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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


von der Trenck das Ehrenwort ab, daß er hierher nach Wien kommen und sich vor seiner Kaiserin verantworten wolle gegen das, was allerlei Menschen, die ihr Gehör gefunden, gegen ihn vorgebracht haben. Der Oberst von der Trenck kann in Wien auf meine Protection rechnen, da ich nicht zweifle, daß er sich von allen jenen Anschuldigungen wird mit leichter Mühe rechtfertigen können.“

Der Pandurenoberst hatte den Oberstwachtmeister, während dieser mit größter Seelenruhe sprach, überrascht angesehen, und seine Augen funkelten jetzt in heftigem Zorne auf.

„Zum Teufel,“ rief er aus, „das ist eine schöne Litanei, die der Herr Camerad mir da vorbetet. Und dazu soll der Trenck geduldig Amen sagen? Also die Frau Kaiserin, für die ich hundert Mal mein Leben in die Schanze geschlagen habe, hat sich von Pfaffen und alten Weibern wider mich aufhetzen lassen? Und jetzt, wo der Krieg aus ist, in dem der Trenck Wunder gethan hat, wo man ihn nicht mehr gebraucht, da soll er sich verdefendiren! Hölle und Teufel, Herr Camerad, ich habe erwartet, daß meine Kaiserin mir das Feldmarschalllieutenants-Patent schickte, aber solche Botschaft nicht!“

„Ich meine, es muß dem Herrn Obersten lieb sein,“ fiel Frohn ein, „daß man ihm Gelegenheit geben will, sich von dem Verdacht zu reinigen, den man der Kaiserin nun einmal beigebracht hat!“

„Die Kaiserin ist ein unvernünftiges Weibsbild,“ schrie Trenck wüthend auf, „das Hofgesindel und die Federfuchser in Wien sind meine Feinde …“

„Vergesse der Herr Oberst nicht, daß ich von Ihrer Majestät der Kaiserin, die Gott erhalte, nicht in meiner Gegenwart so reden hören darf …“

„Darum scheer’ ich mich den Henker,“ fuhr der zornige Pandurenoberst fort, „wie um die ganze Wiener Hallunkenbande, die mir etwas an’s Zeug flicken wollen, blos deshalb, weil ich nicht Lust habe, mich von ihnen als Schwamm gebrauchen zu lassen der sich bei Freund und Feind vollsäuft und den sie dann gemüthlich ausdrücken … da liegt der Hase im Pfeffer, mein schlauer Herr Camerad, der sich zu solchen Botendiensten beim Trenck gebrauchen läßt! – Ja, darauf läuft’s hinaus – sie wissen, die Federfuchser in Wien, daß der Trenck mit saurem Schweiß und halsbrechender Mühe sich ein paar Groschen auf die Seite gebracht hat …“

„Aber,“ fiel hier Frohn ein, auf dessen Lippen es ein leises Lächeln brachte, als er sah, wie fest der Ideengang eines Geizhalses bei seinem Gelde haftete, – „aber darum handelt es sich ja nicht, sondern blos um eine dienstliche Verantwortung über Dinge, die Sie schon Ihrer Ehre wegen nicht unaufgeklärt lassen, werden, – der König hat mir das selbst gesagt, und ich wiederhole Ihnen, daß er mir ausdrücklich aufgetragen, Sie seiner Protection zu versichern.“

„Was Protection – ich kenne das … wenn man die Schreiberseelen einmal so weit hat kommen lassen, daß sie ihr Gift in die Protokolle laichen können, dann ist ein ehrlicher Kerl unrettbar verloren, dann hilft ihm Joseph’s Protection nicht mehr. Wird der Monarch daran erinnert, so heißt es: wir haben nicht voraussetzen können, daß die Untersuchung eine solche Wendung nehmen würde, es sind Umstände eingetreten, die uns zwingen, von einer persönlichen Einmischung in den Lauf der Sache abzusehen, und was diese diplomatischen Ausflüchte sind, die einem ehrlichen Soldaten, der sein Bestes meint gethan zu haben, den Strick um den Hals lassen!“

„Ich fasse nicht,“ entgegnete Frohn, „wie der Herr Camerad die Sache so bedenklich findet – ich an seiner Stelle würde sogleich an den Hof eilen und meine Widersacher beschämen.“

„Das werde ich schön bleiben lassen,“ rief Trenck aus. „Solchem Gesindel ist eine redliche Kriegsgurgel nicht gewachsen – und wenn ich es wäre, hätte ich keine Lust, zum Ritter Sanct Georg an dem Hofkriegsraths-Lindwurm mit den Gänsekielen und dem schwarzen Tintengift zu werden. Mögen die niederträchtigen Bestien, die meine Monarchin wider mich aufhetzen, in ihrem eigenen Gift ersticken – ich bleibe wo ich bin – wir wollen doch einmal sehen, ob man wagen wird, offen etwas gegen den Trenck zu unternehmen, den einzigen fähigen Kopf, den das Haus Oesterreich unter seinen Soldaten hat; denn das mag mir der Camerad glauben, die Andern, vom großmüthigen Herrn Feldmarschall Herzog von Lothringen an, bis herunter auf den weisen Laudon, den ich als Lieutenant bei meinem Corps hatte und als unbrauchbar zum Teufel jagte, die Andern sind Alle Dummköpfe!“

„Sie wollen mich also nicht nach Wien begleiten?“

„Nein!“ versetzte Trenck, sein Glas leerend.

