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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Therese wußte das nicht; er sei sehr nachdenklich geworden und habe sich nicht darüber ausgesprochen, sagte sie; aber sehr unruhig sei er gewesen und habe oft nach der Uhr geschaut, und nur so kurze Zeit sei er geblieben … er sei wieder davon geeilt, nachdem er, wie es ihr geschienen, kaum gekommen.

Frohn begriff diese Unruhe.

„Seien Sie ruhig, Demoiselle Therese,“ sagte er jetzt, indem er das Kreuz aus der Brusttasche zog – „kennen Sie das?“

„O mein Gott,“ rief das junge Mädchen, die Hände zusammenschlagend aus, „da ist’s ja – das ist’s!“ und zugleich fiel sie erschüttert in ihren Stuhl zurück und durch einen Strom von hervorquellenden Thränen blickte sie lächelnd zu Frohn auf.

„Ich kann’s nicht aussagen,“ fuhr sie gepreßt und die Hand auf’s Herz drückend fort, „ich kann’s nicht aussagen, wie’s mich freut, daß Sie’s haben … es ist eine erschreckliche Freud’, als wenn ich davon sterben müßt’!“

Frohn ergriff gerührt ihre Hand. Er sah an dieser gewaltigen Erschütterung, wie groß und aufrichtig ihre Liebe für den Mann war, den sie durch sich in Sorge versetzt wußte.

„Wie haben Sie’s nur angefangen?“ fragte sie dann. „O ich wußt’, daß Sie mir helfen würden; mein Gott, mein ganzes Leben lang werd’ ich Ihnen nicht genug danken können.“

„Reden wir nicht davon,“ unterbrach sie Frohn; „wie ich’s angefangen habe, erzähl’ ich Ihnen ein andres Mal. Jetzt sagen Sie mir, wollen Sie es ihm zurückgeben, oder soll ich’s thun? Zu reden hab’ ich doch mit ihm.“

„Kennen Sie ihn denn?“ fragte Thereserl mit einem gewissen Erschrecken.

Er nickte mit dem Kopf.

„Nun, was thut’s? ich habe zu Ihnen das Vertrauen, wie zu meinem Beichtvater – so gehen Sie nur und geben Sie’s ihm nur selber, denn er hat gesagt, in den nächsten Tagen könne er nicht wieder zu mir kommen, aber vielleicht würd’ er’s mir übel nehmen und böse sein, daß ich Sie in’s Vertrauen gezogen, und auf Sie könnt’ er einen Zorn fassen drum!“

„Seien Sie deshalb unbesorgt,“ entgegnete Frohn. „Ich muß offen mit ihm reden, mag er’s nun gnädig aufnehmen oder, was immer sehr möglich ist, es gar übel vermerken, daß ich mich in die Sache gemischt habe. Aber es thut’s nun einmal nicht anders, davon geredet muß werden!“

„Nun, dann reden Sie in Gottes Namen mit ihm, und wissen Sie, Herr von Frohn,“ fügte Therese mit einem kleinen Anfluge von Schelmerei hinzu, „wenn er auch ein klein wenig böse drein schaun sollt’, ich glaub’ doch schon, ich mach’, daß er dem Herrn von Frohn wieder gut wird!“

Frohn griff nach seinem dreieckigen Hütlein.

„Aber nun laufen Sie schon davon,“ rief sie aufspringend aus, „und ich habe Ihnen noch gar nicht einmal gedankt.“

„Eben deshalb laufe ich,“ versetzte Frohn, „damit Sie nicht davon anfangen!“

Er eilte in der That davon, noch bevor sie etwas erwidern konnte, verließ das Haus und schlug den Weg zur Burg ein. Er hatte hier keinen Führer nöthig, um in das Vorzimmer des römischen Königs zu gelangen. Die junge Majestät, wurde er jedoch beschieden, machte einen Spazierritt im Prater, zusammen mit dem Erzherzog Leopold und ihren Cavalieren. Frohn stellte sich geduldig in eine Fensternische, um zu warten. Außer einem Lakai war Niemand in dem Raume; in die Stille, welche ringsum in diesem Theile der kaiserlichen Wohnung herrschte, warf die Glocke auf der Burgcapelle ihre hallenden Töne, als sie drei Uhr schlug, und dieser Klang versetzte unsern Arcier auf das Lebhafteste wieder in die Situation der vergangenen Nacht.

Kurz darauf kündeten Schritte, das Auf- und Zuschlagen von Thüren, Stimmen die Zurückkunft der jungen Herrschaften an.

Der Kammerdiener, welchen Frohn am gestrigen Abende nebst dem Herrn von Echtern hatte in das Arbeitszimmer seines Gebieters treten sehen, kam herein, der Lakai eilte, die beiden Flügel der großen Thüre aufzuwerfen; im nächsten Augenblicke schritt der römische König rasch über die Schwelle des Vorgemachs.

