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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

die große Sandwüste abgeschnitten geblieben. Ganz unnähnlich den verschiedenen Inseln des Archipels finden wir aber in ganz Australien nur ein Volk, und zwar vom äußersten Norden bis zum Süden, im öden Innern, wie an allen Küsten, das weder mit den Malayen, noch den Bewohnern der Südsee-Inseln die geringste Aehnlichkeit in Sprache, Sitten, Religion, Gebräuchen, Sagen und Waffen hat. Auf den Boden wanderte auch kein anderer wilder Stamm, der auf das angewiesen blieb, was ihm die Natur selber bot, ein, denn nicht einmal wilde Früchte finden wir in dem Lande, ausgenommen an der Nordküste eine Pflaumenart. Nein, ein Volk, das diese salzigen wasserarmen Einöden bewohnt, mußte auch von Anfang an dafür erschaffen werden, oder hätte es nun und nimmer ausgehalten.

Noch jetzt erhalten sich auch die Australier rein, und wie man überall bei den Stämmen, die mit den Weißen seit Jahren in nächster Berührung stehen und keinen anderen „Handelsartikel“ für sie haben, als ihre Frauen und Mädchen, nie ein Kind von Mischlingsblut findet, weil sie es jedesmal nach der Geburt gleich tödten, so hat sich auch kein anderer Stamm mit ihnen vermischt, wie sie denn auch noch weniger ihren Ursprung von einem anderen ableiten.

In Afrika allerdings bewohnen die Nachkommen der kaukasischen Race, die Einwanderer aus Arabien und Kleinasien – die Mauren – noch jetzt die Wüste Sahara, oder wenigstens die darin liegenden Oasen, aber sie fanden zuerst, wie sie erobernd das Land betraten, eine fruchtbare Küste, weite, wasserreiche Districte, an denen sie sich festsetzen, von denen sie sich ausbreiten konnten, und unterwarfen dabei die Eingeborenen oder trieben sie in’s Innere zurück. So finden wir, wie in Afrika die Abkömmlinge der kaukasischen Race die ganze Nordküste, den größten Theil der Ostküste bis Nubien hinunter und auch einen kleinen Theil der Westküste bevölkerten, und während der eigentliche Urstamm des Landes, die äthiopische oder Negerrace, im Innern unverfälscht blieb, war im Süden oder Südosten auch dieser Theil des Landes den Eroberungen der malayischen Völker ausgesetzt, von denen wahrscheinlich die Kaffern in ihrer Vermischung mit den Negern abstammen.

Für Asien und Europa dürfen wir ebenfalls die auffällig von einander unterschiedene mongolische und kaukasische Race annehmen, die dort, wo sie zusammenstieß, die unzähligsten und verschiedenartigsten Vermischungen hervorrief, trotzdem aber in den Grenzvölkern ihre Spuren zurückließ, wie denn auch z. B. die Slaven wahrscheinlich ihren Ursprung einer mehrfachen Verschmelzung dieser beiden Racen verdanken.

Die amerikanische Race steht ebenfalls selbstständig in dem ungeheuren Continent, denn schon die Farbe derselben verräth, daß sie nicht von Asien gekommen sein kann, wenn auch der Uebergang über die Behringsstraße sonst sehr leicht möglich gewesen wäre. Die amerikanische Race zeigt uns aber auch, wie die Farbenveränderung des Menschen unter einer heißen Zone gar nicht stichhaltig sei, auf welche sich Jene immer stützen, die den Neger gern von Adam und Eva ableiten möchten. Mit nur geringem Unterschied in ihren äußeren Formen, aber mit ein und derselben dunkelkupferbraunen Haut bevölkert dieser Stamm den ganzen ungeheueren Continent, von den nördlichen Eisregionen durch die heiße Zone bis zu dem in Schnee begrabenen Feuerland, und mit derselben Hautfarbe, mit der der Pescheräh über seinem dürftigen Feuer kauert, oder der in sein Büffelfell gehüllte Blackfoot und Sioux auf Schneeschuhen das Wild verfolgt, läuft der Botokude unter seinen Palmen in Brasilien herum. Die Bewohner der heißen Zone hätten allerdings jenem Glauben der Farbenveränderung nach dunkler werden können, als die asiatischen Stämme waren, aber wie steht es dann mit den Bewohnern des hohen Nordens und Südens, denen Eis und Schnee doch schwerlich die verbrannte Hautfarbe geben konnte?

