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sich jedoch die Geistererscheinungen, die ihm Wöllner und die übrigen Rosenkreuzer von Zeit zu Zeit sehen ließen. Hierbei unterstützte Bischofswerder seinen Freund in höchst schlauer Weise, indem er die Rolle des bescheidenen Zweiflers übernahm. Wenn der halb und halb nun überzeugte Thronfolger seinem Vertrauten die eben erlebten Wunder mittheilte, so äußerte sich dieser eben so vorsichtig als zurückhaltend darüber, indem er ihn vor Täuschung und Betrug mit anscheinender Ehrlichkeit warnte und zu einer genauen Untersuchung aufforderte. Durch dies treuherzige Wesen sicher gemacht, übertrug der Kronprinz gewöhnlich Bischofswerder die ganze Angelegenheit, der dann das nächste Mal an seiner Seite den Geisterbeschwörungen als ein scheinbar unparteiischer Zeuge beiwohnte und, schließlich selbst vollkommen bekehrt, dem doppelt betrogenen Fürsten beistimmte, daß es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, von denen unsere Schulphilosophie sich nichts träumen läßt.

Diese Geisterbeschwörungen selbst wurden durch geschickte Taschenspieler mit Hülfe von allerlei Maschinen, Beleuchtungsapparaten, Hohlspiegeln u. s. w. bewerkstelligt, wobei es hauptsächlich darauf an kam den Zuschauer schon vorher durch den Genuß betäubender Getränke und durch narkotisches Räucherwerk in einen Zustand berauschender Ekstase zu versetzen. Die Rosenkreuzer verstanden diese Mittel mit großer Geschicklichkeit zu gebrauchen; sie ließen den betrogenen Fürsten die Geister eines Leibnitz, Cäsar’s und seines eigenen früh verstorbenen Sohnes, des neunjährigen Grafen von der Mark, sehen. Ein gutes Portrait, Perrücke und Schminke genügten für sie, jede beliebige Erscheinung hervorzubringen und sich dadurch ihren Einfluß auf den leichtgläubigen Prinzen für immer zu sichern. Von seiner Seite lag aber selbst diesen Verirrungen gewissermaßen noch immer ein edleres Motiv zu Grunde, da er mit Hülfe der Geisterwelt sich für seinen hohen Beruf vorbereiten wollte. Er hielt Menschenkenntniß mit Recht für eine der nothwendigsten Eigenschaften eines Regenten und glaubte sich diese Eigenschaft mit Hülfe der Rosenkreuzer und ihrer geheimen Wissenschaft zu verschaffen. So wurde seine ursprünglich bessere Natur zugleich durch Sinnlichkeit und Herzensgüte, durch seine Tugenden nicht minder wie durch seine Schwächen verführt und verstrickt, ein Spielball in den Händen einer Partei, welche in Bezug auf Absicht und Mittel eine große Aehnlichkeit mit unseren heutigen Pietisten hatte. Jene Männer haßten nicht minder als ihre jetzigen Nachfolger die Freiheit auf politischem, die Duldung auf religiösem Gebiete, sie wollten herrschen um jeden Preis und das preußische Volk in seiner fortschreitenden Entwickelung mit Gewalt zurückhalten. Auch sie lehrten „die Umkehr der Wissenschaft“, auch sie griffen zum Gewissenszwang, zur Glaubensfolter und zur Inquisition, um ihre eigenen beschränkten Grundsätze dem Lande aufzudrängen, auch sie legten die Axt an den Jugendunterricht und die Lehrfreiheit, die sie mit Recht als die größten Stützen des Fortschritts haßten und verfolgten. In Friedrich dem Großen, dem Schöpfer der preußischen Monarchie, dem Denker und dem Philosophen auf dem Throne, erblickten sie ihren größten Feind, und ihr ganzes Streben war instinctmäßig nur darauf gerichtet, seine Regierungsgrundsätze zu untergraben, sein Werk zu vernichten, sein Andenken zu beschmutzen.

In der That glückte es ihnen, wenigstens den Thronfolger für ihre Pläne zu gewinnen. Abgesehen von seiner natürlichen Hinneigung zum Mysticismus, bot ihnen schon der Widerspruch, in dem er, wie jeder Kronprinz, zu dem regierenden Könige stand, eine willkommene Handhabe. Es fiel ihnen nicht schwer, durch ihre Zwischenträgerei seine Oppositionslust zu befördern und den bereits vorhanden Zwiespalt bis zum offenen Bruche zu treiben. Eben so leicht wurde es ihnen, ihn zu ihrer Anschauung zu verführen und ein ganz entgegengesetztes Regierungssystem ihm allmählich beizubringen. Sie gebrauchten alle ihnen zu Gebote stehenden erlaubten und unerlaubten Mittel, um ihn von der Nothwendigkeit zu überzeugen, vorzugsweise auf dem religiösen Gebiete einen entschieden abweichenden Weg einzuschlagen, indem sie sein leicht zugängliches Gemüth mit den furchtbarsten Schreckbildern erfüllten; ja, die heuchlerischen Pietisten des achtzehnten Jahrhunderts verschmähten es nicht, sich mit der offenen Sünde zu verbinden und mit der berüchtigten Gräfin Lichtenau zu vereinigen, um den schwachen König zu betrügen. Diese protestantischen Jesuiten huldigten, wie ihre katholischen Vorbilder, dem verrufenen Wahlspruch: „Der Zweck heiligt die Mittel“.

