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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Australien und die australische Race.
Von Fr. Gerstäcker.

Es sind in letzter Zeit wieder eine Menge von Gerüchten aufgetaucht, daß neue fruchtbare wasserreiche Strecken im Inneren Australiens entdeckt wären; ja die Zeitungen phantasirten sogar von einem mehrere englische Meilen breiten Strome, den man dort gefunden haben wollte; kein Blatt gab aber an, wohin er strömte, woher er kam.

Es sind das lauter Märchen, die sich auf ein Minimum reduciren, und sämmtliche neue Entdeckungen laufen höchstens darauf hinaus, daß noch einige Stellen im Inneren, und nicht zu weit von der Küste entfernt, gefunden sind, wohin ein paar Stationsbesitzer ihre Schafheerden treiben können, denn mit der dortigen Nahrung, die gerade die Schafe abweiden, mit dem im trockensten Sandboden wachsenden, sehr saftigen pjgsface und Satzbusch, können diese Thiere auch vollständig das ganze Jahr ohne Wasser bestehen, während die Schäfer in der „Regenzeit“ zum Trinken wie Waschen genug haben, und sich in der trockenen Saison das Waschen abgewöhnen.

Es gibt Leute in Deutschland wie England, die noch immer die Hoffnung haben, daß in dem ungeheueren Inneren des Landes wichtige Entdeckungen für die Colonisation gemacht werden würden – aber es sind nur solche, die das Land nicht von eigenem Beschauen kennen, und die Zeit wird lehren, daß all ihre Hoffnungen vergebens waren.

Die Erforschung des inneren Australiens hat in der That etwas ungemein Aehnliches mit der Untersuchung und Auffindung der Nordwest-Passage um Amerika – sie ist von rein geographischem Interesse, und wird schwerlich je den geringsten Nutzen für das Land selber bringen. Von der Wasserarmuth jenes ungeheueren Landes hat der Fremde nämlich nur selten einen Begriff und denkt deshalb immer, daß solch ein weites Terrain, das seinen Flächenraum nach Tausenden von Quadratmeilen zählt, auch noch hie und da ein kleines Paradies in seinem Inneren bergen könne, ohne daß man bis jetzt etwas davon entdeckt habe.

Es ist unmöglich, denn zu einem Paradies gehört Wasser, und ein Strom kann im Innern Australiens nicht existiren, weil weder ein Platz da ist, wohin er fließt, noch woher er kommen kann. Australien hat überhaupt nur einen Fluß, der fortwährend fließendes Wasser hält, den Murray, denn selbst der Murrumbidgee, nach ihm der größte und ein in der Regenzeit bedeutender Strom von mehreren hundert Schritten Breite, besteht außer der Regenzeit nur aus einer Kette von Wasserlöchern, zwischen denen man überall hin mit trockenem Fuß gehen kann. Ebenso ist es mit Hunter’s River, auf dem allerdings Dampfboote laufen, aber in der trockenen Jahreszeit nur so weit die Wirkung der Meeresfluth reicht. Darüber hinaus schwindet er ebenfalls zu Wasserlöchern zusammen. Das Nämliche ist es mit dem aus dem Innern kommenden und sich in den Murray ergießenden Darling, das Nämliche mit dem Torrens und allen anderen Flüssen Australiens, einige kleine Bergbäche abgerechnet, die aus den sogenannten australischen Alpen kommen.

Diese australischen Alpen sind die höchsten Berge des Landes, und von ihnen aus geht kein einziger Strom nach dem Inneren, der nicht genau bekannt wäre und im Meere ausmündete, und aus dem Inneren kommen nur jene furchtbaren und heißen Winde, die das sichere Zeichen einer Wüste sind. Wie wenig aber selbst in diesem Inneren auf die Regenzeit zu rechnen ist, davon gab jenes Jahr, in dem ich Australien besuchte (1851), den sichersten Beweis, da am Murray in sechzehn Monaten kein Tropfen Regen gefallen war, und auf der ganzen ungeheueren Strecke kein einziger Grashalm mehr wuchs. Nur in der Nähe der Berge hatte es geregnet.

