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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Kräfte zu einem gewaltigen Schlage zu sammeln und dem Raubthier den Schädel zu zerschmettern. Nach diesem Vorfall ließ er sich sein vorerwähntes Pistol machen.

Der Bär schläft bekanntlich während des größern Theiles des Winters. An einer warmen Stelle, in einer Höhle oder unter einem umgefallenen Baumstamm rollt er sich gewöhnlich zusammen und bereitet sich vor, die Zeit des harten Frostes zauberschlössermäßig zuzubringen. Nur von Zeit zu Zeit, wenn gelegentliches Thauwetter eintritt, schöpft er ein wenig frische Luft. Gegen das Frühjahr ist er dann mager und hungrig, und ein Zusammentreffen mit Braun ist dann gefährlicher, als wenn ihn Wohlbeleibtheit gutmüthiger stimmt. Cheney erzählte, daß er eines Tages beim Pirschen plötzlich durch die dünne Schneedecke brach und in das Lager eines Bären fiel, der sich zwischen den Wurzeln eines vom Winde umgestürzten Baumes seine Winterwohnung gewählt hatte. Es war ein warmer bequemer Platz, da der Schnee mehrere Fuß tief lag und ihn vollkommen gegen Frost und Wind schützte. Die unceremoniöse Weise, in der Cheney’s Beine mit Brauns Rücken in Berührung kamen, störten dessen Gleichmuth, und mit einem tiefen Brummen, das den Jäger veranlaßte, seinen Fuß schnell zurückzuziehen, sprang er aus dem Schnee hervor. Cheney hatte sein Messer kurz vorher seinem Jagdgefährten gegeben, der an der andern Seite des Berges jagte, um ihn weiter oben zu treffen, und besaß deshalb keine andere Waffe, als sein Pistol. Das aber konnte er kaum schußfertig machen, als der wilde Gesell ihm auch schon auf dem Leibe war. Unerschrocken zielte er jedoch zwischen die Augen der Bestie und drückte ab. Da versagte das Zündhütchen, und nicht im Stande, ein neues aufzusetzen, ergriff er das Pistol bei der Mündung und hieb damit nach dem Kopfe des Bären. Dieser jedoch parirte den Schlag mit einem Hieb, der die Waffe zehn Schritt weit fortschleuderte, und im nächsten Augenblicke rollten Beide im Schnee. Waffenlos war der Jäger jetzt nur auf seine Körperkraft angewiesen, und in diesem Ringkampfe hatte der Bär so entschieden das Uebergewicht, daß das Ende wenig zweifelhaft schien.

Gerade in diesem Augenblicke kam der Hund wieder seinem Herrn zu Hülfe, und den Bären von hinten angreifend, lenkte er dessen Aufmerksamkeit von seinem Opfer ab. Cheney, schnell emporspringend, sah sich nach seinem Pistol um und hatte das Glück, dasselbe in kurzer Entfernung mit dem Kolben aus dem Schnee hervorragen zu sehen. Er sprang darauf zu, setzte ein frisches Hütchen auf, reinigte den Lauf vom Schnee, befestigte seine Schneeschuhe wieder, die während des Ringens losgegangen waren, und eilte nun dem Bären nach, der, sich mit dem Hunde herumbalgend, den Hügel hinabgerollt war. Des Bären Kräfte waren jedoch zu viel für den Hund, den er bald schrecklich zugerichtet auf dem Wahlplatze zurückließ. „Ganz zerfetzt war er,“ sagte Cheney; „allein ich habe niemals bei einem Hunde solche Courage gesehen. Sobald er merkte, daß ich wieder zum Kampfe fertig war, sprang er auch, trotz seiner Wunden, wie toll hinter dem Bären her. Ich rief ihm zu, daß wir den Schuft haben müßten, und sollte es das Leben kosten, und er setzte ihm nach, eine blutige Spur zurücklassend. „Halt ihn fest!“ schrie ich, und er hielt ihn, bis ich hinangekommen. Ich zielte auf des Bären Kopf, allein die Kugel brach ihm nur die Kinnlade; ich feuerte nochmals, doch ohne ihn zu tödten, obschon die Kugel durch das Gehirn gegangen war, und erst beim dritten Schuß tödtete ich ihn, und ein Hauptkerl war er.“ – „Allein der Hund? was wurde aus dem wackern Hunde?“ – „O!“ lautete die Antwort, „der war schrecklich zugerichtet, ich schaffte ihn nach Hause und pflegte ihn, er ward wieder gesund, hat aber seit jener Zeit nicht mehr viel getaugt, die Rauferei war für ihn zu viel gewesen.“