Kaum hatte Friedrich Wilhelm der Zweite den Thron seines großen Verwandten bestiegen, so zeigte sich deutlich der verderbliche Einfluß der ihn umgebenden Rosenkreuzer. Die freisinnigen Institutionen seines erhabenen Vorgängers wurden nach und nach beseitigt, an die Stelle der bisherigen Toleranz trat Wöllner’s berüchtigtes Glaubensedict; frömmelnde Heuchler, gewissenlose Staatsmänner und liederliche Weiber herrschten über Preußen und führten den Staat Friedrich’s des Großen dem Ruin entgegen, aus dem er erst durch das wieder erwachte Bewußtsein des ganzen Volkes gerettet wurde.

Der Pietismus der Rosenkreuzer trägt mit die Hauptschuld an Preußens damaliger Schmach.

Die Verfinsterungspläne pietistischer Rosenkreuzer und verkappter Jesuiten fanden jedoch ein Gegengewicht an den Bestrebungen einer gleichfalls geheimen Verbindung, der sogenannten Illuminaten. An ihrer Spitze stand der sächsische Hofrath Weishaupt, früher Professor der Rechte an der Universität zu Ingolstadt in Baiern. Er selbst war in seiner Jugend ein Zögling der Jesuiten, später nach Aufhebung des Ordens jedoch ihr erbittertster Feind geworden. Aus eigener Anschauung hatte er den Druck des Pfaffenthums und der Mönchswirthschaft auf die geistige Entwickelung des Volkes kennen gelernt, weshalb er anfänglich als Lehrer der Jugend offen mit Wort und Schrift dagegen auftrat und einen aufgeklärten Kosmopolitismus zu verbreiten suchte. Bald begnügte er sich nicht mehr, blos seine Grundsätze den Studenten vom Katheder herab einzupflanzen, er stiftete einen Bund der Gleichgesinnten, wobei er sich der schon vorhandenen Formen und Zeichen der Freimaurer bediente. Weishaupt selbst behauptete: „daß der neue, von ihm gestiftete Orden keine für den Staat, die Religion und gute Sitte nachtheiligen Gesinnungen und Handlungen zum Zwecke habe, noch an den Seinigen begünstige, und daß seine ganze Bemühung nur dahin gehe, den Menschen die Verbesserung des moralischen Charakters interessant und wohlthätig zu machen, menschliche und gesellschaftliche Gesinnungen einzuflößen, boshafte Absichten zu verhindern, der bedrängten und nothleidenden Tugend gegen das Unrecht beizustehen, auf die Beförderung würdiger Personen zu denken und noch meistens verborgene Kenntnisse allgemeiner zu machen.“

Er selbst schilderte die zur Aufnahme in den Orden geeignete Persönlichkeit in folgender Weise: „Wer seine Ohren nicht dem Wehklagen der Elenden, wer sein Herz nicht dem sanften Mitleid verschließt, wer dem Unglücklichen Freund und Bruder ist, wer alle Creaturen liebt, wer mit Vorsatz auch nicht den Wurm zertritt, der sich unter seinen Füßen krümmt, wer ein Herz für Liebe und Freundschaft hat, wer standhaft in Widerwärtigkeiten, unermüdet eine angefangene Sache durchzusetzen, unerschrocken in Ueberwindung von Schwierigkeiten ist, wer der Schwächeren nicht spottet, wessen Seele fühlbar für große Entwürfe ist, begierig sich über alles niedrige Interesse zu erheben und durch große Wohlthaten auszuzeichnen, wer den Müßiggang flieht, wer keine Art von Kenntniß unnütz hält, welche er zu erlangen Gelegenheit hat, aber Menschenkenntniß sein Hauptstudium sein läßt, wer, wo es um Wahrheit und Tugend zu thun ist, sich über den Beifall des großen Haufens hinwegzusetzen und seinem Herzen zu folgen Muth hat, der ist tauglich für unsere Verbindung.“

Zur Verwirklichung seiner kosmopolitischen Lehren griff auch Weishaupt ganz im Geiste seiner Zeit nach dem Reiz des Geheimnißvollen, indem er seinen Orden ebenfalls mit gewissen Graden und Formen ausstattete. Sein System zerfiel demnach in drei Hauptclassen, deren jede noch zwei Unterabtheilungen hatte. Zuerst kam die Pflanzschule, welche das „Noviziat“ und die sogenannten „Minervalen“ umfaßte. Der Candidat, welcher in den Orden aufgenommen zu werden verlangte, mußte sich hier zunächst einer Prüfung seiner moralischen und geistigen Eigenschaften unterwerfen, von deren Ausfall seine Aufnahme oder Zurückweisung abhing. Als Minervale arbeitete er gemeinschaftlich mit Anderen an seiner eigenen und der Vervollkommnung der Gesellschaft. Zu diesem Zwecke mußte er sich in ein bestimmtes literarisches Fach aufnehmen lassen und von Zeit zu Zeit dahin einschlagende Arbeiten zur Hebung und Veredlung der Menschheit den Obern einreichen. Zeigte er hinlängliche Befähigung, so wurde er zu dem „kleinen Illuminatengrade“ befördert. In diesem wurden ihm selbst einige Zöglinge zur Beaufsichtigung übergeben, über deren Fortschritte und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_682.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)