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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

richten,“ sagte Herr Bille mit würdiger Haltung, indem er ebenfalls lächelte und seine Hände faltete.

„Sprechen Sie nicht von Ehre!“ rief Herr Schiemann, „ich werde glücklich sein, wenn Sie mich mit Allem, was ich habe, als Sohn auf- und annehmen. Wollen Sie?“

Er sagte dies sehr zuversichtlich, aber der Pfarrer machte ein süßes Gesicht, wiegte den Kopf dabei und antwortete: „Was könnte mir größere Freude gewähren? Aus dem Grunde meines Herzens bin ich Ihnen dankbar.“

„So erlauben Sie, daß ich Else aufsuche?“ unterbrach ihn der ungeduldige Bräutigam und stand auf.

Herr Bille hielt ihn mit einem sanften Handwinken zurück. „Warten Sie noch, geehrter Herr Schiemann,“ sagte er, – „noch ein Umstand, – hm! ja, dieser ist es. Sie wissen, daß meine Tochter – Else – Sie haben gehört, wie deren frühere Neigung für Erik Meldal –“

„Das sind alte Geschichten, ich frage nichts danach!“ fiel Herr Schiemann großmüthig abwehrend ein. „Schweigen wir davon, hochverehrter Freund.“

„Dennoch,“ sagte Jöns Bille und hielt ihn wieder fest – „dennoch ist ein Umstand eingetreten – ja wohl, ein Umstand, der sehr sonderbar ist.“

„Was ist es?“ fragte Schiemann.

„Eine Nachricht, die – die – Sie wissen es nicht, und ich habe es auch nicht gewußt, daß Erik Meldal noch einen Verwandten von seiner Mutter Seite besaß. Die Großmütter, glaube ich, waren Schwestern – aber man hatte sich in der Familie so ziemlich vergessen, wie das nicht selten geschieht; kümmerte sich nicht um einander.“

„Nun, dieser Vetter oder dergleichen?“ unterbrach ihn Schiemann.

„Er wohnte in Moß, und Erik Meldal lernte ihn kennen.“

„O!“ rief der Handelsherr lachend, „so ist es wohl der Gutsbesitzer, der mit seiner Tochter nach Frederikshall kam, worauf der lustige Lieutenant ihr nachreiste? Hat er sie geheirathet?“

„Das ist nicht geschehen, aber –“

„Er hat sich mit ihr verlobt?“

„Auch das nicht,“ erwiderte Herr Bille, verlegen räuspernd. „Dieser Vetter ist im vorigen Jahre gestorben.“

„Ja freilich, dann mußte er die Trauerzeit abwarten, doch nun wird wohl bald Hochzeit sein?“

„Lassen Sie mich ausreden,“ sagte der Pfarrer. „Die Tochter war eine Pflegetochter, schon etwas bei Jahren. Sie hat jedoch das ganze hinterlassene Vermögen geerbt, und das war beträchtlich.“

„Um so besser!“ lachte Schiemann; „der leichtsinnige Patron wird sich an ihr Alter nicht kehren, wenn’s mit dem Gelde seine Richtigkeit hat.“

„Es ist vom Heirathen überhaupt nicht die Rede!“ rief Herr Bille heftiger. „Es ist ein altes elendes Frauenzimmer, aber das Testament konnte angegriffen werden. Wenn dies jedoch geschehen sollte, mußten Untersuchungen angestellt, mußten Advocaten zu Rathe gezogen werden, mußte nach Christiania und Moß gereist werden. Erik Meldal hatte weder Muth noch Lust dazu, er hatte auch kein Geld, um die Reisen und Schritte zu machen. Aber Thorkel ließ ihm keine Ruhe, und endlich schrieb er heimlich an seinen Vater, der borgte sich zweihundert Thaler bei Ihnen und schickte sie ihm.“

„Das Geld gab er darauf gewiß dem Lieutenant?“ fragte Herr Schiemann und verzog sein Gesicht.

„Das that er. Erik reiste nach Christiania und nach Moß, und jetzt ist ein Vergleich mit der Pflegetochter abgeschlossen worden, wonach sie Beide die Erbschaft theilen. Er kommt dadurch zu einer beträchtlichen Summe.“

Herr Schiemann hatte eine Zeit lang ernsthafter zugehört, jetzt aber rief er vorwurfsvoll spottend: „Und das glauben Sie, mein verehrter Freund? Solche Märchen wollen Sie sich doch nicht aufbinden lassen?!“

„Es ist Wahrheit!“ rief Herr Bille würdevoll. „Mein Sohn schreibt es mir aus Christiania, und diesen Brief sammt gültigen Beweisen habe ich heute erhalten von – von –“

„Von mir!“ sagte Jemand hinter dem Herrn Schiemann, und da er sich überrascht umwandte, als er die kräftige volle Stimme hörte, sah er die Thür weit geöffnet. Mitten darin stand der Lieutenant Erik Meldal, an seiner Hand Fräulein Else. Hinter den Beiden aber erblickte er Sigrid und Thorkel Ingolf, und ganz hinten standen der Fischer Gullik Hansen und der Verwalter Horngreb von Meldalsgaard.

