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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

mein Gesicht und meine Hände in ein großes Geschwür umgewandelt. Ich hatte eine zweistündige, fürchterliche Tortur ausgehalten, und als ich wieder zu mir kam, war ich an einen Mörder angeschlossen.

„Ohne die sorglichen Bemühungen einer Frau, die für mich ein Engel der Barmherzigkeit ward, wäre ich gestorben. Sie warf jede Furcht bei Seite und kam dem armen Gefolterten zu Hülfe. Sie hieß Madame Alleman. Dank dieser milden Wohlthäterin fehlte es mir in meinem Gefängniß an Nichts. Zwei Tage darauf ließ mich der Gouverneur, der wohl einsehen mochte, daß alle Versuche, mich zum Sprechen zu bringen, fruchtlos wären, und daß ich eher sterben, als einen meiner Freunde anzeigen würde, in die Hauptstadt der Provinz Bajada abführen. Hier blieb ich zwei Monate im Gefängniß, worauf mir der Gouverneur sagen ließ, daß es mir gestattet sei, die Provinz frei zu verlassen. Obgleich ich mich zu Ansichten bekenne, welche denen Echague’s entgegengesetzt sind, und ich seit diesem Tage mehr als einmal gegen ihn gefochten habe, so will ich doch nicht die Verpflichtung verschweigen, die ich ihm schulde, und ich wollte, ich wäre jetzt im Stande, ihm meine Dankbarkeit für Alles zu beweisen, was er für mich und namentlich für die Erlangung meiner Freiheit gethan hat.

„Später ließ das Glück alle militairischen Häupter der Provinz Gualguay in meine Hände fallen, und sie wurden insgesammt ohne die geringste Kränkung, weder an ihrer Person noch an ihrem Eigenthum, in Freiheit gesetzt. Was Don Leonardo Millan betrifft, so wollte ich ihn nicht einmal sehen, aus Furcht, daß seine Gegenwart bei der Rückerinnerung an die überstandenen Leiden mich vielleicht zu einer meiner unwürdigen Handlung veranlassen könnte.“




Eine Klosterschule.

Im Herzen Deutschlands, in Thüringen, gibt es ein weites, schönes Thal, das die „güldne Aue“ heißt. Diesen Namen verdankt es schon seit alten Zeiten der außerordentlichen Fruchtbarkeit seines Bodens; denn hier prangen die Saaten in üppigster Pracht und bringen alljährlich goldnen Erntesegen, hier grünen Wiesen und Wälder, daß sich des Menschen Herz erfreut. Die Helme und Unstrut, welche das Thal durchfließen und es alljährlich mit ihrem trüben Wasser, dem Nil gleich, düngen, tragen viel zu dieser Fruchtbarkeit bei. Diese Aue fängt bei der Stadt Nordhausen an, zieht sich von West nach Ost viele Meilen weit hin, nach Sangerhausen, Artern, Wiehe, von einer Seite durch die hohe Bergwand des Harzes gegen die kalten Nordwinde geschützt, während sie auf der andern Seite von weniger hohen Bergzügen, welche mit Feld und Wald bedeckt sind, begrenzt wird.

In einem der schönsten Theile dieses gesegneten Thales, nahe an der Unstrut, liegt auf einer Anhöhe die Klosterschule Roßleben, welche unsere Abbildung darstellt.

In früheren Zeiten stand hier ein Augustiner-Nonnenkloster, welches, soweit reichen die ältesten Nachrichten, seit 1142 bestanden hat. Auch hierher kam die Reformation mit ihrer zersetzenden Kraft. Das Kloster wurde aufgehoben und säcularisirt. Ein frommer Thüringer Ritter, Heinrich von Witzleben, wurde damit beliehen; er gründete in dem Klostergebäude im Jahre 1554 eine Gelehrten-Schule, die er mit dem Klostergut und einigen andern Besitzungen ausstattete. – Die Familie von Witzleben war früher im Besitz aller Güter jener reichen Gegend, daher waren schon die Vorfahren des Stifters die Schirmherrn des alten Klosters gewesen, und so verwaltet einer seiner Nachkommen die Angelegenheiten der Schule mit bestimmten Vorrechten, unter dem Titel eines Erb-Administrators. Gegenwärtig führt der Oberpräsident der Provinz Sachsen, Hartmann Erasmus von Witzleben, die Erb-Administratur.

