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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

der Lösung krystallisirt der Phosphor, ähnlich wie Salpeter aus wässeriger Lösung krystallisirt, wenn langsam das Wasser verdunstet.

Eine Eigenschaft des Phosphors, die seit seiner Entdeckung ihm die allgemeine Aufmerksamkeit sicherte, ist sein Leuchten im Dunkeln, früher nannte man alle Stoffe, die im Dunkeln leuchten, wie z. B. den salpetersauren Kalk, Phosphor (vom griechischen phos, Licht, und phero, tragen). Da aber der jetzt so genannte Stoff diese Eigenschaft in so ausgezeichnetem Grade besitzt, wurde auch bald dieser Name auf ihn allein beschränkt. Das Leuchten beobachtet man, wenn man nur eine abgetrocknete Phosphorstange im Dunkeln liegen läßt. Es währt so lange, als noch Phosphor vorhanden ist, dagegen findet es bald eine Grenze in einer verschlossenen Flasche. Langsam verdampft der Phosphor bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft; dieser Vorgang ist von Lichtentwickelung begleitet, ebenso auch die langsame Verbrennung. Wenn nun aber in der verschlossenen Flasche der ganze Sauerstoff vom Phosphor aufgenommen ist, dann kann keine Oxydation mehr stattfinden. Ebenso ist die Luft der Flasche bald mit Phosphordampf gesättigt, die Verdampfung erreicht ihre Grenze, ganz so, wie in einer Flasche einige Tropfen Wasser nie ganz verdampfen. Aus diesem Grunde hört nun das Leuchten ganz auf. Leitet man über Phosphor in einer Glasröhre Wasserstoffgas, so leuchtet der Phosphor, indem er verdunstet, aber der Dampf oxydirt sich noch nicht, weil kein Sauerstoff zugegen ist. Tritt aber der mit Phosphordampf beladene Wasserstoff an die Luft, so leuchtet er zum zweiten Mal; nun oxydirt sich der Phosphor.

Bringt man eine Flasche, die Phosphor enthält, an die Nase, so bemerkt man einen eigenthümlichen an Knoblauch erinnernden Geruch. So sollte man schließen, dieser Geruch sei dem Phosphor eigen. Das ist ein Irrthum. In sauerstofffreien Töpfen riecht Phosphor nicht, der Geruch rührt her von Oxydationsproducten und von einer am Phosphor zuerst erkannten höchst beachtenswerthen Eigenthümlichkeit des Sauerstoffs. Dieser wird nämlich, wo er mit Phosphor und Wasser zusammenkommt, eigenthümlich verändert. Noch ist der Vorgang nicht ganz vollständig erkannt, jedenfalls aber zeigt sich als Resultat desselben ein Gas, welches stark riecht und alle Eigenschaften des Sauerstoffs besitzt, nur in ausgezeichnet höherem Grade, sodaß es in vieler Beziehung dem Chlor sehr ähnlich ist. Man hat diesen Körper seines Geruches halber Ozon (vom griechischen ozo, riechen) genannt, ehe man wußte, daß er Sauerstoff sei. Es befindet sich allverbreitet in der Atmosphäre, aber wegen seiner großen Verwandtschaft zu fast allen Stoffen stets nur in geringer Menge. Im Winter enthält die Atmosphäre mehr davon, als im Sommer; das Bleichen stark gebläuter nasser Wäsche im Winter ist eine Wirkung des Ozons. Nicht der Kälte allein, sondern dem größeren Ozongehalt der Luft dürfen wir die erquickende, belebende Frische eines Spazierganges im Winter, namentlich auf Bergen, zuschreiben. Ueber die Bedeutung des Ozons spreche ich wohl ein ander Mal ausführlicher, wenn die verehrliche Redaction mir wieder ihre Spalten öffnet.

Soviel ich nun schon über die Eigenschaften des Phosphors gesprochen habe, so darf doch eine höchst beachtenswerthe Eigenthümlichkeit desselben nicht übergangen werden. Es ist das Verhalten des Phosphors gegen Licht und Wärme. Unter allen Umständen färbt Licht den Phosphor roth, ganz ebenso wie Chlorsilber vom Licht geschwärzt wird. Setzt man Phosphor lange Zeit dem Licht aus, so verwandelt er sich endlich in einen hochrothen Körper. Denselben Körper erhält man, wenn man Phosphor über 200° erhitzt und längere Zeit auf dieser Temperatur erhält. Was ist nun dieser rothe Stoff? Erhitzen wir ihn stärker, so schmilzt er nicht, sondern es entweichen endlich Dämpfe und diese verdichten sich beim Erkalten wieder zu weißem Phosphor! Der schön krystallisirende Diamant ist Kohlenstoff; Graphit, welches wir im Bleistift benutzen, ist ebenfalls Kohlenstoff. Hier haben wir parallele Erscheinungen. Schmilzt man ganz reinen Phosphor und gießt ihn plötzlich in sehr kaltes Wasser, so wird er schwarz. Es gibt also rothen, weißen, schwarzen Phosphor, derselbe Körper in drei verschiedenen Zuständen!

