Seite:Die Gartenlaube (1860) 622.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

uns mit lauter Freude, als wären sie überzeugt, nun stark genug gegen die Danske zu sein.

Wir hatten uns kaum etwas von dem anstrengenden Marsch erholt, als zum Angriff formirt wurde. Unter Trommelmarsch rückten wir aus zum Sturm, neben uns noch acht bis zehn andere Bataillone. Hier spielte sich augenscheinlich das Stück im Großen, die Dimensionen des Angriffs ließen auf die des Kampfes schließen. Idstedt, seitwärts von uns, brannte bereits, die rothen, fluthenden Flammen, umhüllt von grauem Rauch, sah man deutlich durch den Sonnenglanz hindurchleuchten. Der Feind stand vor uns vollständig gerüstet; seine Artillerie schmetterte bereits in die Glieder der Bataillone – rechts und links, hüben und drüben sah man die Brüder stürzen. Aber es brauste ein Hurrah durch die Bataillone; die Trommeln schlugen den Sturmschritt, das Bajonnet wurde gefällt, die zweiten Glieder schickten furchtbare Salven in die dänischen Reihen – marsch, marsch! und nun drauf und ein mächtig brausendes, siegeskräftiges Hurrah! die Dänen zogen sich in Hast und fast aufgelöst zurück bis in ein Gehölz hinter Idstedt. Idstedt war unser, es hatte einen blutigen, aber kurzen Kampf gekostet. Seitwärts von uns hatte der treffliche Christiansen mit einer Shrapnellbatterie gestanden und mit den wohlgezielten Schüssen furchtbare Verheerungen in den dänischen Colonnen angerichtet.

Eine unbeschreiblich selige Viertelstunde folgte. Wir waren durch den Massenangriff von einzelnen Bataillonen durcheinander geworfen worden – Alles jubelte, Alles küßte sich die schwarzen, schweißigen Gesichter. Die Christiansen’sche Artillerie donnerte noch immer ihr Jubellied dazu; durch die Straßen des brennenden Dorfes Idstedt tönten die Signale zum Sammeln. Aber wo sammeln? Es wäre Unmöglichkeit gewesen, die einzelnen durcheinander geworfenen Bataillone hier wieder zu formiren. So gut es ging, rotteten die Officiere zusammen, was sich vom gleichen Bataillon vorfand, auch that ein Jeder das Seinige dazu, ohne daß jedoch irgend ein Resultat sich ergeben hätte. Nicht eine Compagnie der vielen in einander gelaufenen Bataillone kam zusammen. Nun hieß es: „Vorwärts! die Dänen attakiren!“ Schnell formirten sich willkürlich Colonnen vor dem Dorfe, wo man die Dänen bereits in dichter Tirailleurlinie anrücken sah. Ihre mitgeführte Artillerie warf wohlgezielte Granaten in unsere Massen, ihre Jäger überschütteten uns mit einem Hagel von Kugeln. Angesichts dieser furchtbaren Attake war Alles bei uns in mögliche Ordnung gekommen. Rotten- und Gliederfeuer riß die dänische Kette entzwei, die Shrapnellbatterie warf ihre vernichtenden Geschosse mit ungewöhnlicher Präcision in die dänischen Soutiens. Bei alledem rückten wir vor, unmerklich bis weit weg von Idstedt nach Langsee. Alle Erschöpfung durch die Märsche, durch die Strapazen Tags vorher und einen nun schon acht Stunden währenden Kampf war vorüber – ein Jeder fühlte, daß es sich jetzt um die Entscheidung des Tages handelte. Wir hatten neue Munition schon vorher gefaßt – wir konnten noch manchen Schuß aus dem heißen Rohre thun.

Die gewaltigen Angriffe der Dänen nöthigten uns indessen, zurückzugehen und in den Schanzen Posto zu fassen. Vor uns entwickelten sich immer neue Massen, die trotz des Artilleriefeuers von Christiansen, der im Idstedter Walde postirt war, zum Sturm auf die Schanzen in Colonne vorrückten. Eine namenlose Erbitterung herrschte in unsern Gliedern und es ward mit einer Wuth gefeuert, die unmöglich dem verständlich sein kann, der nie in einer ähnlichen Lage gewesen. St. Paul, der schon beim Sturm mit dem Säbel hineingehauen, ließ sich nicht abhalten, er sprang auf die Schanzenbrüstung und commandirte von dort aus mit hundert Millionen Kreuzdonnerwettern. Eine Spitzkugel riß ihm die Rose am Stiefel fort, er schimpfte sie in seiner burlesken Weise; aber in demselben Augenblick stieß er auch einen fulminanten Fluch aus und rutschte hinter die Erdbrüstung. Eine Kugel hatte ihn am Schenkel verwundet und er mußte nach dem Verbandplatz transportirt werden. Es war der vorletzte der bei uns noch anwesenden Officiere. Ein junger Secondelieutenant mußte jetzt der Führer einer Masse von tausend Leuten sein.