Ich fragte ihn, ob Elenthiere manchmal den Jäger angriffen. „O ja,“ sagte er „die Kühe mit dem Kalbe thun es zuweilen, und eben so die andern, wenn verwundet oder zu arg bedrängt. Ich war einst jagen, als mein Hund zwei aufstöberte. Ich hörte die Büsche knacken und sah beide gerade auf mich zukommen. Sobald sie mich sahen, senkten sie ihr Geweih und kamen vollen Laufes angestürmt, so daß die Büsche und jungen Stämmchen wie die Pfeifenstiele knackten. Just zur rechten Zeit sprang ich hinter einen Baum und feuerte, als sie an mir vorbeischossen. Die Kugel ging durch das erste Thier hindurch und blieb im zweiten stecken.“

Cheney erlegt alljährlich etwa siebenzig Hirsche. Er hat in seinem Aeußeren durchaus nichts von der Rohheit, die oft den Jägern anhängt, sondern ist ein ruhiger, angenehmer Gesellschafter. Unter Anderem erzählte er mir, daß er einst einem Bären den ganzen Tag lang gefolgt war und mit Einbruch der Nacht endlich den Baum fand, auf den sich Braun zurückgezogen. Allein es war zu dunkel, um zu schießen, und so setzte er sich denn am Fuße des Stammes nieder, um zu warten, bis es Tag geworden und er schießen könne. Nach einer Weile jedoch schlief er ein und wachte erst am hellen Tage auf. Erschrocken sah er empor und fand bald, daß der listige Bursche den Schlaf des Jägers benutzt und sich aus dem Staube gemacht hatte. Cheney sagte, daß er sich in seinem Leben nicht so beschämt gefühlt habe, als von einem Bären übertölpelt zu sein.




Briefkasten.

R. in St. Für diesen Fall empfehlen wir Ihnen das so eben erschienene Buch: „Das Leben Jesu“, von Eduard Baltzer, Sprecher der freien Gemeinde in Nordhausen. Die milde versöhnende Weise des Verfassers, die sich in all seinen Werken und Worten ausspricht, hat sich hier glücklich mit den Resultaten der Forschungen vereint.

Frl. Elise W. in S. Die Auflösung der Charade von Goethe finden Sie in Goethe’s Leben von Schaefer, 2. Aufl., 2. Bd., Seite 226, in Goethe’s Leben von Bichoff, 3. Aufl., 4. Bd., Seite 42.

R. C. in Leipzig. Liegt zu Ihrer Disposition.

R. M. in W. Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn man weiß, was hier unter Fechtkunst verstanden wird. Diese zerfällt nämlich
  in Stoßen und Hauen.
Ersteres wieder in deutsches und französisches. Letzteres aber in Schlagen mit Glocken oder Körben. Ueber jedes dieser vier verschiedenen Fechtarten sind zahlreiche Lebrbücher geschrieben, die natürlich von ungleichem Werthe sind.



Berth. Auerbach’s
Volkskalender für 1861.
Mit Bildern nach Originalzeichnungen
von

Kaulbach, Arthur von Ramberg und Ad. Menzel.

Preis 121/2 Ngr.

Auerbach’s Volkskalender nimmt, was Inhalt und Ausstattung betrifft, unter allen Kalendern den ersten Rang ein. Die besten Männer der Wissenschaft, Politik und Kunst haben für den jetzigen Jahrgang mitgewirkt. Wir geben daher, anstatt jeder besondern Anpreisung, nachstehend blos den Inhalt desselben:

Zwei Feuerreiter – der Blitzschlosser. Zwei Erzählungen von Berth. Auerbach, die erstere von Arthur v. Ramberg, die zweite von Ad. Menzel reich illustrirt. – Das Fähnlein der sieben Aufrechten. Erzählung aus dem Schweizer-Leben von Gottfr. Keller. – Wie der Mensch wächst. Beitrag mit 5 Abbild. von Prof. Virchow in Berlin. – Weltgeschichte im Dorfe. Von Berth. Sigismund. – Alltägliches Gespräch. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag von dem Redacteur der Berliner Volkszeitung, A. Bernstein. – Natürliche Grenze und was daran hängt. Ein nationaler Beitrag von K. Andree. – Gut Heil! Briefe eines alten Turners aus Süddeutschland.

Verlagsbuchhandlung von Ernst Keil in Leipzig. 

Nicht zu übersehen!

Mit Nr. 39 schließt das dritte Quartal, und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_608.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)