Der amerikanische Stamm bildet also, wie das auch schon die abgeschiedene geographische Lage seines ganzen Landes auf den ersten Blick zeigt, eine auch vollkommen selbstständige Race, wie Amerika auch wieder seine nur ihm eigenthümlichen Pflanzen und Thiere hat, und als wenigstens einer jener fünf Centralpunkte des Erdbodens betrachtet werden muß. Ob nun die Südsee-Inseln, die zum großen Theil erst in späteren Jahren durch das Wachsen der Koralle entstanden, von Amerika oder Asien ihre Bevölkerung erhielten, bleibt sich vollkommen gleich, und meiner Meinung nach wurden sie von beiden Theilen besetzt: vom Westen her durch die unternehmenden seefahrenden Stämme der Malayen, vielleicht auch mit von Australiern, und vom Osten durch die amerikanischen Indianer, die mit ihren leichten Fahrzeugen, nur erst einmal vielleicht durch einen Sturm aus dem Bereich der Land- und Seewinde gebracht, von dem Passat und der dort steten Meeresströmung schon ganz von selbst jenen Inseln zugetrieben wurden. Jedenfalls haben diese ihre Vegetation von Amerika erhalten, denn die Meeresströmung setzt zwischen den Wendekreisen entschieden von Ost nach West.

Wie ich also der festen Ueberzeugung bin, daß Gott den amerikanischen Wilden auch für das Land schuf, das er noch bis zum heutigen Tag bewohnt, wie der Stamm der Neger allein in Afrika heimisch war, wie der Kaukasier aus dem Grenzland zwischen Asien und Europa stammt, und dem Mongolen die ungeheueren Strecken des östlichen Asiens zur Wiege gegeben wurden, so finden wir ebenfalls in den australischen Stämmen eine besonders jenem Lande vollkommen eigenthümliche Race, die weder dem Malayen, noch weniger aber dem Aethiopier für ihren Ursprung zu danken hat, sondern auf dem Boden, auf dem sie lebt, mit dem Känguruh zugleich erschaffen wurde.


Die Fata Morgana in der Wüste.[1]
Schilderungen aus dem westlichen Nordamerika.
Von Balduin Möllhausen.

In den fernen, fernen westlichen Regionen, wo der wolkenlose Himmel sich in selten getrübter Klarheit über endlose Grasfluren und unabsehbare, dürre Sandwüsten wölbt, wo der einsame Wanderer die Richtung seines Weges nach der getreuen Magnetnadel oder nach den leitenden Gestirnen wählt, und vergeblich nach einer Unterbrechung der weitgeschweiften Linie des Horizontes späht, wo kein Baum oder Strauch, kein Hügel oder Berg das müde, irrende Auge grüßt, da schafft die Fata Morgana, bald lockend und fesselnd, bald neckend und peinigend ihre trügerischen Bilder.

Schon in der Frühe beginnt sie ihr launenhaftes Spiel, denn wenn die Sonne, das nächtliche Dunkel verdrängend, sich leise dem Rande der Wüste nähert, dann entstehen im gerötheten Osten, wie von unsichtbaren Händen erbaut, zauberische Paläste, malerische Städte, schlanke Obelisken und regelmäßige Denkmäler, wie sie die kühnste Phantasie nicht wunderlicher zu entwerfen vermag. Es sind dies die verschobenen Formen von Berg, Hügel und Wald, welche, zu ferne, um über den Horizont emporzuragen, sich in den oberen Luftschichten spiegeln.

Wie nun allmählich die Sonne höher steigt, verändern und verkleinern sich die bizarren Außenlinien, und die luftigen, aber scharf abhebenden Bilder erbleichen, ähnlich scheidenden Träumen oder den aus süßem Duft gewebten Palästen der Elfen in den Zaubermärchen. Eilen dann die ersten Lichtstrahlen blitzend über die weite Ebene, so verschwimmen sie endlich ganz im sonnigen Aether, und es zeigt sich dem Wanderer die Prairie wie ein grün schimmerndes Meer, die gelbe Sandwüste aber wie das starre, schreckenerregende Bild des Todes. – Wenn dunkele Schatten noch auf der Ebene ruhen, der Thau vereinzelte Halme perlenähnlich beschwert und den abgekühlten Sand leicht befeuchtet, dann schüttelt der kundige Wüstenreiter den Staub aus seiner Decke, sattelt sein


  1. Die Fata Morgana, Kimmung, Luftspiegelung oder Mirage, wird erzeugt durch die Berührung ungleich erwärmter, mithin ungleich verdichteter Luftschichten und ist eine Art Gesichtstäuschung, die uns in der Ferne oder an dem Himmel verschiedene Bilder, wie Thürme, Thiere, Schiffe etc. zeigt, die in Wirklichkeit gar nicht an diesem Ort vorhanden sind, sondern vermöge einer besonderen Brechung der Lichtstrahlen von anderen Stellen dorthin gezaubert werden. Dergleichen Erscheinungen wiederholen sich in allen Erdtheilen, wo sich große Ebenen befinden, und wo sich die sehr ruhigen, erwärmten und daher verdünnten unteren Luftschichten nur langsam mit den oberen, dichteren mischen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_475.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)