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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

der Trenck ist ein entsetzlicher Mensch – er ist wie ein Bär oder wie ein anderes Ungeheuer, das man gegen seinen Feind loslassen kann, aber dann, wenn es seine Schuldigkeit gethan hat, an die Kette legen muß. Aber ich gebe nur zu erwägen, daß es unpolitisch wäre, damit zu rasch vorzugehen. Es stellen sich obendrein Schwierigkeiten, die nicht gering sind, entgegen. Wollen Ew. Majestät, daß der Hofkriegsrath ihn einfach von seinem Commando abberuft und ihm befiehlt, sich dahier an einem bestimmten Tage vor ein Kriegsgericht zu stellen?“

„Er wäre freilich im Stande und käme nicht!“ räumte die Kaiserin ein. „Ich fürchte ohnehin,“ fuhr sie fort, „er denkt daran, sich mit seinen rothen Banden nach Slavonien zu ziehen und dort auf seinen Gütern den Bassa zu spielen, dem’s nicht darauf ankommt, sich zum Landesherrn zu machen, wenn man ihn von Wien aus sekirt!“

„Es könnte etwas noch weit Schlimmeres eintreten!“ bemerkte Joseph – „und daran würde er, fürcht’ ich, zuerst denken … er ginge zum Preußen über! Der würde ihn mit Gold aufwiegen!“

Maria Theresia wurde offenbar betroffen von diesem Einwurf ihres Sohnes, den sie bis jetzt nicht erwogen zu haben schien.

„Das wär’ freilich arg,“ sagte sie, „… aber der Herr Sohn hat Recht … ein Ketzer ist er … und von Haus aus daheim aus Preußen …“

„Und dazu darf es nicht kommen!“ fiel Joseph ein.

„Nein – lieber, als dem bösen Manne diesen Triumph zu gönnen, laß ich eine Armee marschiren, um dem Trenck die Wege abzuschneiden und ihn einzufangen!“

„Und das würde der Welt ein Schauspiel sein, welches wir ihr nicht geben dürfen – welcher Hohn, wenn es hieße, Oesterreich führe Krieg mit seinen eigenen Generälen – es wolle, wie der Sultan, mit der seidenen Schnur dem einzigen seiner Feldobersten lohnen, der während der Kriegsjahre immer siegreich und glücklich gewesen, der ihm ganz unschätzbare Dienste erwiesen, … und das thue Maria Theresia, die der tolle Kroat als seine Göttin anbetet, um deren willen er tausend Toden trotzt …!“

„Damit erweicht mich der Herr Sohn nicht – wenn er seine Kaiserin und seine Landesmutter anbetet, so bedank’ ich mich sehr dafür, denn er thut’s nur, weil ein sterblicher Mensch Etwas anbeten muß, und einen Gott hat der Trenck dazu nicht … er glaubt weder an Gott noch Teufel!“

„Und was befiehlt meine gnädigste Frau Mutter, daß geschehen soll?“ fragte nach einer stummen Pause König Joseph.

Maria Theresia erhob sich. Sie nahm die Schriften von dem Tabouret, trat damit an ihren Schreibtisch und schrieb an den Rand der ersten Seite:

„Der von der Trenck soll anhero citiret und vor einer von Unserm Hofkriegsrath zu bestellenden Commission zur Verantwortung gezogen werden.
Maria Theresia.“

„Das soll geschehen, was der Herr Sohn da liest!“ sagte sie, indem sie das Heft dem römischen König übergab.

Joseph machte eine leichte Verbeugung, zum Zeichen, daß er sich unterwerfe.

„Dann erlauben die gnädigste Frau Mutter mir nur, daß ich mich in dieser hälichen Angelegenheit als den Vollstrecker Ihres Willens betrachten darf, wenigstens was die schwierige Seite desselben, das Anherocitiren des Trenck, betrifft. Es muß dabei die gehörige Vorsicht und Klugheit angewandt werden, sonst spielt uns dieser Pandur einen ärgerlichen Streich, der unsere Würde compromittirt. Geht die Sache ihren gewiesenen Weg, durch die Kanzleien, wird sie dem Panduren vorher verrathen … .“

„Da mag der Herr Sohn Recht haben,“ fiel die Kaiserin ein; „aber wie gedenkt Er, sich der Angelegenheit anzunehmen?“

„Ich bitte um eine Ordre der Kaiserin an mich als Obersten meines Husaren-Regiments, den von der Trenck nöthigenfalls mit Gewalt dahier vor die zu bildende Commission zu gestellen. Von der eigenen Hand der Frau Mutter. Unterdeß wird es gut sein, jenes Rescript an den Hofkriegsrath noch einige Tage zurück zu halten.“

König Joseph deutete auf das Actenheft.

„Das kann also geschehen,“ versetzte Maria Theresia. Sie nahm ein Blatt Papier und schrieb die gewünschte Ordre nieder.