Im Jahre 1686 wurden die alten Klostergebäude durch Feuer gänzlich zerstört. Ein neues, größeres Gebäude, aus drei Flügeln bestehend, für die Zwecke der Schule eingerichtet, trat an dessen Stelle. Es hat außer den ökonomischen Localen, den Lehrerwohnungen, den Speise- und Classensälen und einer Kapelle hochgelegene und gesunde Wohnungen zur Aufnahme der Schüler. Die Zahl derselben war bisher 60–80, doch ist im letzten Jahrzehnt der Zudrang zu der Anstalt so gewachsen, daß man sich genöthigt sah, neue Stellen zu gründen. Die Leitung der Anstalt unter dem jetzigen Rector, eines als Mensch, wie als Lehrer gleich ausgezeichneten Mannes, des Professor Dr. Anton, hat zur Blüthe der Schule viel beigetragen. Der Geist, der hier herrscht, ist ein höchst humaner. Lehrer und Schüler leben wie eine große Familie. Die jungen Leute werden nicht nur in jeder wissenschaftlichen Hinsicht vortrefflich für die Universität vorbereitet, es wird auch durch eine sittliche Mitgabe für ihre Zukunft Sorge getragen.

Außer den eigentlichen Zöglingen, Alumnen genannt, für welche es ganze und halbe Freistellen gibt, finden andere als außerordentliche Kostgänger in den Familien der Lehrer Aufnahme; diese heißen Extraneer. Aber nicht nur für die geistige und sittliche Ausbildung, sondern auch für das körperliche Gedeihen der Schüler ist vielseitig gesorgt; ein großer freier Spielplatz, mit alten Linden besetzt, schließt sich unmittelbar dem Gebäude an, eine Turnanstalt, ein Flußbad, eine Eisbahn auf überschwemmter Wiese und vor allem ein naher großer Wald, das Ziel täglicher Spaziergänge, geben den jungen Leuten hinreichend Gelegenheit, ihre Körperkräfte zu üben und sich tüchtig zu tummeln.

Folge mir, lieber Leser, durch das ansehnliche Portal des Hauptgebäudes und die Treppensäulenhallen in die hohen, hellen Räume. Vergebens siehst Du dich um nach dunkeln Kreuzgängen, düstern Zellen, nach steinernen Weihkesseln und Nischen mit Heiligenbildern. Du findest nichts dergleichen, noch weniger Treppen, welche auf jeder Stufe die Spuren von Büßenden tragen. Alles, was Du suchst, hat der Strudel der Zeiten verschlungen. Aber beim Eintritt begegnen dir blühende, fröhliche Jünglinge, die nach beendetem Unterrichte aus den luftigen Hörsälen eilen, um sich in Gottes schöner Natur, die sie in reicher Fülle umgibt, besonders im nahen grünen Laubwalde, zu stärken und zu erquicken. Das neue, mit Seitenflügeln versehene Gebäude ist speciell für die Zwecke der Schule eingerichtet und hat außer den Localien für den Oekonomen in den untern Räumen die Classen- und Speisesäle, in der Mitteletage die Wohnungen der Lehrer, und darüber die sechzehn gesunden Zellen der Alumnen. Der Mittelbau, über dem wir auf unserm Bilde das Thürmchen sich erheben sehen, enthält die einfache aber freundliche Kapelle behufs des sonntäglichen Gottesdienstes, sammt den Bibliothekräumen. Die Zahl der Alumnen und Extraneer, früher auf 60–80 bestimmt, ist jetzt bis über 100 gestiegen. Sie wohnen je 3–4 beisammen; auf Fleiß und Sitte der Jüngern (Untergesellen) achtet als senior ein Zögling der ersten Classe. Den Lehrern sind zur allgemeinen Beaufsichtigung Inspektoren (gewöhnlich die sechs obersten Primaner) beigeordnet. Speciellere Aufsicht, besonders über die Ausgaben und Geldbedürfnisse der Schüler, führen die Lehrer als Sutores. Jeder Alumnus wird bei der Aufnahme einem solchen zugewiesen. Für Krankheitsfälle ist ein Schularzt angestellt.

Die Lebensordnung ist, wie das Programm von 1845 sich ausspricht, „nach gleichen Gesetzen ein fest geregeltes, und die Disciplin keine andere, als wie sie ein christliches und gebildetes Familienleben in einem so großen Kreise erfordert.“ – Der Unterricht wird von sieben Lehrern ganz nach den für alle preußischen Gymnasien gültigen Vorschriften ertheilt, und begreift wissenschaftliche und sittliche Vorbereitung für die Universität. – Beiläufig sei hier auch des Klosterwappens gedacht: ein einfaches Kreuz, an welchem eine Schlange sich emporwindet, dem unten eine Rose erblüht.

Die Schule hat sich, besonders unter dem Rectorat des originellen Benedict Wilhelm (seit 1786), welcher am 17. Mai 1836 als „Vater Wilhelm“ (Wahlspruch: non scholae, sed vitae) sein höchst jubelvolles Jubiläum unter Theilnahme vieler alter Schüler beging, dessen sich mancher Leser dieses Aufsatzes gewiß mit freudigem Rückblick erinnern wird, ganz vorzüglich aber unter der Direction des jetzigen Rectors, des trefflichen Anton (Doctor humanus!), als ausgezeichnet bewährt. Hat auch keiner der Lehrer älterer und neuerer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_507.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)