht man sie nur so kalt, müde. Aber wenn sie spricht – da schmilzt alles!“ – In dieser Miniature ist es eine wahrhaft kaiserliche Erscheinung, und Geist leuchtet aus den Augen – so etwas pflegt ein Miniaturmaler gewöhnlich nicht hineinzutragen. Welche schöne Büste, welcher Schwanenhals! Ganz einfach, nur von einer Perlenschnur umwunden. Vor diesem Bilde will ich abbrechen, um nicht zu bitter, zu gellend endigen zu müssen. Die Schönheit hat immer etwas Versöhnendes. Nicht Geschichte will ich in diesen lose an einander gefädelten Anekdoten geben, nicht einmal Chronik, blos Material für den Historiker.




Kleiner Briefkasten.

Der Verehrerin der Gartenlaube zur Nachricht, daß Herr Professor Bock vorläufig Leipzig nicht verlassen wird und täglich zu sprechen ist.

H. M. in L. Bedauern, von Ihrer freundlichen Offerte keinen Gebrauch machen zu können.

At. in Warschau. Der erste Jahrgang ist gänzlich vergriffen, der zweite Jahrgang ist auf antiquarischem Wege leicht zu erlangen.

S. in F. Wir können Ihnen für diesen Fall nur die „Süddeutsche Zeitung“ (in München erscheinend) empfehlen, die mit vielem Geschick und Freimuth eine gesunde nationale Politik vertritt. Die norddeutschen Blätter verfolgen mehr oder weniger dieselbe, die sogenannte kleindeutsche Richtung, und haben in neuerer Zeit viel an Frische und Entschiedenheit gewonnen.

A. F. in Moskau. Von dem „Drama in der Luft“ können wir keinen Gebrauch machen, dagegen sehen wir Ihren Artikeln über Ihre neue Heimath mit Vergnügen entgegen.

E. B. in L. Die „Schrulle“ scheint sich endlich doch Bahn zu brechen. In den höheren Kreisen der Düsseldorfer Gesellschaft werden in den lithographirten Einladungen jetzt schon Frack und Reifröcke ausdrücklich verbeten. Nur frisch vorwärts gegen alle Geschmacklosigkeiten! Hoffentlich kommt nächstens auch die Angströhre daran.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_448.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)