„Ich lege es in Deine Hand, Joseph,“ sagte sie dann, indem sie das Blatt ihrem Sohne übergab. „Thu’ damit, was Du willst, nur sei behutsam, daß der tolle Pandur nicht in’s Lager unseres Feindes übergeht … lieber als solch ein Scandal wäre mir, wenn er offen rebellirte oder gar sich zum König von Slavonien auswürfe, was seine geheimen Absichten sein sollen, wie mir zuverlässige Leute schon mehr als einmal versichert haben!“

„Ueberlassen Sie jetzt Alles mir, Mutter,“ antwortete Joseph, indem er die Hand der Kaiserin küßte – „Sie haben mir nichts mehr zu befehlen?“

„Geh mit Gott, mein Sohn,“ versetzte sie mit einem freundlichen Lächeln und leichtem Neigen des Kopfes … „aber bevor Du gehst, schließ mir das Fenster, der Kaunitz kommt zum Vortrag, und ich muß sorgen, daß mir das Männlein nicht erfriert.“

Joseph erfüllte ihren Wunsch und verließ das Gemach.

Eine Stunde später stand in einem andern Wohngemache der Wiener Hofburg der römische König Joseph neben seinem Arbeitstisch, die linke Hand auf die Platte des Tisches stützend, die rechte halb verborgen unter den rothen Rabatten seiner Uniform. Vor ihm, in strack militärischer Haltung stand ein Officier seines Husaren-Regiments, der ein zusanimengefaltetes Papier in der Hand hielt, und dabei mit einem ganz eigenthümlichen Blicke freudiger Verlegenheit zu ihm niederblickte – denn der Officier war fast um die Länge eines Kopfes größer als der römische König.

„Mein lieber Frohn,“ sagte der Letztere, „Er braucht mir in der That nicht zu danken für das, was Er da in Händen hält. Er hat es sich selber durch seine Dienstführung verdient, und ich danke Ihm, daß er mir die Freude macht, einem Officier meines Regiments meine volle Zufriedenheit aussprechen zu können.“

„Und doch,“ entgegnete der Officier, „werden Ew. Majestät mir glauben, daß mich diese rasche und so unerwartete Beförderung zum Oberstwachtmeister beschämt, und daß ich nur wünsche …“

„Mir weiter durch die That zu beweisen, welch tüchtiger Soldat der Herr von Frohn ist,“ fiel lächelnd der römische König ein, „… daran zweifle ich nicht!“

„Das wollte ich in der That sagen, Ew. Majestät.“

„Und Er ahnt dabei nicht, Frohn,“ fuhr der König fort, „wie nahe Sein Wunsch der Erfüllung ist! Es wird gerade so etwas dem neuen Oberstwachtmeister angesonnen … etwas, wozu ein Mann wie Er gehört.“

„Befehlen Ew. Majestät!“

„Es soll sich nicht um einen Befehl, sondern nur um eine Frage handeln! Sag’ Er mir, Frohn, nimmt Er es auf sich, den Oberst von der Trenck, der jetzt mit seinem Corps, wie Er weiß, in Oberösterreich steht, mitten aus seinem Hauptquartier herauszuholen und uns hierher nach Wien zu liefern, wo die Justiz ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat?“

Frohn sah höchst überrascht und fragend in des römischen Königs Züge.

„Glaubt Er, ich mache Spaß?“

„Nein, Ew. Majestät, aber …“

„Aber Er hat nöthig, sich erst ein wenig zu fassen, wenn Ihm eine solche homerische Heldenthat angesonnen wird?“

„Geruhen mir Ew. Majestät zu sagen, wie Sie sich die Ausführung eines solchen Auftrags denken – ob durch Gewalt, im Fall der Oberst sich widersetzlich zeigen sollte …“

„Er wird sich widersetzlich zeigen, daran zweifle ich nicht,“ fiel der römische König ein; „und doch möchte ich offene Gewalt vermieden sehen. Eine Meuterei in der Armee hervorzurufen, das kann nicht die Absicht der Kaiserin sein, indem sie den Befehl gibt, dem Treiben des Panduren ein Ende zu machen. Und daneben liegt noch die Gefahr, daß dieser tolle Gesell, erbost und aufgebracht, eid- und treubrüchig wird und zum Feinde übergeht, der vielleicht schon längst Versuche gemacht hat, einen solchen Soldaten zu gewinnen!“

„Dem Trenck ist freilich nichts in der Welt heilig,“ fiel der neue Oberstwachtmeister ein, „und die Sorge, daß er solche Entschlüsse fassen könnte, liegt so nahe …“

„Glaubt Er, daß dem Trenck in der That nichts heilig sei?“ unterbrach ihn König Joseph. „Ich glaube, als ein tapferer und tüchtiger Soldat wird er wenigstens sein Ehrenwort heilig halten, und das habe ich auch heute vor der Kaiserin verfochten. Gewinne Er ihm das Ehrenwort ab, daß er sich mit Ihm hierher nach Wien begeben wolle, und dann wird er kommen.“

Frohn schwieg eine Weile.

„Wenn das möglich zu machen wäre,“ sagte er dann, „daß der Oberst von der Trenck als Soldat und Edelmann sein Ehrenwort einlösen wird, ist freilich anzunehmen …“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_706.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)