„Wenn ich aber Ihr Ehrenwort erhalte?“ fragte Frohn, das seinige ebenfalls leerend und, als Trenck die beiden Gläser wieder voll schenkte, in beide etwas von seinem Elixir tröpfelnd.

„Mein Ehrenwort wird der Camerad nicht erhalten,“ versetzte Trenck, in seiner Erhitzung nach dem Glase greifend und es hinunterstürzend.

„Aber,“ fiel Frohn ein, „wenn ich es erhalte, so werden Sie zeigen, daß König Joseph Recht hatte, und daß es Ihnen heilig ist.“

„Daran wird der Camerad nicht zweifeln,“ murrte Trenck, „oder ich müßte ihn vor die Klinge fordern!“

„Nun wohl, mein Herr Oberst von der Trenck, so sind wir beide morgen auch zusammen auf dem Wege nach Wien,“ antwortete Frohn.

„Wie ist das zu verstehen? Was heißt das?“

„Weil der Herr Camerad mir sein Wort geben wird.“

„Tollheit!“

„Innerhalb der nächsten Viertelstunde.“

„Ich? daß ich mit dem Oberstwachtmeister nach Wien reiten werde? Den Teufel werde ich thun!“

„Wollen Sie meine Gründe hören?“

„Larifari – der Herr Camerad hat meine Antwort auf seine diplomatischen Aufträge gehört, jetzt ist genug über die Sache geschwatzt … Was ich gesagt habe, kann er in Wien bis auf die letzte Sylbe wieder berichten, ich scheer’ mich den Henker darum – und nun mag er gehen und sich auf’s Ohr legen, es ist Schlafenszeit!“

„Noch nicht, ich habe noch einige Worte zu sagen, um zu Ende zu kommen.“

„Ich meine, ich habe genug Unsinn gehört,“ fiel Trenck ein, „was hat der Camerad noch auf dem Herzen?“

„Oberst von der Trenck,“ entgegnete Frohn, indem er dem riesigen Mann mit dem abenteuerlichen Kopfe, der jetzt von Zorn und Wein geröthet doppelt unheimlich und wild aussah, ernst und fast drohend in die funkelnden Augen blickte – „Oberst von der Trenck, ich weiß sehr wohl, daß Sie sich sehr wenig aus ihrem Leben machen; Sie haben es mehr als hundert Mal in die Schanze geschlagen, wer wie Sie mit dreihundert Mann die Festung Budweis stürmt und ein ganzes Regiment Preußen darin zum Gewehrstrecken zwingt; wer ganz allein in eine meuterische Truppe hineinsprengt, und je dem vierten Mann den Kopf herunter haut, der betrachtet den Tod als ein Kinderspiel. Was mich angeht, so habe ich es freilich bis zu dieser Gleichgültigkeit nicht gebracht, und wenn ich auch im Felde und dem Feinde gegenüber als guter Soldat meine Schuldigkeit gethan habe, so ist es mir doch ein furchtbarer Gedanke, in der Kraft meiner Jahre plötzlich sterben zu sollen …“

„Aber zum Teufel, wie gehört das hierher – was ficht den Cameraden denn an?“ rief Trenck aus, indem eine gewisse Unruhe aus seinen unstät aufblitzenden Blicken hervorbrach.

„Es gehört sehr hierher,“ fuhr Frohn fort; „denn wenn der Oberst von der Trenck bei seinem Entschluß bleiben und mir sein Ehrenwort nach wie vor verweigern wird, so sind wir in ein paar Stunden oder noch früher Beide Leichen, er wie ich!“

„Hölle und Teufel,“ fuhr Trenck auf, „was soll das heißen?“

„Das soll heißen, daß wir Beide Gift genommen haben, eine ganz hinreichende Dosis, um ein Pferd zu tödten.“

„Gift!“ schrie Trenck, indem er entsetzt aufsprang und nach seinem Säbel griff.

„Gift!“ wiederholte Frohn, ebenfalls aufstehend, und mit ruhiger Hand, an der nicht das leiseste Zittern zu bemerken war, die kleine Krystallflasche, die vor ihm stand, zum Lichte erhob. „Ich habe dem Cameraden gesagt, daß dies ein Wundertrank wider alle Krankheiten sei und einen merkwürdig ruhigen und festen Schlaf verleihe; es verleiht den Todesschlaf! Hat der Oberst einen kunstverständigen Mann, einen tüchtigen Arzt in seinem Hauptquartier, so lasse er ihn herbeiholen; er kann es untersuchen … wenn es noch Zeit dazu ist – der Trank wirkt in einer bis zwei Stunden!“

(Fortsetzung folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_724.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)