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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

kommen die Hunde anö allen Himmelsgegenden zurück, sie werden gezählt, ausgekoppelt, und der Rüdemann zieht weiter, die zweite Suche zu beginnen.

Die Schützen haben ihre Stände bereits verlassen, allein die todten Sauen, welche am Rande des breiten Fahrweges „gestreckt“ sind, beweisen, wie thätig man hier gewesen. Jetzt wird auch unser Keiler herangeschleppt, und wir bemerken mit Vergnügen, daß er nicht zu den Geringern unter der borstigen Gesellschaft zählt. – Der leicht herunterprickelnde Schnee hat die schwarzbraunen Ungethüme bereits weiß eingepudert – ein reizendes Farbenspiel! Unten im Hohlweg erscheint der „Wildschlitten“, die dampfenden Gäule kommen näher und spitzen schnaubend die Ohren beim Anblick der todten Sauen, welche jetzt von den Knechten herbeigeschleppt und aufgeladen werden. Zum großen Ergötzen der Mannschaft findet sich unter dem todten Schwarzwild auch ein Langschwanz: Meister Reinecke! – welchem nun oben auf dem beladenen Schlitten ein Ehrenplatz reservirt wird.

Transport der todten Sau.

Die übrig gebliebenen, noch lebenden Sauen des Rudels streichen in der Regel weit fort, bleiben den ganzen Tag rege und werden beim geringsten Geräusch „schallflüchtig“. Ist der Jäger daher allein auf diese angewiesen, so erfordert es oft ungewöhnliche Anstrengungen, ihnen wieder beizukommen. – Man weiß allerdings immer ziemlich genau, nach welcher Richtung die flüchtigen Sauen „wechseln“, und in welcher Dickung sie sich möglicherweise „stecken“ werden, allein bis dahin sind oft stundenweite Wege bergauf und ab zurückzulegen. Sind die Sauen endlich eingekreist, so muß die Suche oder das Treiben, um sie nicht zu beunruhigen, so weitläufig genommen werden, daß die vorhandene Zahl der Schützen selten ausreicht, das gegebene Terrain gehörig zu besetzen. Da ereignet es sich denn gar oft, daß die listigen und argwöhnischen Sauen, noch ehe die Suche beginnt, sich zwischen den weitläufig gestellten Schützen unbemerkt hindurchstehlen, oder seitwärts ausbrechen. – Sehr störend ist es auch, wenn eine Sau, an welcher die Hunde jagen, fehlgeschossen wird, und der betreffende Schütze muß in diesem Falle die Hunde mit Hülfe der Peitsche „stoppen“ und anzuhalten oder zurückzuschicken suchen.

Der Wildschlitten.

Werden derartige Streifjagden in größern Parks oder geschlossenen Gehegen abgehalten, so pflegt man wohl, um die Resultate noch glänzender zu machen, sich zugleich des Jagdzeuges oder der Saunetze zu bedienen, welche das Ausbrechen der Sauen an den Seiten des abzujagenden Districtes verhindern. Der eigentliche Charakter der „freien Hatze“ geht hierdurch allerdings verloren, allein der Erfolg ist ein ganz anderer, als bei den heutigen Streifjagden im Freien. – In manchem Park werden noch jetzt bei einer solchen Jagd, welche in der Regel drei Tage währt und nur einmal jährlich stattfindet, an 100 bis 150 Sauen geschossen und abgefangen.

Der Posten des Rüdemanns ist bei der Streifjagd eben nicht der bequemste und erfordert den „ganzen Mann mit allen seinen Kräften“. Eine dauerhafte Constitution, Ausdauer und Schnelligkeit, scharfes Gehör und Gesicht, ein helles, weithin schallendes Organ, sind durchaus erforderlich. Er muß ferner befähigt sein, die jedesmalige Lage der Verhältnisse rasch und richtig beurtheilen zu können, und in kritischen Momenten ebenso vorsichtig, wie herzhaft und kurz entschlossen sein.

Die zur Streifjagd nöthigen Hunde bestehen in 2–3 Saufindern, 20–30 Hatzhunden und einem oder zwei Schweißhunden. – In Betreff der eigentlichen Hatzhunde oder Saufänger ist man in den meisten Gegenden, wo noch Schwarzwild vorhanden, längst davon zurückgekommen, eine eigene, constante Race für diesen Zweck zu züchten. Das Sprüchwort sagt: „Wer Schweinsköpfe haben will muß Hundsköpfe spendiren,“ und die Beschädigung oder gar der Verlust eines mit Sorgfalt und verhältnißmäßigen Kosten erzogenen Hundes bleibt immer eine verdrießliche Sache. – Die ganze Thätigkeit der Hatzhunde auf der Streifjagd ist überdem so auf den angebornen Naturtrieb des Hundes basirt, daß jeder rasche, scharfe Hund, welcher die Sauen von Natur haßt, dazu brauchbar ist. Aus diesem Grunde wählt man jetzt am liebsten Hunde, welche von Wildhirten, Metzgern, Schäfern etc. aufgezogen und für ihre frühere Bestimmung sich zu scharf oder unbändig erweisen. Das einmalige „Einhetzen“ eines Neulings mit dem ältern Stamm der Hatze genügt in der Regel, um ihn vollkommen brauchbar zu machen. – Mit den kleinen Findern oder Saubellern ist es schon difficiler, da diese den Ton angeben müssen. Die Hatzhunde laufen nur nach dem Laut des Finders, gebrauchen die Nase selten und haben die Sau leicht verloren, sobald sie ihnen aus dem Gesicht kommt. Daher muß der Finder durchaus zuverlässig sein und vor allen Dingen nicht vor Rothwild oder auf dessen Fährte laut werden. Man hielt daher in frühern Zeiten sehr viel auf eine gute

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_589.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)