Herr Schiemann sah mit einem Blick die ganze Gesellschaft, kehrte sich dann wieder ab, steckte seinen Blumenstrauß hastig in die Tasche und griff nach seinem Hute.

„Das sind allerdings Gottes Schickungen,“ sprach Herr Bille mit süßem Gesicht. „Er hat es so gefügt, und Sie werden einsehen, lieber, geehrter Freund, daß – daß -–“

„Ich gratulire! gratulire!“ rief Herr Schiemann, und beugte sich rechts und links, „habe nichts weiter hinzuzufügen.“

„Bleiben Sie doch,“ sagte Herr Bille und faßte nach seiner Hand.

„Dringende Geschäfte!“ antwortete der Kaufmann. „Ein ander Mal. Leben Sie wohl, Herr Pfarrer, leben Sie wohl!“

„Nur noch ein Wort!“ begann Erik Meldal und trat näher. „Sie sind so freundlich gewesen, sich meiner in jeder Weise anzunehmen, auch verschiedene Schuldbriefe einzukaufen, die auf Meldal haften. Ehe ich mich verheirathe und mein Gut bewohne, möchte ich diese Documente einlösen.“

Schiemann blickte zu ihm auf. Es war ein stattlicher junger Mann, so recht „Einer vom alten Stamme“, und seine Augen blitzten stolz und verächtlich. „Ja so!“ rief Schiemann, „Ihre Schuldbriefe! Das kann morgen geschehen und muß geschehen!“

„Halten Sie die Papiere bereit,“ antwortete Meldal. „Horngreb wird Ihnen das Geld bringen.“

„Warte noch, ich muß Dir auch etwas sagen,“ sprach Thorkel und hielt den Eiligen abermals auf. „Auch meines Vaters Verschreibung mußt Du herausgeben, das Geld ist schon in meiner Tasche. Ich habe es dringend, denn hier ist Sigrid, die, so schnell es geht, am Torsfjord wohnen will; der Pastor soll uns heut noch aufschreiben, Erik auch.“

Herr Schiemann sagte nichts, er konnte vor Grimm nicht sprechen. Thorkel aber ließ seine Hand nicht los, sondern drückte ihm die Granatenkette hinein, die er aus seiner Tasche holte. „So,“ sagte er, „das nimm mit, Sigrid will sie nicht. Und höre, schicke dafür Deinem Manne, Clas, den Doctor aus Molde. Er hat einen schlimmen Fall gethan. Ich habe es ihm vorher gesagt, der Seehund ist sein Unglück gewesen!“

Da lachte Sigrid hell auf, und wie sie es that, stimmten die Anderen alle ein, nur Gullik blieb ernsthaft, und der Pastor lächelte leise. Herr Schiemann stürzte wüthend zur Thür hinaus, doch das Gelächter folgte ihm nach, er hörte es noch, als er über den Platz lief. Vier Wochen darauf standen der junge Herr von Meldalsgaard und Thorkel Ingolf neben den beiden Bräuten am Altar, und noch erzählen die Leute von dieser Hochzeit, wie lange keine gewesen. Herr Schiemann zog bald darauf aus Molde fort; die Leute erzählten zu viel von ihm und seiner Brautwerbung, was Spott brachte. Clas Gorud aber geschah, wie er es verdient und sich verschworen. Seine rechte Hand war vom Fallen gebrochen, blieb lahm und verdorrte. Endlich kam er elend um in Trunk und Schande, und nun wär’s der alten Grete übel ergangen, wenn Thorkel und Sigrid nicht für sie sorgen halfen bis an ihr Ende.




Ein einsames Herz.
Von F. Brunold.
(Schluß.)

Nach einer kurzen Pause erwiderte der Geheimrath dem alternden, einsamen Mädchen: „Aber es sind mehrere Hundert, wenigstens dreihundert Thaler, zum Einkauf in die Stiftung nöthig.“

„Auch das weiß ich,“ rief sie freudig entschieden; „denken Sie nicht, daß ich, wenn ich an eine solche Zuflucht dachte, nicht auch für dieselbe gespart haben würde. Ich weiß, ich werde mir diese Summe vollständig ersparen.“

„Ersparen?“ fiel der Rath erstaunt und doch auch wieder

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_483.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)