Jenes Land habe ich in dem 4. Bd. meiner Reisen (J. G. Cotta’sche Buchhandlung) genau beschrieben und damals selber die Gegend besucht, die unmittelbar an dem bedeutendsten Strom des ganzen Continents liegt. Aber selbst dort mußte zu den nächsten Schafstationen, die nur wenige Miles vom Strome entfernt lagen, das Trinkwasser für die Schäfer in Fässern hinausgefahren werden, und dicht am Strome begannen schon die dürren Mullayhügel, die sich wellenförmig in das Innere ausdehnten, und vom Strom ab nicht einmal die Spur eines selbst trockenen Flußbettes zeigten. Der Regen, der dort fiel, wurde auch im Nu von dem Boden aufgesogen und konnte nicht einmal in der Regenzeit eine Rinne bilden. Daß hie und da im Inneren des Landes noch höhere, vielleicht mit Büschen dicht bestandene Strecken liegen, die in der Regenzeit Wasser und Gras, und in der trockenen Jahreszeit Salzbusch und pigsface für die Schafe haben, will ich nicht bestreiten, und mehr verlangen die Schafzüchter auch nicht; für diese gäbe es also in der That noch hie und da ein Terrain, auf dem sie sich ausbreiten könnten, aber daß ein großer Strom, daß ein fruchtbares Land im Inneren bis jetzt entdeckt wäre, ist ein Märchen, und wird ein Märchen bleiben noch für Jahrhunderte lang. Daß es sich nämlich später ändern könnte, ist möglich, denn in Australien steht die wunderbare Thatsache fest, daß sich das Wasser mehrt. Im Adelaide-District ist es in der That schon in den letzten zehn Jahren geschehen, und im Lyndock-Valley, dem fruchtbarsten District in der Nähe Adelaide’s, das einen prachtvollen Ackerboden hat, ist das Wasser in den letzten Jahren so augenfällig gewachsen, daß es sogar einen kleinen See oder Teich gebildet. Möglich, daß das durch irgend eine uns unbekannte Naturkraft, vielleicht durch Hebung des Bodens selber, mit den Jahren noch bedeutender würde.

Eben so irrige Begriffe bestehen über den Ursprung der australischen Eingeborenen, die es mich drängt, zu berichtigen, in soweit ich sie selber nach eigener Anschauung kennen gelernt habe.

Die Eintheilung des Menschengeschlechts überhaupt, wie sie Blumenbach hingestellt hat, ist meiner Meinung nach ungenau, und ich will suchen es zu beweisen. Ich nehme allerdings fünf verschiedene Menschenracen an, wie Blumenbach, aber in anderer Eintheilung, und scheide sie nicht in die kaukasische, mongolische, malayische, äthiopische und amerikanische, sondern in die kaukasische, mongolische, äthiopische, amerikanische und australische, denn die australische ist kein Mischlingsstamm von Malayen und Aethiopiern, während die Malayen selber unter keiner Bedingung eine eigene und selbstständige Race bilden können.

Wir haben eine Anzahl von Menschen, die sich die größte und höchst unnöthige Mühe geben, zu beweisen, daß wir Alle, wie wir den Erdboden bewohnen, von einem einzigen Menschenpaar abstammen, und es geschieht dies einzig und allein nur, um ihrer Meinung nach die Worte der Bibel aufrecht zu erhalten. Das Merkwürdige ist, daß sie dabei von ihrer eigenen Quelle im Stich gelassen werden, denn die Bibel sagt nicht allein nirgends ausdrücklich, daß Adam und Eva die einzigen Menschen gewesen wären, sie spricht nur von den ersten, sondern sie bestätigt auch mit klaren, gar nicht anders zu deutenden Worten, daß außer der Familie von Adam und Eva auch noch andere Menschen existirt haben, indem Kain, nachdem er seinen Bruder Abel erschlagen hatte, „in ein anderes Land ging und ein Weib nahm“. Das alte Testament liefert uns auch nur die Geschichte jenes Erdtheils, der den damaligen Bewohnern bekannt war; sie konnte eben nichts weiter liefern, und wir wären thöricht, mehr davon zu verlangen. Für jenes Ländergebiet und also für die kaukasische Race überhaupt mögen wir denn auch immer Adam und Eva als erstes Menschenpaar beibehalten. Da wir die damalige Zeitrechnung nicht kennen, liegt nicht der geringste Grund vor, jene Angabe zu bezweifeln. Aber außer Asien existirte auch schon damals die übrige Welt, und es wird Niemand kühn genug sein zu behaupten, daß sie Jahrtausende leer gestanden habe.

Mit den Erfahrungen, die wir bis jetzt gesammelt, gibt uns die uns umschließende Natur nicht allein die feste Ueberzeugung, sondern sogar die Gewißheit, daß, wenn nicht die Thiere und Pflanzen von der ersten Möglichkeit ihres Bestehens an gleichmäßig über alle Länder vertheilt wurden, wenigstens verschiedene Centralstellen bestanden haben, von denen aus sie sich in der Nachbarschaft und dem ihnen zusagenden Klima verbreiteten. Der Eisbär und Zobel ist ebenso wenig in einem warmen Klima erschaffen worden und später, mit den dortigen Verhältnissen unzufrieden, nach seiner behaglich kalten Eisregion ausgewandert, wie der australische Gumbaum, mit all den zahlreichen Arten der Banksias, aus Asien stammt, wo nicht einmal die Spur einer ähnlichen Vegetation gefunden wird.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_473.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)