Der rothe Phosphor besitzt aber Eigenschaften, die ihm hohe Bedeutung in der Technik sichern. Nicht mehr entzündlich wie der weiße Phosphor, kann man ihn in Kisten verpacken und ohne Gefahr versenden. Dabei ist er bei weitem nicht so giftig, wie der weiße Phosphor: während die Dämpfe des letzteren bei den Arbeitern in Zündhölzchenfabriken nur zu oft nekrotische Zerstörung der Kieferknochen hervorbringen, hat man, ohne Vergiftungserscheinungen zu beobachten, einem Hunde 16 Gran rothen Phosphor eingegeben. Die große Giftigkeit des weißen Phosphor benutzt man in der Phosphorlatwerge zur Vertilgung der Ratten und Mäuse, die merkwürdiger Weise gegen allen Instinct den Phosphor in Mehlteig mit großer Begierde fressen. – Diese Eigenschaften des rothen Phosphors haben ihn bald den weißen Phosphor in der Fabrikation der Zündhölzchen verdrängen lassen. Unvermischt entzündet er sich nicht durch Reibung oder Stoß, er erhält aber diese Eigenschaft, wenn man ihn mit chlorsaurem Kali mischt. So bereitete Zündhölzchen sind lange nicht so gefährlich, wie die mit weißem Phosphor bereiteten.

In neuerer Zeit hat man ein Verhalten des Phosphors gegen Goldlösungen kennen gelernt, das von großer Bedeutung zu werden verspricht. Legt man nämlich ein Phosphorstückchen in eine starke Lösung von Gold in Königswasser, so überzieht es sich bald mit einer liniendicken Lage metallischen Goldes. Ohne Zweifel wird man dies in der Galvanoplastik benutzen können zur Darstellung goldener Schmucksachen. So sehen wir eine reiche Anwendung des Phosphors in der Technik, und nicht minder bietet der Phosphor Gelegenheit, die wichtigsten Lehren der Chemie an ihm zu erörtern. In der That hat Lavoisier im Jahr 1774 seine noch heute gültige Verbrennungstheorie am Phosphor entwickelt. Um eine Idee von dem Verbrauch des Phosphors zu geben, will ich bemerken, daß nach Payen in Frankreich jährlich 40 Tons à 20 Centner verarbeitet werden und davon etwa 95 % zur Fabrikation der Zündhölzchen. In einer Fabrik in Manchester werden täglich 6–9 Millionen Zündhölzer verfertigt, zu denen etwa 5 Pfund Phosphor verbraucht werden, ja in Deutschland werden diese Zahlen noch übertroffen.

Von den Verbindungen des Phosphors mit andern Körpern wäre namentlich der Phosphorwasserstoff zu erwähnen, jenes übelriechende Gas, welches als Fäulnißproduct phosphorhaltiger Stoffe zum Theil deren üblen Geruch bedingt. Reiner Phosphorwasserstoff verbrennt an der Luft von selbst zu Wasser und Phosphorsäure, welche letztere dabei als weißer Nebel auftritt.

Höchst lehrreich für den Begriff einer chemischen Verbindung ist aber das Verhalten des Phosphors zum Chlor. In diesem Gas verbrennt ersterer mit hellgelblich grüner Flamme – eine Flamme ohne Sauerstoff! – es bildet sich bei Ueberschuß von Phosphor eine wasserhelle Flüssigkeit, das Phosphorchlorur, welches, der phosphorigen Säure analog zusammengesetzt, ebensoviel Chlor enthält, wie jene Sauerstoff – bei Ueberschuß von Chlor ein weißer fester Körper, der in gleichem Verhältniß zur Phosphorsäure steht. Dieser, Phosphorchlorit, und das Phosphorchlorur zersetzen sich beide in Berührung mit Wasser außerordentlich heftig, indem sich Chlorwasserstoff und Phosphorsäure, resp. phosphorige Säure, bildet. Alles, was ich bis jetzt über den Phosphor gesagt, würde ihm wohl eine wissenschaftliche und technische Bedeutsamkeit sichern, aber ihn nicht zu der so großen Wichtigkeit erheben, die er wirklich besitzt, wenn nicht besondere Verhältnisse zum Thier- und Pflanzenleben an ihn die Bildung und Existenz vieler der wichtigsten Körper knüpften.

Wir haben gelernt, daß die Bildung eiweißähnlicher Stoffe in der Pflanze nicht stattfinden kann ohne die Gegenwart der Phosphorsäure. Ohne Phosphor kein Getreide. Ebenso ist die Ernährung des thierischen Körpers durchaus abhängig von der geregelten Zufuhr des Phosphors in der Speise. Das Knochengerüste besteht zur Hälfte etwa aus phosphorsaurem Kalk. Der Phosphor findet sich aus leicht begreiflichen Ursachen nicht als solcher oder als freie Phosphorsäure, wohl aber als phosphorsaurer Kalk in der Natur weit verbreitet. Es möchte schwerlich eine Ackererde vorkommen, die nicht wenigstens Spuren von Phosphor enthielte. Das häufigst verbreitete Mineral wird Apatit, in dichten Massen Phosphorit genannt. Dies ist in kleinen Bruchstücken Bestandtheil der Ackererde. Aus dem, was ich oben gesagt, geht aber hervor, daß es für eine reichliche Ernte nicht gleichgültig ist, wieviel Phosphor im Boden enthalten ist. Zur Erzeugung einer bestimmten Menge Eiweiß, also Getreide, ist eine bestimmte Menge Phosphor erforderlich. Hieraus erklärt sich die stark düngende Wirkung phosphorhaltiger Stoffe, wie Knochenmehl, Guano etc. in allen den Fällen, wo der Boden arm ist an Phosphor.

Pflanzenasche enthält stets viel mehr Phosphorsäure, als eine gleiche Menge Ackererde. Aber die Thiere fressen Pflanzen, und so lange der Organismus wächst, sammelt er die Phosphorsäure und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_527.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)