„Addio, meine Herren, ich danke Ihnen,“ sagte er, sich zu zwei Herren in Hofuniform wendend, die ihm bis hierher das Geleite gegeben hatten und sich nun nach einem Paar tiefen Verbeugungen zurückzogen; dann wandte er sich mit jugendlich elastischem Schritt seinem Wohnzimmer zu, zu dessen Thüre ihm der Kammerdiener vorauf geeilt war. Auf dem Wege dahin traf sein Blick Frohn, der in strack militärischer Haltung sich neben dem Fenster aufgestellt hatte. Die schönen offenen Züge König Josephs mit den großen gewinnenden blauen Augen voll Leben und Geist nahmen augenblicklich einen andern Ausdruck an. Dieser Ausdruck war unverkennbar der einer nicht angenehmen Ueberraschung. Doch blieb er vor dem Arcier stehen und sagte mit einem leichten Stirnrunzeln und raschem Hervorstoßen der Worte:

„Er will mich sprechen? Komme Er mit hinein!“

Der König schritt weiter, und Frohn, der ihm folgte, stand nach wenig Augenblicken in dem Wohngemach desselben, das ihm aus der vergangenen Nacht her so wohl bekannt war. Ihm gegenüber lag der Alkoven, durch den er hier eingedrungen war.

„Arcieren-Leibgardist Joseph von Frohn, früher Oberlieutenant bei Prohaska-Dragonern,“ meldete Frohn militärisch.

„Er hat gestern Posten gestanden auf dem Gange drüben, ich weiß,“ sagte der König mit ungeduldigem und unwilligem Tone, doch erst, nachdem er gewartet, bis der Kammerdiener die Thüre wieder geschlossen. „Er kommt sehr rasch, mich daran zu mahnen, daß ich eine kleine Verbindlichkeit gegen Ihn habe!“

Frohn erröthete bei diesen Worten.

„Majestät halten mir zu Gnaden, ich komme so wenig in dieser Absicht, daß ich im Gegentheil nur befürchte, ich werde Ew. Majestät volle Ungnade auf mich laden durch das, was ich vorzutragen mich gedrungen fühle.“

„Und was ist das? Laß Er hören.“

„Ich bin in der vergangenen Nacht hier in Ew. Majestät Wohnzimmer gewesen und habe die Rolle Ew. Majestät gespielt, auf die Gefahr hin, nicht auf meinem Posten gefunden und auf die Festung geschickt zu werden.“

„Er? Was soll das bedeuten? War Er’s, der einen Brief von meinem Schreibtisch genommen hat?“

„Das that Ew. Majestät Kammerdiener.“

„Der Kammerdiener? der war hier?“ fiel König Joseph beunruhigt ein, „gegen meinen ausdrücklichen Befehl?“

„Weil ihm ein Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin vorgespiegelt wurde,“ antwortete Frohn und begann nun den ganzen Hergang zu erzählen.

(Schluß folgt.)


Das große Schützenfest zu Cöln.

Wir mögen es immer Napoleon dem Dritten Dank wissen, daß er, wenn auch wider seinen Willen, uns Deutsche aus dem lethargischen Schlafe aufrüttelte, in welchen uns das Regierungssystem des deutschen Bundestages einzulullen bemüht war. Das Jahr 1848 wurde von der Reactionspartei trefflich ausgebeutet, und die Hoffnungen der aufrichtigen staatsbürgerlichen Freiheit sanken tiefer und tiefer, je mächtiger die Treubündler, unterstützt von Heer und Beamten, ihre Thätigkeit entfalteten. Da drohte endlich Gefahr von außen: Louis Napoleon richtete die verlangenden Blicke ziemlich unverhohlen nach dem linken Rheinufer, und jetzt ließen die Fürsten Deutschlands es ruhig geschehen, daß die altehrwürdige schwarz-roth-goldene Fahne wieder aus dem Staube hervorgeholt und abermals als Einigungsbanner für das deutsche Volk aufgepflanzt wurde. Das Turnwesen nahm in unserem Deutschland einen neuen ungeahnten Aufschwung; das Gefühl der Zusammengehörigkeit machte sich zunächst in der deutschen Jugend geltend; auf fröhlichen Sängerfesten erschollen wieder die alten Weisen von Deutschlands Freiheit, Ehre und Recht; in Schiller’s hundertjährigem Geburtstage feierte unser Volk neben der Apotheose des Genius sein eigenes Auferstehungsfest; der Nationalverein trat in’s Leben.

Aber noch fehlte ein Glied in der ehernen Kette, die unser


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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_596.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2021)