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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

hinaus. Uhland schloß sich jetzt in seinen patriotischen Gedichten den Sängern der Befreiungskriege an.

Hiermit aber war auch die Saite angeschlagen, die den Grundton seines Lebens austönen sollte: Uhland trat als einer der beharrlichsten Kämpfer für „das alte, gute Recht“ auf, unmittelbar an die kurzen, schlaghaften Kampfeshymnen reihte sich die Forderung der „Volksrechte“, die mit majestätischem Orgelklange im Octobergesange einherbraust:

„Wenn heut ein Geist herniederstiege,
Zugleich ein Sänger und ein Held,
Ein solcher, der im heil’gen Kriege
Gefallen auf dem Siegesfeld:
Der sänge wohl auf deutscher Erde
Ein scharfes Lied, wie Schwerterstreich,
Nicht so, wie ich es künden werde,
Nein, himmelskräftig, donnergleich.“

Gewaltig hallten diese Klänge durch ganz Deutschland wieder, und wahrlich, sie sind in den Herzen der Deutschen noch nicht verklungen! An Uhland’s Gedichten hob und entflammte sich der Patriotismus des Volkes, kräftigte sich der gute Sinn der Volksvertreter. Ruft diesen doch der Dichter zu:

„Tadeln euch die Ueberweisen,
Die um eigne Sonnen kreisen,
Haltet fester nur am Echten,
Alterprobten, einfach Rechten.“
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„Und wie man aus versunknen Städten
Erhab’ne Götterbilder gräbt,
So ist manch’ heilig Recht zu retten,
Das unter wüsten Trümmern lebt.“

Daß Uhland’s Begriff vom „alten, guten Recht“ ein für unsere Zeit etwas sehr eingeengter war, ist nicht zu leugnen. „Dies alte Recht“, sagt der schon genannte Literarhistoriker in Beziehung auf Uhland, „soll Öffentlichkeit der Gerichte, mäßige Steuern, Schutz der Wissenschaft, allgemeine Wehrberechtigung der Freien und Freizügigkeit wiederbringen. Diese etwas schwerwuchtigen politischen Begriffe hat Uhland in ein sehr graziöses poetisches Flügelkleid gehüllt, so daß man sie kaum wiedererkennt. In Wahrheit ist aber diese Begeisterung für das gute alte Recht, dies Zurückgehen auf frühere Zustände, nur lyrische Politik … eine Politik des Gemüthes. Die Vernunft würde solche Ansprüche nicht auf früheren Bestand, sondern auf ihre innere Berechtigung gründen. Das gute alte Recht in Bausch und Bogen würde auch Uhland nicht zurückwünschen können.“

Wie dem aber auch sein mag, die edle Absicht des Mannes darf so wenig verkannt werden, wie sein bedeutendes Wirken in den Kammern. Als nämlich König Friedrich von Württemberg 1815 die Stände zusammenrief, um dem Lande eine constitutionelle Verfassung zu geben, trat auch Uhland in die Reihe der Vertheidiger der Rechte und Freiheiten des Vaterlandes. In Folge dessen ward er 1819 von dem Oberamte Tübingen und 1820 von seiner Vaterstadt zum Mitglied der Ständeversammlung gewählt. Uhland gab sich diesem Amte mit ganzer voller Seele hin; ja der Gedanke einer würdigen und thatkräftigen Vertretung des Volkes durchdrang ihn so gewaltig, nahm ihn so vollständig in Anspruch, daß er – nachdem er 1829 außerordentlicher Professor der deutschen Sprache an der Universität Tübingen geworden war – bald darauf diese Stelle wieder niederlegte, um seinen Pflichten als Abgeordneter ganz leben zu können.

Hier nun entfaltete sich denn auch die Hauptthätigkeit seines Lebens. Besonders hervorragend war sein Wirken auf dem Landtage von 1821 bei der Aufhebung des unseligen „Schreiberinstitutes“ in Württemberg. Uhland vor Anderen erzielte die Beschlüsse, daß die Verwaltungsgeschäfte der Gemeinden und Oberamtsdistricte von den Rechtsgeschäften getrennt und beide nicht mehr durch eine Person besorgt, daß die Justizbeamten auf fixe Gehalte gesetzt und daß die Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinden für eine durch Vertrag bestimmte Belohnung besorgt werden sollten.

Diese Beschlüsse gaben nicht nur der Willkür der bisherigen Stadt- und Amtsschreiberei, sondern auch dem ganzen unseligen „Schreiberinstitute“ überhaupt den Todesstoß, … einem Institute, das noch aus Deutschlands rohem Zeitalter stammte, das den Württembergern zu allen Zeiten laute Seufzer und Klagen in Masse erpreßte, das den trägen Gang aller in die Staatshaushaltung und das Privatleben eingreifenden Geschäfte verewigte und zugleich das ganze Rechnungswesen in einen wahrhaft gordischen Knoten verwickelte.