Dreimal hatten die Dänen bei uns schon vergeblich gestürmt und abermals rückten sie zum neuen Angriff auf die Schanzen vor. Wir waren fast ermattet von der blutigen Arbeit, aber das Vertrauen war noch lange nicht erschüttert. Was wir auf den anderen Punkten wahrnehmen konnten, feuerte uns mit an. Dort sahen wir ein paar Compagnien Dänen abgeschnitten und gefangen werden; weiter hinüber führten unsere Truppen ein paar Kanonen fort, die sie dem Feinde abgenommen. Ueberall noch standen die Bataillone, nirgends wichen sie vor dem gewaltigen Angriff der Dänen, die, in weit überlegener Zahl, immer mit frischen Truppen attakiren konnten, während bei uns jeder Mann seit zwei Stunden in diesem mörderischen Kampfe war. Jetzt rückten die dänischen Garden mit klingendem Spiel auf die Verschanzungen; es war ersichtlich, daß es die letzten Reserven der Dänen waren. Noch einmal standhaft, und die Kraft des Feindes mußte gebrochen sein.

In diesem Augenblick kam auch Oberst von Harrels mit zwei Bataillonen, um uns zu unterstützen. Die dänischen Garden nahten sich bereits auf Schußweite. Während sonst an dieser Stelle die Shrapnells unserer Batterie hineinzuschlagen pflegten und die Colonnen zerrissen, schwieg diesmal unsere Artillerie gänzlich – wir hörten mehrere Minuten lang keinen einzigen Kanonenschuß. So verließen wir uns denn auf das furchtbare Gliederfeuer, welches jetzt von beinahe drei Bataillonen auf die Sturmcolonne eröffnet wurde. Aber es hielt die Dänen keinen Augenblick auf – ehe wir es für möglich halten konnten, hatten sie die Schanze erstürmt, und im Innern derselben begann ein letzter, wüthender Kampf. Indessen nur wenige Minuten. Das Commando rief uns zurück, und in festen Gliedern rückwärts schreitend, mit einem knatternden Pelotonfeuer verließen wir die Schanze, ohne verfolgt zu werden. Draußen marschirten wir, indem ein Theil sich als Tirailleurkette auflöste, mit der Ordnung zurück, als kämen wir vom Exercirplatz.

Allgemein glaubten wir nun, daß wir wieder sammeln und von Neuem zu einem Massenangriff übergehen würden. Die ganze Linie wurde zurückcommandirt und führte den Rückzug aus, ohne daß die Dänen sie daran hinderten, ein Beweis, wie schwach sie sein mußten. Indessen schon nach einer halben Stunde erhielten wir die Gewißheit, daß die Schlacht abgebrochen worden sei, weil auch auf dem linken Flügel ein dänischer Angriff vorbereitet war, dem unsere erschöpften Truppen nicht gut mehr entgegenzustellen gewesen wären. Nun, es drückte uns Alle wohl nieder, dem Feinde den Rücken kehren zu müssen, aber das Bewußtsein hielt uns aufrecht, daß wir unsere Pflicht bis auf’s Höchste erfüllt und die Schlacht nicht verloren hatten. Sie war in der That immer siegreich gewesen, bis die Armee auf Befehl die Stellungen verlassen mußte. Schon am Abend hatten wir bei Schleswig eine Stellung genommen, die bewies, daß wir einen Angriff nicht scheuten aber die Dänen rückten uns so langsam nach, daß man sah, sie hatten genug an diesem neunstündigen Kampfe.

Es schlief sich fest und tief nach diesem Tage auf der Streu – waren wir doch noch vier Stunden vom Schlachtfelde zurück marschirt, freilich langsam und oft rastend, um in den Dörfern, die wir passirten, unseren Hunger zu stillen, denn wir hatten seit dem Tage zuvor nur etwas Brod essen können. Ach, die Bauern gaben uns in Hülle und Fülle, mit Thränen in den Augen, bangend um das Geschick, am nächsten Tage schon wieder dänisch sein zu müssen! Wir trösteten sie damit, daß diese Herrschaft nicht lange dauern werde – wir dachten Alle nicht, daß es anders werden könnte und daß wir, Dank der deutschen Diplomatie und der deutschen Erniedrigung, nie wieder diese deutsche Erde sehen sollten.

Schmidt-Weißenfels.




Botschafter Garibaldi’s in Neapel.[1]
Zweiter Brief eines deutschen Malers in der Garibaldi’schen Armee.
(Mit Abbildung von Neapel.)
Neapel, den 27. August.

Mitten in der neapolitanischen Hauptstadt und ganz offen in der Uniform eines Garibaldi’schen Offieiers! So bin ich hier – mir selbst ein Traum, ein Räthsel. Welch furchtbares Kriegsheer, welch mächtige Flotte, welch entsetzliche, allgegenwärtige, allmächtige Polizei-, Kerker- und Tortur-Gewalt stand diesem Bourbonen-Throne

  1. Drei Tage vor dem Einzuge Garibaldi’s geschrieben.   D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_622.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)