Lebhafte Debatten erregte auf demselben Landtage der Antrag auf völlig freien Handelsverkehr, Aufhebung aller inneren Zölle und Verbot des schändlichen Büchernachdruckes. Auch hier war es vor allen Dingen Uhland, der, zumal gegen das Rechtswidrige und Unmoralische des Nachdruckes, mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft und Energie auftrat. Weber, Abel, Keßler, Schott, Schmidt, Cotta schlossen sich ihm mit gleicher Entschiedenheit an. Ueberhaupt gehörte Uhland von Anfang an zu jener gesinnungstüchtigen Opposition in der württembergischen Kammer, die mit überwiegender Geisteskraft der freien, gesetzlichen Entwickelung des Volkes Bahn brach.

So kamen auf dem Landtage von 1833 die Verhältnisse zum deutschen Bunde zur Sprache, und mit ihnen die großen Fragen in Bezug auf Preß- und Wahlfreiheit. Die Opposition bewährte dabei glänzende Talente. Die Regierung war aufgebracht und verlangte, daß Pfizer’s Motion über die Bundestagsbeschlüsse vom 28. Juni 1832 mit „verdientem Unwillen“ verworfen werde; da trat Uhland, als Berichterstatter der staatsrechtlichen Commission, auf und verlas eine von ihm verfaßte Adresse, in welcher sich die Kammer gegen solche Anträge der Regierung mit Würde und Entschiedenheit verwahrte. Diese Adresse ging am 11. März 1833 mit großer Stimmenmehrheit durch, hatte aber zur Folge, daß die Kammer wenige Tage später aufgelöst wurde.

Uhland wurde von Stuttgart, Pfizer von Tübingen wiedergewählt. Im Jahre 1836 war Uhland unter den neunzehn Oppositionsmitgliedern, welche bei Gelegenheit der Abstimmung über das Finanzgesetz das Budget aus staatsrechtlichen Gründen verweigerten. Mit Uhland gingen damals namentlich Pfizer, Klett, Raidt, Schott, Nefflen, Pfaff, Walz, Römer, Murschel, Pflanz, Menzel, Pfäfflin, Baumann und Düvernoy. So wirkte Uhland mit Muth und Kraft in der Württembergischen Kammer, wie er in den Sturmjahren 1848 und 1849 seine volksfreundlichen und echtdeutschen Gesinnungen im Parlamente zu Frankfurt a. M. und im Rumpfparlamente zu Stuttgart bewies.

Trotz der Erfüllung all dieser vaterländischen Pflichten schlief aber Uhland’s Dichtertalent nicht ein. Fand sich doch manche Gelegenheit, es zu üben. 1833 erschienen seine Gedichte in sechster Auflage. Sie hatten einen schönen und großen Zuwachs durch seine patriotischen Lieder gefunden, in welchen er das begeisternde Wort als die ihm verliehene Waffe für des Vaterlandes Wohl schallen läßt. So in seinem herrlichen Octoberlied:

„Ihr Völker, die ihr viel gelitten,
Vergaßt auch ihr den schwülen Tag?
Das Herrlichste, was ihr erstritten,
Wie kommt’s, daß es nicht frommen mag?
Zermalmt habt ihr die fremden Horden,
Doch innen hat sich nichts erhellt,
Und Freie seid ihr nicht geworden,
Wenn ihr das Recht nicht festgestellt.“

Uhland’s lyrische Gedichte sind sämmtlich Ergießungen eines tiefen, zarten, für alle Saiten der Natur und des Lebenn empfänglichen Gemüthes, aber sie sind dabei nicht kränkelnd, sondern im Gegentheil kerngesund. Gerade durch diese Züge echter Gesundheit aber, wie durch die künstlerische Klarheit und Vollendung der Form reihen sie sich an die gleichartigen Schöpfungen Goethe’s würdig an. Besonders gelungen sind Uhland auch seine Balladen und Romanzen, die bei Anschaulichkeit, Lebendigkeit und scharfer Zeichnung ein echt deutsches Gepräge tragen und ganz den rechten Ton des Volksliedes treffen. Hier kam ihm sein tieferes Verständniß und sein gründliches Studium der Poesien des Mittelalters sehr zu statten. Zu den trefflichsten dieser Romanzen und Balladen gehören: des Sängers Fluch, Klein Roland, König Karls Meerfahrt, die Bidassoabrücke, Sängerliebe, der Schenk von Limburg und Eberhard der Rauschebart. Auch im Drama hat sich Uhland versucht und außer dem Fragment „Konradin“ die Dramen „Herzog Ernst von Schwaben“ und „Ludwig der Baier“ geschrieben, jedoch mit weniger Glück, obgleich die Composition correct und folgerichtig, die Sprache einfach und edel gehalten ist. Auch als Literarhistoriker über fremde und einheimische Poesie hat sich Uhland Verdienste erworben und eben so reiche Kenntnisse als Gründlichkeit dabei gezeigt. Es beweisen dies seine Abhandlung über die nordfranzösische Poesie, die Bearbeitung „Walter’s von der Vogelweide

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_647.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)